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Geschenkökonomie

Das ist, der Jahreszeit entsprechend, diese Woche das Thema des Ö1 Radiokollegs. Man lernt dort, dass Geschenke in einer Gesellschaft viele Zwecke erfüllen können, von der Umverteilung über die Erlangung sozialen Ansehens bis zur Herstellung von Abhängigkeitsverhältnissen. Und, wenig überraschend, dass wir, die wir in einer spätkapitalistischen Marktwirtschaft leben, gar nicht so leicht Geschenke annehmen können, weil wir immer glauben, dass wir dadurch zu etwas verpflichtet werden. Ist ja auch kein Wunder, bei der Geschenkökonomie, die grad wieder auf Hochtouren läuft.

Das Gratis-Handy, dafür muss man einen 2-Jahresvertrag mit dem Mobilfunkanbieter abschließen, das Gratisgeschenk zum Zeitungsabo verpflichtend für ein Jahr, der Gratisglühwein, der zum Kauf verlocken soll, dazu noch die gratis Musikberieselung in der ganzen Stadt und das trotz der Eigentumsrechte an den gespielten Musikstücken. Irgendwer wird von solchen Geschenken immer reich, selten der Beschenkte.

Geschenkökonomie, darauf hofft auch die Wirtschaft und jubelt: das Weihnachtsgeschäft läuft prächtig, die Krise, so hören wir, ist vorbei, es geht wieder aufwärts. Fragt sich nur, wie lange, ist doch Weihnachten nicht nur das Fest der Geschenke, sondern auch das Fest der Schulden und für so manche wird es ein böses Erwachen aus dem Kaufrausch geben. Und die Krise, die ist wohl noch länger nicht vorbei, trotzdem gibt es in Irland weiterhin Steuergeschenke für Unternehmen, während wir an seiner Bevölkerung gerade ein Life-Experiment beobachten dürfen, wieviel Sparmaßnahmen man ihr zumuten kann und ob das eher zur Revolution oder zur Resignation führt. Vom Ausgang des Experimentes wird es wohl abhängen, wie das Spiel weitergeht und welches Land als nächtes dran ist.

Keine Weihnachtsgeschenke also für die, die auf politische Veränderung von oben hoffen.

Noch immer werden – wider besseres Wissen – die Finanzmärkte als Maß aller Dinge angesehen, Regelungen, die „den Märkten“ diese Macht entziehen würden, sind nach wie vor nicht in Sicht. Ebensowenig wie wirksame und akkordierte Maßnahmen gegen den Klimawandel und zur Unterstützung derer, die am meisten darunter leiden.

Schenkwirtschaft auf Österreichisch – es gilt immer die Unschuldsvermutung!

Die Gemeinden sind höher verschuldet, als bisher angenommen, so erfahren wir, denn auch sie haben Bereiche „ausgelagert“, um die Schulden unsichtbar zu machen – und hier fehlt auch nicht der warnende Verweis auf die bösen Griechen, die das genau so gemacht hätten und das sei der Anfang allen Übels. Jetzt gibt es für die BürgerInnen Gebührenerhöhungen als Weihnachtsgeschenk. Ja, die Gemeinden haben das getan, aber ich kann bezeugen, dass sich die GemeindepolitikerInnen aller Parteien lange und letztlich erfolglos dagegen gewehrt haben. In vielen Gemeinden haben wir vor einigen Jahren das Video „Kassenkampf“ gezeigt und ich habe – damals noch für öffentliche Dienstleistungen kämpfend – niemanden getroffen, der diesen Argumenten nicht zugestimmt hätte. Aber die Länder, von denen letztlich das Geld für die Infrastrukturbetriebe der Gemeinden kommt, haben die Auslagerung gefordert, da kann ein noch so guter Attac-Film nicht dagegen an. Diese Erfahrung war einer der Gründe, warum ich mich den Commons zugewendet habe.

Inzwischen wird es noch deutlicher: wenn der finanzielle Spielraum knapper wird, fällt das demokratische Mäntelchen von so manchen verkrusteten feudalen Strukturen und dann wird sichtbar, dass Landesfürsten, Orts- und Parteikaiser und Gewerkschaftsbosse auch das Gesundheits- und Schulsystem vor allem als Einsatz in den eigenen Machtspielen benutzen und Reformen mit aller Kraft verhindern. Dass sie sich so teure Spielzeuge wie Skylink leisten und mit Pseudo-Personalrochaden sich gegenseitig nicht weh tun und erfolglose Manager fürstliche Gagen fürs „Spazierengehen“ bekommen – auch eine Art Geschenkökonomie. Und um davon abzulenken, hält man sich mit der Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt einen eigene Gerichtsbarkeit, die absurde Schauprozesse gegen Tierschützer führt und die eigenen Freunde ungeschoren lässt. Ach ja, es gilt natürlich für alle die Unschuldsvermutung. Dieser Satz hat es ja immerhin zum „Unspruch des Jahres“ geschafft, was ist das doch für ein Land, in dem wir leben!

Wir glauben natürlich auch, dass den Geldflüssen zwischen Unternehmen, Politikern und Beamten in der schwarzblauen Regierung auch entsprechende Leistungen gegenüberstanden und es sich nicht um Geschenke handelte, auch wenn die Betroffenen nimmer wissen, wofür sie die läppischen paar Millionen bekommen haben, wie wir aus den jetzt veröffentlichten Telefonmitschnitten erfahren. Aber die Unschuldsvermutung gilt natürlich immer nur für PolitikerInnen und Wirtschaftsbosse und nie für diejenigen, die es wagen ohne gültige Papiere unsere Grenzen zu überschreiten und vielleicht gar noch eine andere Hautfarbe oder eine andere Religion zu haben als österreichische Eingeborene. Die stehen unter grundsätzlichem Verdacht und bekommen bei uns höchstens ein Rückflugticket geschenkt.

Eher ein Danaergeschenk ist auch die neu eingeführte Mindestsicherung, die gleichzeitig in Wien die „Bettensteuer“ gebracht hat, was heißt, dass Obdachlose für die Notschlafstellen bezahlen müssen – Schluss mit den Geschenken – (aber immerhin, sie protestieren dagegen!), und die für viele eine Verschlechterung darstellen dürfte. Und natürlich müssen – im Gegensatz zu Beratern mit Honoraren von mehreren 100.000 Euro – die BezieherInnen von 744 Euro Mindestsicherung immer ihre Arbeitswilligkeit beweisen. Und das, obwohl der jüngste Sozialbericht, ebenfalls wenig überraschend, zeigt, dass die soziale Schere ohnehin schon weiter auseinander geht – Frohe Weihnachten!

Kampagne gegen Steuergeschenke

Nicht mehr länger auf Weihnachten und Geschenke warten wollen aber inzwischen viele Menschen und nehmen die Dinge selbst in die Hand. Zum Beispiel in England, wo eine Kampagne gegen Vodafone und den Milliardär Philip Green, die gemeinsam Steuern in der Höhe von fast 2 Mrd. Pfund „eingespart“ haben, geführt wird unter dem Motto „If they won’t chase them, we will“. Das Weihnachtsgeschäft wurde dazu genutzt, an die Öffentlichkeit zu gehen. Und anstatt die Menschen von den Geschäften fernzuhalten, was deren Inhaber befürchtet hatten, fanden die Besetzungsaktionen durchaus die Zustimmung der KundInnen und manche setzten sich gleich dazu. Auch wenn eine solche Personalisierung problematisch ist, zu zeigen, was alleine die Steuern dieser beiden Unternehmen an sozialen Leistungen möglich machen würden, lässt die Größenordnungen, um die es geht wirklich klar werden. Und man muss halt auch deutlich machen, dass die nicht Steuern hinterziehen, weil sie gierig sind, sondern weil es Gesetze gibt, die solche Dinge ganz legal ermöglichen.

Und es ist auf jeden Fall besser, als, wie in Österreich gern gemacht, die Kürzungen bei den Bildungsausgaben den PensionistInnen in die Schuhe zu schieben, die angeblich auf Kosten der Jungen in Saus und Braus leben, wie es Martin Prinz hier tut. Und kürzlich wurde ja, wie bereits in einem anderen Beitrag erwähnt, die Idee vorgebracht, man müsse Menschen 10 Jahre nach Pensionsantritt das Wahlrecht entziehen, sonst drohe die Diktatur der Pensionisten, das sei eine Bedrohung für die Demokratie. Dieser Vorschlag wird nicht besser, weil der Herr, der ihn machte, sich „Politologe“ nennt. Wer nicht zum Wirtschaftswachstum beiträgt, darf auch nicht mitreden, ist die abgemilderte Form von „wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“. Abgesehen davon, dass die Durchschnittspension in Österreich bei 938 € liegt und man damit vermutlich nicht allzu große Sprünge machen kann, sind es gerade sie, die die „echte“ Geschenkökonomie aufrecht erhalten, ohne die keine Gesellschaft auskommt. Nicht nur finanzielle Umverteilung geschieht in den Familien, auch ein guter Teil der unbezahlten Arbeit wird von PensionistInnen erledigt. Ohne sie und die Studierenden wären die meisten Vereine in ihrer Existenz bedroht, wer ständig damit beschäftigt ist, sein Humankapital auf dem Markt zu verkaufen, hat kaum Zeit für ehrenamtliche Tätigkeiten.

P2P-Produktion statt Warten aufs Christkind!

Aber auch in Österreich und in Graz tut sich Einiges, das zu Optimismus Anlass gibt. Auch hier werden es immer mehr Menschen, die den Glauben daran verloren haben, dass unsere PolitikerInnen fähig sind Lösungen zu finden und selbst aktiv werden, und es sind zum Glück auch immer mehr, die sich nicht gegeneinander ausspielen lassen. Und nachdem ich vergangenes Jahr so viel in Deutschland unterwegs war und ganz neidisch gesehen habe, was dort alles möglich ist, freut mich das besonders :-).

Arbeitsloseninitiativen wollen gegen die Mindestsicherung eine Verfassungsklage einbringen, weil sie für viele Schlechterstellungen bewirkt. Lehrende an den Universitäten aus ganz Österreich treiben die Vernetzung voran um sich gemeinsam gegen die prekären Arbeitsbedingungen zu wehren.

Nachdem das Café Libertad in Graz, ein bio-faires und veganes Café ohne Konsumzwang, in dem viele Gruppen ihre Treffen abhielten, Ende Oktober schließen musste, wurde nun ein Verein gegründet, der das Café weiter betreiben soll, ein Projekt solidarischer Ökonomie, damit das Risiko nicht an einer Person hängen bleibt.

Es gibt in Österreich inzwischen nicht nur einige gut funktionierende Foodkoops, sondern auch schon zwei Beispiele von community supported agriculture (gemeinschaftlich getragene Landwirtschaft), die noch ein Stück weiter gehen, das „Ochsenherz“ in der Nähe von Wien und das „Wieserhoisl“ in der Weststeiermark. Menschen, die in der Stadt wohnen, schießen die finanziellen Mittel für die Leute vor, die einen Bauernhof bewirtschaften und bekommen dafür von dort die Lebensmittel. Auch da teilen ProduzentInnen und KonsumentInnen das Risiko, wenn Letzere auch noch mitarbeiten, verschwinden die Grenzen ganz. Die finanziellen Beiträge richten sich nach den Möglichkeiten und Bedürfnissen der Beteiligten, es funktioniert also nach dem Prinzip „beitragen statt tauschen“.

Im letzten Jahr sind viele Gemeinschaftswohnprojekte entstanden – vor einem Jahr, als ich angefangen habe, mich dafür zu interessieren, konnte man sie an den Fingern einer Hand abzählen. Und ebenfalls bei einem Treffen von Menschen aus Hof- und anderen Wohngemeinschaften im Wieserhoisl hat sich eine Arbeitsgruppe gebildet, die auch für Österreich eine Rechtsform und ein Finanzierungsmodell entwickeln will, wie man Eigentum und Nutzung von Häusern trennen kann, damit gemeinschaftliches Wohnen unabhängig vom eigenen Vermögen möglich wird, wie es in Deutschland das Mietshäusersyndikat ist.

Nachdem wir beim Klimakongress und beim Elevatefestival Veranstaltungen zum Thema Transition gemacht haben, gibt es jetzt auch Interesse von Seiten der Stadt Graz. Vorige Woche gab es ein erstes Treffen von interessierten Menschen mit einer Stadträtin und einem Stadtrat, bei dem sich zeigte, was sich alles grade so in der Stadt zu bewegen beginnt. Unglaublich viele Aktivitäten wurden angesprochen, und die Stadträtin der Grünen, die ja grade ein bisschen neidisch nach Deutschland blicken, weil die Proteste rund um Castor und S21 den Grünen Stimmenzuwächse bescheren, meinte, sie würde sich wünschen, dass sich in Österreich auch so starke Bewegungen gründen würden. Solche Wünsche von Politikerinnen erfüllen wir doch gerne 🙂 und nicht nur zu Weihnachten!

Viele interessante Gespräche habe ich in den letzten Wochen rund um die Fragen wirtschaftlicher Alternativen geführt, viele Ideen sind entstanden, und wenn auch Ideen die Welt noch nicht verändern, so sind sie doch die notwendige Voraussetzung dafür. Und wir werden auf jeden Fall weiter an der Umsetzung arbeiten. Alles in allem also trotz anhaltender Krisenszenarios Grund hoffnungsfroh ins neue Jahr zu starten.

Im Radiokolleg hab ich auch erfahren, dass Weihnachten als Fest des Schenkens für alle erst ein sehr junger Brauch ist. Erst nach dem ersten Weltkrieg, als das typische Fordistische Familienmodell sich durchsetzte, das die unbezahlte Arbeit der Frauen in den Dienst der Kapitalakkumulation stellte, war es notwendig, die Beziehungen in diesen Familien abzusichern. Und das geschah durch Geschenke von denen, die in der Hierarchie oben waren an die unten, von Männern an Frauen, von Eltern an die Kinder. Als Gegenleistung dafür wurden Unterordnung und Gehorsam erwartet. Also, erst denken, dann schenken! Oder noch besser –  sich nicht auf Geschenke verlassen, sondern selber aktiv werden, auf’s Gratishandy verzichten und Commons produzieren, statt privates Eigentum zu vermehren, Dinge der Allgemeinheit zurückgeben, Free Beer brauen, statt Freibier trinken, kreativ, subversiv, widerständig und lebendig – auch im nächsten Jahr!

Und hier noch ein Lied für unterm Weihnachtsbaum. Auch wenn der Sänger wieder einmal commons und public goods vermischt, das sei ihm verziehen, weil er es vorbildlich schafft den Zusammenhang zwischen ArbeiterInnenbewegung und Commonsbewegung herzustellen.

2 thoughts on “Geschenkökonomie

  1. liebe brigitte, danke dir für das geschenk deines blogs, in dem soviele informationen und anregungen zu finden sind. mittlerweile hab ich es auch in die open space-ausstellung geschafft und bin froh, dass bei unserem wohnprojekt ein ziemlich großer platz vorgesehen ist, der zu unserem grundstück gehört. das heißt, wir verfügen über raum, den wir öffentlich machen können und ohne behördliche bewilligungen mit dem bespielen können, was WIR wollen.
    ob wir es schaffen, aus dem coffice (cafehaus mit büroarbeitsplätzen) einen solidarischen betrieb zu machen, daran wird gearbeitet.
    so schaue die perspektiven für das kommende jahr aus – und das ist gar nicht schlecht.
    angenehme tage wünscht dir erna
    das revolutionäre kochen suche ich immer noch raus, das dauert….

  2. Danke Erna, für diese weiteren ermutigenden Beispiele, ich freu mich schon auf euer coffice 🙂

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