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Angst und Hoffnung

Und hier nun, in Fortsetzung zum vergangenen Post zu einem meiner Meinung nach zentralen Thema: Zur Politik der Angst und Politik durch Angst.

Politik durch Angst

Es wurde ja schon öfter gesagt, dass Politiker*innen immer weniger inhaltlich gestalten können / wollen – aus verschiedenen Gründen – und sich da die Strategie anbietet, Gefahren heraufzubeschwören, aus denen man die Menschen dann retten kann und sich damit Wählerstimmen sichern. Diese Phänomene werden oft unter dem Schlagwort „Postdemokratie“ verhandelt. Auch in der Pandemie wurde – und wird zum Teil immer noch – durch Angst regiert. Durch das Ausmalen von Bedrohungsszenarien können autoritäre, repressive Maßnahmen durchgesetzt werden, die sonst nicht akzeptiert würden. Wir haben das im Zusammenhang mit den Themen Terror und Flucht/Migration bereits erlebt. Da wurde es aber von liberalen Menschen scharf kritisiert, auch weil andere, größere oder reale Bedrohungen ignoriert wurden. Das hat dann dazu geführt, dass auch die „andere Seite“ mit Angstszenarien arbeitet. Die Klimaforscher*innen und -aktivist*innen überschlagen sich mit der Ankündigung von Horrorszenarien. Greta Thunberg hat in Davos den globalen Eliten entgegengeschleudert „I want you to panic!“ So sehr ich Greta schätze, diesen Wunsch teile ich nicht, denn Panik ist ein schlechter Ratgeber. Und in so einer Situation, wo wir nur von Bedrohungen umgeben zu sein scheinen, ist es vermutlich naheliegend, in dem Modus weiterzumachen und erst mal das Schlimmste anzunehmen und sich gar nicht mehr daran zu stoßen, wenn mit Angst Politik gemacht wird.

Ich habe in letzter Zeit zwei Bücher zum Thema Angst gelesen. Petra Ramsauers Buch mit dem plakativen Titel „Angst“ und Martha Nussbaums. „Königreich der Angst“. Die beiden Bücher ergänzen sich gewissermaßen. Petra Ramsauer schreibt vom Umgang mit konkreter, begründeter Angst, die als Kriegsberichterstatterin ihre ständige Begleiterin und auch überlebensnotwendig war. „Angst kann ein Ratgeber sein, ein Impuls für Wachstum“, schreibt sie, „aber auch ein Gefühl wie ein Bremsklotz.“ Und ständige Angst kann das ganze Leben beeinflussen, es können dann Ängste auch auftreten, wenn sie unbegründet sind und schließlich zu Traumata führen. Und in Kriegen wird Angst als Waffe eingesetzt.

Martha Nussbaum dagegen spricht von der – meist unbewussten – Angst, die wir alle aus der Evolution und aus den Erfahrungen, die wir alle als Babies gemacht haben, in uns tragen. Ein Baby spürt Hunger, Durste, Kälte, Hitze, Nässe, Schmerzen, alles möglicherweise lebensbedrohende Situationen und kann sich alleine gar nicht helfen, ist absolut für sein Überleben von anderen abhängig. Diese Anderen kommen – hoffentlich – wenn das Baby schreit, aber vermutlich jedes Baby erfährt Situationen, wo das entweder länger dauert, oder die anderen einfach das Problem nicht erkennen und nicht adäquat reagieren. Diese Ängste verbunden mit Ohnmacht, so Nussbaum, tragen wir in uns und sie können durch verschiedene Dinge wieder getriggert werden und sich dann mit Zorn oder Neid verbinden. Das ist auch ein Grund, warum die Politik durch Angst so gut funktioniert und warum sie gleichzeitig die Gesellschaft spaltet.

Angst gefährdet Demokratie

Nussbaum spricht vom Königreich der Angst, denn

Monarchen nähren sich von der Angst von unten. Die Angst, vom Monarchen bestraft zu werden, garantiert regelkonformes Verhalten. Und die Angst vor Bedrohungen von außen führt zu freiwilliger Knechtschat: Ängstliche Menschen wünschen sich Schutz und Fürsorge, und bei ihrer Suche danach wenden sie sich an einen starken, absoluten Herrscher.

Demokratie hingegen, sagt sie, verlange Vertrauen und Augenhöhe. Darum sei Angst der größte Feind der Demokratie und diesen Gedanken führt sie sehr ausführlich aus, vom römischen Reich bis zu Trump. Und außerdem: Dissens befreie den Geist von Angst, daher sei es wichtig einen Geist des Dissens zu kultivieren. Eine Regierung, der die Demokratie ein Anliegen ist, sollte es also auf jeden Fall vermeiden, durch Angst zu regieren. Wäre es nicht gerade im Angesicht einer Gefahr wichtig, dass die Regierenden Mut, Vertrauen und Hoffnung verbreiten?

Denn Hoffnung ist das, was Nussbaum als Gegenmittel zur Angst vorschlägt. Eine Eigenschaft von Hoffnung sei, dass sie tätiges Engagement verlange, sie stehe also immer in engem Zusammenhang mit Handeln. Wenn wir wertvolle gesellschaftliche Ziele anstreben, dann müssten wir uns die Hoffnung zu eigen machen, meint sie. Nun ist es mit Emotionen so eine Sache, man kann sie nicht besonders gut steuern. Genau so wenig, wie man Angst verbieten kann, kann man Hoffnung befehlen, würde ich jetzt mal sagen. Und doch, vielleicht ist es eine Haltung die man erwerben kann, so wie es Annette Schlemm in diesem Text tut. Und darum hege ich jetzt einmal die Hoffnung, dass es vielleicht doch möglich ist, Brücken zu schlagen, zwischen den verschiedenen Gruppen in der Gesellschaft.

Heute beim Elevate-Festival war denn ebenfalls die Angst ein Thema. Ariadne von Schirach bezog sich auf Kierkegaard, der meinte, dass Angst zweideutig sei. Sie könne zwei Reaktionen hervorrufen: entweder Flucht oder sich der Angst aussetzen und daran wachsen. Sehr ähnlich also wie Petra Ramsauer. Also, let’s go! Wenn wir zusammen wachsen, vielleicht gibt es Hoffnung auf eine gemeinsame politische Heimat?

In der man dann zB solche Fragen stellen und darüber diskutieren könnte (mit einer Kultur des Dissensens):

  1. Warum wurden und werden seriöse und bis dahin angesehene und viel zitierte Wissenschaftler*innen denunziert und beschimpft, weil sie mit fundierten Argumenten zu dem Schluss kamen, dass diese Pandemie vielleicht doch nicht so gefährlich ist, wie sie von der Politik dargestellt wurde? Gerade in neuen, schwierigen und komplexen Situationen wäre es da nicht angebracht, möglichst viele Sichtweisen zu hören?
  2. Warum wurden wenn es um die Krankheit ging, jene Argumente für „richtig“ gehalten, die die größte Bedrohung gezeichnet haben, während wenn es um die Impfung ging, genau umgekehrt, jene abgekanzelt wurden, die mögliche Gefahren thematisierten?
  3. Für den dritten Fragekomplex muss ich ein wenig ausholen. Seit vielen Jahren weiß man, dass die WHO weitgehend von privaten Sponsoren abhängig ist und Bill Gates ihr größter Geldgeber ist. Das wurde wiederholt kritisiert – nicht weil Bill Gates ein grundsätzlich schlechter Mensch ist, sondern weil es nicht gut sein kann, Privatpersonen soviel Macht über Dinge zu geben, die von globaler Bedeutung für alle Menschen sind. Seit Jahren wird auch kritisiert, dass sich die Pharmaindustrie in alle Bereiche des Gesundheitssystems eingekauft hat und vor den Auswirkungen gewarnt. Die Pharmaindustrie profitiert von Krankheiten und der Angst davor und das viele dort investierte Geld verlangt Renditen. Es gibt jede Menge Bücher und Filme darüber, die wir zB auch mit Attac immer wieder in Veranstaltungen präsentiert haben. Warum wurde dieses Wissen in der Pandemiesituation komplett ausgeblendet? Das heißt nicht, dass Bill Gates oder die Pharmaindustrie diesen Virus „erfunden“ hätten, aber dass sie natürlich viele Vorteile daraus ziehen können, wenn er für möglichst gefährlich gehalten wird. Auch Politiker können wenn sie auf Macht aus sind, daraus Vorteile ziehen. Bisher war es klare Aufgabe von kritischem Journalismus und zivilgesellschaftlichen Initiativen auf solche Interessenkonflikte aufmerksam zu machen und noch einmal genauer hinzuschauen. Genau diese Kräfte haben im Zusammenhang mit der Pandemie vollkommen ausgelassen. Noch einmal: es geht nicht darum zu sagen, diesen Virus gäbe es nicht, oder es sein eh „nur eine Grippe“. Es ginge nur darum, die verschiedenen finanziellen und politischen Vorteile für einzelne Akteure bei der Einschätzung der Gefährlichkeit und der Maßnahmen mitzudenken, wie wir es ja sonst auch tun. Warum ist das nicht passiert, bzw wird jeder Versuch es zu tun empört zurückgewiesen?

Politische Paradigmenwechsel

Es sind in den letzten eineinhalb Jahren auch politische und gesellschaftliche Paradigmenwechsel passiert, ohne dass es darüber Diskussion gegeben hätte.

Auch dazu wieder drei Fragen:

  1. Plötzlich war klar, dass es Aufgabe der Regierungen ist, Menschen davor zu schützen, sich mit Krankheiten anzustecken. Das war bisher nicht so oder zumindest nur in sehr eingeschränktem Maße. Natürlich ist es Aufgabe von Regierungen Impfungen zu ermöglichen, Informationen zugänglich zu machen usw. Meine Ansicht ist, dass es Aufgabe der Politik ist, die strukturellen Voraussetzungen zu schaffen, dass sich Menschen so gut wie möglich selbst schützen können. Ein neuer Virus kann hier vielleicht neue Maßnahmen notwendig machen. Aber wenn es so wäre, dass es Aufgabe der Politik wäre, uns individuell vor Ansteckung zu schützen, dann müssten wir zumindest gefragt werden, ob wir uns denn überhaupt schutzbedürftig fühlen bzw ob wir den Schutz wollen, den die Regierung uns verordnet. Und dann müsste sie dafür massiv in unser Privatleben eingreifen – wollen wir das wirklich? Und für welche Krankheiten soll das gelten und wie lange, was ist das Maß für die Gefährlichkeit?
  2. Obwohl es unterschiedliche Meinungen zur Sinnhaftigkeit von Massentestungen an symptomlosen Personen gibt, werden diese in Österreich großflächig genau dafür eingesetzt und Grundrechte auf Grund dieser Ergebnisse eingeschränkt. Es war also eine politische Entscheidung das zu tun und keine medizinische. Politische Entscheidungen sollten aber – jedenfalls wenn sie so lange anhalten – demokratisch getroffen und Vor- und Nachteile diskutiert werden. Meines Wissens ist Covid19 die einzige Krankheit wo in großer Zahl symptomlose Personen daraufhin getestet werden, ob sie Virenträger*innen sind. Damit wird dann auch die Statistik befüllt, die dann von „Infizierten“ oder sogar „Erkrankten“ spricht, obwohl ein großer Teil davon ohne Test nichts davon bemerkt hätte. Wie sinnvoll ist das? Macht das nicht den Vergleich mit anderen Krankheiten unmöglich? Wie lange soll das so gehen? Und warum nur mit Covid19? Kommt das auch mit anderen Krankheiten? Oder hören wir damit bald einmal auf? Es wäre an der Zeit, sich das zu überlegen, bevor neue Begehrlichkeiten entstehen.
  3. Sehr eng damit zusammenhängend ein gesellschaftliches Problem. Plötzlich sehen wir andere Menschen nur mehr als Gefahr für uns, als potenzielle „Virenschleudern“. Man trifft sich nur unter 3G-Bedingungen, man teilt Menschen in gefährliche und ungefährliche ein (ohne wissenschaftliche Grundlage, weil es nicht klar ist, ob auch Geimpfte oder Genesene die Viren noch weitergeben können) und schafft so neue Diskriminierungslinien und es gibt auch schon einen Begriff dafür „Hygienismus“. Wollen wir wirklich, dass sich dieses tiefe Misstrauen zwischen den Menschen verfestigt, dass man beweisen muss, dass man virenfrei ist, wenn man am öffentlichen Leben teilnehmen will? Dass die Verweigerung dieses Nachweises dauerhaft (nicht nur im Augenblick höchster Gefahr) Grundrechte einschränkt?

Ich habe keine endgültige Antwort auf alle diese Fragen, aber ich möchte nicht mehr erleben, dass macht- oder angstgetriebene Politiker*innen über Monate hinweg per Verordnung Grundrechte einschränken können und darum glaube ich, dass wir uns als Gesellschaft mit diesen Fragen beschäftigen müssen, um dafür Kriterien und Prozesse festzulegen, bevor der nächste Anlassfall kommt und der kommt bestimmt.

In einem dritten Beitrag habe ich mich mit der Frage beschäftigt, was wir daraus lernen könnten.

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