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Commons und Kommunalpolitik

Am 18. und 19. März fand in der Heinrich-Böll-Stiftung in Bremen eine Tagung unter dem Titel „Wem gehört die Stadt“ statt, bei der der Frage nachgegangen wurde, was die Idee der Commons und das Konzept der Transistion Towns für Kommunalpolitik bedeuten. Was sind die Commons in unseren Städten, wovon sind sie bedroht, wer sind die NutzerInnen – und was kann Kommunalpolitik zu ihrer Erhaltung beitragen? Das Hauptproblem ist Kommerzialisierung der Städte, immer mehr Räume werden dem Verwertungs- und Profitstreben von Investoren geopfert, zu Lasten der Lebensqualität der Bevölkerung. Und die erhofften Einnahmen gehen häufig genug ausschließlich an die privaten Investoren, während den Gemeinden die Schulden bleiben. Aber die Fragen und Antworten sind vielfältiger, es geht um Bürgerrechte, um Demokratie und um Umverteilung, es geht darum, die Frage nach den öffentlichen Gütern und Dienstleistungen, ebenso wie die Frage nach Öffentlichkeit überhaupt, unter dem Paradigma der Commons neu aufzurollen.

Silke Helfrich hat für unseren Workshop fünf Thesen zu Commons und Kommunalpolitik aufgestellt, ich habe sie kommentiert und mit Beispielen gefüllt. Hier unsere gesammelten Werke:

1. “[D]ie Grundlage für eine umweltfreundliche Stadt [liegt] nicht unbedingt in einem besonders umweltfreundlichen Städtebau oder neuartigen Technologien […], sondern viel eher darin, dem allgemeinen Wohlstand eine Priorität gegenüber dem persönlichen Reichtum einzuräumen.” (Mike Davis, Soziologe und Historiker, 2008)

Es passt genau zur Logik der Commons, dass Mike Davis hier Umweltfreundlichkeit und Wohlstand miteinander verknüpft, und nicht etwa gegeneinander ausspielt, so nach dem Motto, mehr Umweltfreundlichkeit würde den Wohlstand reduzieren. Viele Gemeinden wollen energieautark oder CO2-neutral werden, auch große Städte planen neue Stadtviertel unter diesem Gesichtspunkt, z.B. Wien-Aspern oder in Graz die Reininghausgründe. Sie denken dann vor allem an technologische Lösungen, Passivhäuser, Solarenergie, bestenfalls noch an autofreie Siedlungen und einen Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel, häufiger an Solarautos, schließlich will man ja mit der Zeit gehen und Innovation ist gefragt. Und vor allem, die privaten Immobilienenwickler, die damit beauftragt werden, wollen fette Gewinne sehen und das möglichst schnell.

Die alltägliche Lebensgestaltung der Menschen, ihr Bedarf an leistbaren Wohnungen und ihre Beziehungen zur umliegenden Region werden selten mitgedacht. Kaufen die Menschen immer noch im Supermarkt Lebensmittel, die Tonnen von CO2-Ausstoß bei Herstellung und Transport verursacht haben? Hat immer noch jeder seine Single-Wohnung mit eigenem Auto (wenn auch solar betrieben), eigenen Elektrogeräten, werden immer noch alle Dinge, die nicht mehr gebraucht werden, einfach weggeworfen?

Oder gibt es Raum für Umsonstläden und Tauschkreise, für Reparaturbetriebe und offene Werkstätten? Wird auch an gemeinschaftliche Wohnformen gedacht, sind Baugruppen willkommen? Kommt es zur Vernetzung mit den Bauern aus der Umgebung, durch Foodkoops, Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaften oder Community supported agriculture, damit regionale Wirtschaftskreisläufe entstehen? Wird ausreichend Platz für Bäume vorgesehen – als Sauerstoff-Produzenten, Klimaverbesserer und Naherholungsräume, damit die Menschen nicht erst ihr Auto brauchen um sich in gesundern Natur erholen zu können? Wird auch daran gedacht, dass sich nicht nur Reiche nachhaltiges Wohnen leisten können? Also: soll die „nachhaltige Stadt“ in erster Linie den Investoren Gewinn bringen, oder den Bewohnern dienen? Ein schönes Beispiel ist die Erzeuger-Verbraucher-Kooperative Landwege in Lübeck, die einen Biosupermarkt betreibt und auch Bildungsangebote für Schulen bereitstellt.

Finanzielle Unterstützung gibt es meist nur für technische Innovation. Die Bereitstellung von Förderungen und Infrastruktur für solche sozial innovativen Initiativen aus der Bevölkerung würde ebenfalls den CO2 Ausstoß senken und dazu noch Lebensqualität und soziale Beziehungen verbessern und würde auch der Umverteilung dienen, weil Geld an die BewohnerInnen des Stadteils ginge und nicht nur an die Immobilienunternehmen.

2. Die betriebswirtschaftliche Logik ist in allen kommunalen Belangen durch die Logik der Commons einzutauschen. Das wird die Lebensqualität verbessern und: es wird sich rechnen.

Das bezieht sich natürlich auf alle anderen Punkte, für mehr Information bitte dem Link folgen ;-).

3. Voraussetzung für diesen Paradigmenwechsel sind

  • uneingeschränkter Informationszugang & totale Transparenz
  • Co-design auf allen Ebenen
  • Umverteilung

Mit dem Thema uneingeschränkter Informationszugang hat sich Arne Petrich beschäftigt, am Beispiel Jenapolis. Und einen Teil der Umwerteilungsfrage hat Christoph Schlee abgedeckt, der sich mit dem Zusammenhang Commons – Grundeinkommen beschäftigt. Denn die Herstellung und Erhaltung von Commons kostet Zeit, Mühe und, in einer Gesellschaft wie unserer, kostet sie auch Geld, weil alles, was gemeinsam genutzt werden soll, meist erst über den Markt erworben werden muss.

Commons sind also kein Sparprogramm für Kommunen, die sich darüber freuen, dass Menschen sich jetzt selbst organisieren und die Politik dann nicht mehr verantwortlich ist. Dazu im nächsten Punkt noch mehr.

Und zum Thema Information: die ist wichtig, aber sie reicht nicht aus, es geht auch darum, Wissen so zu vermitteln, dass Menschen auch wirklich an Entscheidungen teilhaben können, wenn es etwa um Dinge wie lokale Energieversorgung geht. Es braucht also eine Demokratisierung von Expertenwissen und es müssen meist auch die Kompetenzen zur Selbstorganisation und zur Verwaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen erst erworben werden. Über solche Dinge hat Hilary Wainwright ein sehr spannendes Buch geschrieben, über das hier in Kürze noch mehr zu lesen sein wird.

4. Nicht mehr staatliche Fürsorge und Kontrolle werden gebraucht, sondern die konsequente Förderung unzähliger Freiräume zum Experimentieren.

Politiker haben oft den Anspruch, etwas für die BürgerInnen tun zu müssen, sie klagen andererseits über stetig zunehmende Sozialausgaben und sie haben Probleme damit, die Kontrolle darüber aus der Hand zu geben, was in der Stadt geschieht. Mehr Vertrauen in die Fähigkeiten der Menschen, Dinge selbst zu organisieren und mehr Unterstützung für solche Initiativen, ohne immer gleich die Kontrolle darüber haben zu wollen, würde möglicherweise mehrere Probleme gleichzeitig lösen.

So gibt es einerseits viele Arbeitslose, die aber durchaus Ideen hätten, was sie gerne tun würden, was auch für die Gemeinde sinnvoll wäre, sich aber niemand findet, der für diese Arbeit bezahlen würde – warum lässt man sie nicht einfach tun, anstatt sie in sinnlose Trainings und Minijobs zu zwingen, die ja doch nur Beschäftigungstherapie sind?

Mehr Offenheit für soziale Experimente wäre sicher allen zuträglich. Und wenn mal etwas nicht klappt, dann nicht immer gleich zu schreien „wir haben es ja gewusst!“, sondern dann könnten Gemeinden auch einmal als Vermittler auftreten und Unterstützung bei Konfliktlösung anbieten. Schließlich passiert es ja auch, dass superteure Projekte mit öffentlichen Förderungen von Unternehmen in den Sand gesetzt werden, und dabei handelt es sich meist um viel größere Beträge. Wenn Menschen neue Lebensformen entwickeln, wenn sie Dinge gemeinsam nutzen, mehrfach  nutzen, könnten sich die Städte auf längere Sicht durchaus auch Sozialausgaben ersparen.

Als Beispiel seien hier die vielen (fast) ehrenamtlichen Initiativen angeführt, die an ihre Grenzen stoßen, wenn es notwendig ist, jedes Jahr eine Fülle von Projektanträgen und -berichten zu schreiben, um öffentliche Förderungen zu bekommen. Bei selbstverwalteten Projekten sowieso eine Farce, weil ja gar nicht vorausgesagt werden kann, was im nächsten Jahr passieren wird. Aber da schlägt wieder das Kontrollbedürfnis der Behörden durch und verschlingt viel Zeit, die in kreative Tätigkeit fließen könnte und frustriert genau jene Menschen, die ihre Zeit freiwillig zur Verfügung stellen. Eine Bereitstellung der Infrastruktur durch die Stadt wäre nicht teurer, denn das Geld wird ja schließlich ohnehin aufgebracht und würde viel unnütze Arbeit auf beiden Seiten sparen.

5. Gemeinsamer Besitz statt privates Eigentum! Nicht-eigentumsorientierte Modelle, die selbstorganisiert und selbstverwaltet werden, gehören auf die Prioritätenliste aller Kommunen.

Das beginnt bei den Bänken am Hauptplatz und auf den Bahnhöfen und bei den Trinkbrunnen. Kann man sich in der Stadt noch hinsetzen, ohne konsumieren zu müssen, oder nur mehr in die Straßencafés? Gibt es auf dem Bahnhof geheizte Warteräume, in denen man sitzen kann, nur mehr für Fahrgäste erster Klasse? Gibt es für alle zugängliches Trinkwasser in der Stadt? Oder sind die öffentlichen Räume bald nur mehr für Menschen da, die auch „konsumieren“ = shoppen gehen?

Aber es geht viel weiter, es wurde ja oben schon angesprochen: Stadtregierungen verkaufen jedes noch verfügbare Fleckchen an Immobilienentwickler, weil sie Geld brauchen, weil sie sich von der Aufwertung der Städte Mehreinnahmen erhoffen. Eine Hoffnung, die oft genug enttäuscht wird, weil die Gewinne meist an die privaten Partner fließen und die Städte auf den Schulden sitzen bleiben.

Wichtig wäre es, Wohnraum und öffentliche Räume aus der Spekulation herauszuhalten, auf Dauer für leistbares Wohnen zur Verfügung zu stellen. Auch dafür gibt es viele Beispiele, die Erbpacht, wie hier bei der Stiftung Trias, die Leipziger Wächterhäuser oder das Mietshäusersyndikat. Ein weites Betätigungsfeld für Gemeinden – und wenn die Mieten billig bleiben, sparen sie sich auch die Mietbeihilfen. Das ist zwar schlecht für die Investoren, aber gut für die BewohnerInnen.

Und zum Schluss: all das wendet sich nicht gegen KommunalpolitikerInnen, sondern könnte durchaus dazu beitragen, dass ihre Verhandlungsmacht gegenüber Konzernen, Landes- und Bundesregierungen durch die Unterstürzung durch die BürgerInnen gesteigert würde. PolitikerInnen müssten Wissen, Macht und Verantwortung teilen, könnten dadurch aber an Legitimation und Ansehen gewinnen, wenn sie die Bedürfnisse der BürgerInnen an die erste Stelle setzen, ihre Fähigkeiten zur Selbstorganisation unterstützen und an echter Mitbestimmung interessiert sind.

Und für die Stadtverwaltungen blieben noch viele Aufgaben. Sie wären Treuhänder von Infrastruktur, die von den BürgerInnen selbst verwaltet werden könnte, sie müssten Bildungs- und Konfliktlösungsangebote bereitstellen und mit den BürgerInnen gemeinsam die öffentlichen Güter und Dienstleistungen verwalten und erhalten.

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