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Selbstbestimmt gegen den Klimawandel – und für ein neues Paradigma

Nachdem mir diese Gedanken (siehe die vorigen Einträge hier, hier und hier) im Kopf herumgingen und ich sie noch nicht so richtig fassen konnte, nahm ich am letzten Tag des Klimacamps noch an einem Workshop des Arbeitsschwerpunkts „Gesellschaftliche Naturverhältnisse“ der BUKO teil. Er hieß „Still not loving COPs“, was sich auf die Klimagipfel bezog. Es gibt dazu auch ein Positionspapier. Und in diesem Workshop ging es genau darum: „Nicht das Klima ist in der Krise, sondern die Gesellschaft“, daher brauche es gesamtgesellschaftliche Lösungen. Der Fokus auf den Klimawandel könne dazu führen, das Machtverhältnissen zu wenig Beachtung geschenkt wird. Die Betonung der Dringlichkeit fördere einerseits undemokratische Maßnahmen und mache es andererseits schwieriger, technische Lösungen zu delegitimieren, denn dann müsse man eben alle Lösungsversuche zulassen. Auch dieses Papier benennt verschiedene Aspekte der notwendigen gesellschaftlichen Transformation, von denen manche mehr, manche weniger klimarelevant sind, alle aber eine Veränderung der Machtverhältnisse zum Ziel haben. Ein wichtiger Aspekt ist die „Demokratisierung gesellschaftlicher Naturverhältnisse“, was meint, dass die Betroffenen über Formen der Naturaneignung entscheiden können, und nicht die, die das Geld haben.

Anschließend hörte ich noch die Präsentation eines Kunstprojekts, das während der ganzen Woche in der Umgebung stattgefunden hatte. KünstlerInnen hatten von der Absiedlung bedrohte Menschen besucht, sich ihre Geschichten angehört und sich von ihnen Gegenstände geben lassen, die mit ihren verlassenen Orten in Beziehung standen und daraus eine Ausstellung gemacht. Ihre Konklusio: so ein Camp müsste ganz anders organisiert sein, es müsste die betroffenen Menschen und ihre Sorgen und ihren Zorn mit hineinholen, dann gäbe es ein ganz anderes Aktionspotenzial. Das waren genau die Dinge, die ich noch gebraucht hatte, um wieder klare Gedanken fassen zu können.

Jetzt wusste ich, was ich wirklich aus der Commonsperspektive zum Klimawandel zu sagen habe, bzw. ich wusste, dass die Frage falsch ist. Sie müsste so lauten: Was kann die Idee der Commons zu den Kämpfen gegen die Einhegungen durch technischen und marktgetriebenen „Klimaschutz“ beitragen und zu dem Paradigmenwechsel, den wir brauchen, um die Klimakrise zu überwinden? Und da ist es wieder wichtig zu betonen, dass genau dieser Paradigmenwechsel nicht nur Antworten auf die Klimakrise bringen würde, sondern auch auf all die anderen Krisen, denen wir uns heute gegenüber sehen. Im Grunde geht es darum, den Klimawandel zu entzaubern und ihn von dem Podest herunterzuholen, auf das vor allem die ihn gehoben haben, die davon profitieren (aber auch soziale Bewegungen haben dazu beigetragen), um wieder die Gesamtheit sozialer Krisen und Kämpfe in den Blick zu bekommen.

Im letzten Teil ihres Buches beschreibt Noami Klein all jene Bewegungen, die sich auf der ganzen Welt den immer aggressiveren und zerstörerischen Versuchen entgegen stellen, auch noch den letzten Tropfen fossiler Brennstoffe aus dem Boden zu holen und dabei auch in die Länder der wirtschaftlichen Zentren vordringen, die bisher von den umittelbaren Auswirkungen verschont blieben. Und diese Kämpfe auf lokaler und regionaler Ebene, das wird da sehr deutlich, bei denen geht es erst einmal gar nicht um „das Klima“ in einer abstrakten Form. Es sind vielmehr Kämpfe um Commons, Kämpfe um Selbstbestimmung, um die Rückeroberung der Kontrolle über die unmittelbaren Lebensbedingungen, um sauberes Land, sauberes Wasser, saubere Luft. Es geht um die alte Commonsfrage, wem gehört das Land (und das Wasser und die Luft), wer hat Zugang zu den Ressourcen und wer bestimmt, was damit geschehen darf? Wessen Zugang wird durch die expansiven Fördermethoden eingeschränkt, wessen Lebensmöglichkeiten beschränkt?

Durch das Wissen um die Gefahr des Klimawandels und die Zusammenhänge mit den konkreten Einhegungen vor Ort bekommen diese lokalen Kämpfe einen globalen Zusammenhang und sind heute auch global vernetzt. Umso wichtiger ist es aber, nicht zu vergessen, dass auch soziale Kämpfe um ein funktionierendes Gesundheitssystem, um soziale Absicherung, gegen Armut und soziale Ausgrenzung und für neue Formen der Demokratie Teil dieser Kämpfe um den Systemwandel sind. Betroffene dürfen nicht vertröstet werden, in dem Sinn, dass man sich um ihre Probleme erst kümmern könne, wenn das Klima gerettet wäre. Im Gegenteil, der Paradigmenwechsel, der soziale Wandel der geschehen muss, muss auch Antworten auf die sozialen Fragen haben, wenn er von vielen getragen werden soll – und das muss er, um gelingen zu können. Auch hier bietet das Konzept der Commons gangbare Vorschläge an, denn Commonsregelungen umfassen immer ökologische, soziale und demokratiepolitische Aspekte. Und es geht bei Kämpfen um Commons immer um die Veränderung von Machtverhältnissen.

Besonders der letzte Punkt ist wichtig, denn all die Bewegungen und Initiativen, die sich auf der ganzen Welt dem weiteren Abbau fossiler Rohstoffe entegenstellen, sind massiven Repressionen und Gewalt von Seiten ihrer Regierungen ausgesetzt. Das zeigt, auf welcher Seite die Staaten stehen. Sie sehen es als ihre Aufgabe, die Konzerne zu schützen und zu unterstützen und das alles im Auftrag des Wirtschaftswachstums und der Wettbewerbsfähigkeit. Die Regierungen sind zu einem gewissen Grad auch ohnmächtig den Konzernen gegenüber, sie haben zu dieser Ohnmacht aber selbst beigetragen, denn mit den Freihandelsverträgen haben sie sich den Konzernen ausgeliefert. Diese bestimmen heute, was erlaubt ist und was nicht, wohin sich die Zukunft entwickeln soll. Das Konzept der Commons ist wie kein anderes geeignet, diesen Kämpfe um ein Wiedererlangen der Kontrolle über die eigene Lebenswelt einen theoretischen Rahmen und einen praktischen Erfahrungsschatz zu bieten.

Und auf globaler Ebene geht es schließlich darum, dass Regierungen und internationale Organisationen Rahmenbedingungen schaffen müssen, die Commoning ermöglichen. Das Klima ist kein Commons, sondern die Summe von Aktivitäten an vielen Stellen der Welt. Wenn sich diese Aktivitäten ändern, dann ändert sich auch das globale Klima. Diese Veränderungen können aber nur lokal auf den Weg gebracht werden. Die Rahmenbedingungen, die es dazu braucht, sind ebenfalls in den Theorien der Commons enthalten, ebenso wie Beispiele praktischer Umsetzung.

All die Prinzipien und Praktiken des Commoning und die von der kapitalistischen Logik grundverschiedene Logik der Commons bieten jede Menge Anregungen, Argumente und Orientierungspunte in diesem Kampf und beim gleichzeitigen Aufbau von Alternativen. Vielleicht sind manche davon besonders wichtig, wenn es um die Frage des Klimawandels geht, darüber muss ich noch nachdenken – aber jetzt weiß ich wenigstens, in welche Richtung das Nachdenken gehen muss.

Und mit den neuen Anregungen ist mir auch gleich etwas eingefallen für diesen konkreten Ort, das wirksamer sein könnte, als Bagger zu besetzen. (Ich hab nix gegen den #EndeGelaende Aktivismus, ich denke nur nicht, dass es wirklich zu einer Änderung der Energiepolitik führt, wenn 2 oder 3x im Jahr ein Bagger besetzt und damit die Arbeit ein paar Stunden unterbrochen wird. So etwas preisen die von Aktivismus betroffenen Unternehmen heute einfach mit ein und vermutlich hatten sie die meisten Arbeiter ohnehin heimgeschickt, weil sie wussten, was sie erwartete.) Ich dachte, sinnvoller könnte es sein, zu verhindern, dass der Abbau bis 2045 weiter geht. Und das ginge am besten, wenn sich die nächsten Ortschaften einfach geschlossen weigern würden, weg zu ziehen. Dafür würde es Einiges brauchen, zum Beispiel eine Art Klimacamp für Betroffene, wo diese ihre Ängste und Befürchtungen zum Ausdruck bringen können und sich miteinander besprechen könnten, wäre ein guter Ausgangspunkt. Dann müsste es so etwas wie eine dauerhafte Ideenwerkstatt geben, wo ein neues Regionalentwicklungskonzept entstehen könnte, eines ohne Kohle. Was, wenn mitten im rheinischen Braunkohlerevier eine Modellregion für Nachhaltigkeit entstünde? Die Fragen, die die Menschen klären müssten wären: Wie wollen wir eigentlich leben? Wie wollen wir uns mit Energie versorgen (aus meiner Sicht müsste in der Region eine Mischung aus Solar- und Windenergie und Biogas möglich sein)? Wie wollen wir unsere Mobilität organisieren, wie unsere Nahrungsmittelproduktion? Und wo könnten dabei Arbeitsplätze entstehen? Denn natürlich würden solche neuen Formen der Energieproduktion und Mobilitätsgestaltung erst einmal eine Wachstumsphase durchlaufen und neue Arbeitsplätze schaffen, so lange, bis genug Energie und eine ausreichende Verkehrsinfrastruktur da ist. In dieser Phase müsste man sich überlegen, wie man aus dem Wachstumszwang aussteigen könnte. Denn nicht nur erneuerbare Energie soll erzeugt werden, sondern der Energieverbrauch sollte insgesamt gesenkt werden, nicht nur sollte sich die Mobilität vom Auto auf den öffentlichen Personenverkehr und aufs Fahrrad verlagern, sondern das Verkehrsaufkommen sollte durch entsprechende Infrastrukturen überhaut gesenkt werden. Vielleicht könnte in den neu entstehenden Unternehmen gleich ein paar Stunden weniger gearbeitet werden? Vielleicht könnte man von Anfang an auch die KonsumentInnen in Entscheidungsfindungen einbeziehen? Vielleicht werden überhaupt hauptsächlich Energiegenossenschaften gegründet und SoLaWis aufgebaut? Und vielleicht würde sich dann RWE die Zähne ausbeißen, wenn all die Ortschaften gemeinsam beschließen, die Kohle im Boden zu lassen und sich in Richtung einer solidarischen Region zu entwickeln?