Rezension von:
Maximilian Becker / Mathilda Reinicke (Hg): Anders wachsen! Von der Krise der kapitalistischen Wachstumsgesellschaft und Ansätzen einer Transformation. Oekom 2018
Zuerst erschienen in der contraste – zeitung für selbstorganisation.
Bemerkenswert an diesem Buch ist, dass es aus einer Initiative Studierender der Universität Leipzig entstand. Es handelt sich um eine Lokalgruppe von oikos, einer Studierendenorganisation, dies sich der Stärkung des Themas Nachhaltigkeit unter Studierenden und in der Wissenschaft verschrieben hat. Das Buch ist eine Sammlung von Vorträgen, die in den letzten Jahren von den Studierenden organisiert worden waren und deckt eine große Bandbreite an Themen durch verschiedene AutorInnen ab. Es ist in zwei Teile gegliedert, von denen der erste die Krisen der Wachstumsgesellschaft analysiert und der zweite Wege zu einer sozialökologischen Transformation beschreibt.
Der erste Teil beginnt mit einer grundlegenden Kritik an der »Externalisierungsgesellschaft« und der »imperialen Lebensweise« durch Stefan Lessenich, Ulrich Brand und Markus Wissen, sowie am allgemeinen Zwang zu Wachstum und Beschleunigung, dem Hartmut Rosa den Begriff der »Resonanz« gegenüberstellt. Die folgenden Beiträge erteilen dann auch allen Versuchen, mit Hilfe neuer Technologien ein »grünes« Wachstum zu erreichen oder die Trendwende durch individuelle Konsumentscheidungen herbeiführen zu können, eine Absage; es brauche eine wirkliche gesellschaftliche Transformation, was letztlich eine Überwindung des Kapitalismus bedeute.
Im zweiten Teil werden Wege in diese Richtung aufgezeigt. Solidarische Ökonomie, Friederike Habermanns »Ecommony«, ethischer Welthandel, eine Postwachstumsökonomie und der Suffzienzansatz werden vorgestellt. Besonders erwähnenswert der Beitrag von Muruchi Poma über Buen (con)vivir, der dieses indigene Konzept detailliert beschreibt und dem westlichen Entwicklungsbegriff gegenüber stellt. Eher überraschend ist, dass die »Vier-in-einem-Perspektive« von Frigga Haug und das bedingungslose Grundeinkommen in diese Sammlung Eingang gefunden haben. Durch das Potenzial zu einer Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit, sowie der Aufwertung der Sorgearbeit bieten sie auch Transformationspfade über den Kapitalismus hinaus an. Ein weiterer Pluspunkt: nahezu alle Beiträge betonen die Bedeutung demokratischer Beteiligung an der angestrebten gesellschaftlichen Transformation.
Wer sich schon lange mit den Themen beschäftigt, wird in den Buch kaum Neues finden. Für NeueinsteigerInnen jedoch bietet es einen guten Überblick über aktuelle Diskussionen und trägt damit dem Ziel von oikos und der Hauptzielgruppe der Studierenden Rechnung. Schade nur, dass die doch sehr verschiedenen Ansätze unkommentiert und unvermittelt nebeneinander stehen und sich nicht aufeinander beziehen – eine lobenswerte Ausnahme in dieser Hinsicht stellen die Texte von Judith Dellheim und Friederike Habermann dar –, was gerade Menschen, die in diese Diskussionen neu einsteigen, etwas ratlos zurücklassen könnte.