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Von Kunden und Kindern

Ich bin gerade bei der 9. österreichischen Armutskonferenz in Salzburg im Bildungshaus St. Virgil. Da gibt es unter anderem einen Tisch mit Büchern, durch deren Verkauf wohl Geld für eine gemeinnützige Organisation reinkommen soll. So ganz hab ich es nicht verstanden, aber im Vorbeigehen seh ich einen Buchtitel:

Wie sie ihr Kind dahin bekommen, freiwillig zu tun, was sie wollen

Aha, denk ich mir, das also ist das Ziel von Erziehung? Und ich dreh das Buch um. Die Autorin, mit Namen Ros Jay ist Expertin für Marketing, Kommunikation und Management. Und offensichtlich auch Mutter.

Ihr Credo:

Zehn Jahre im Beruf und nun ist die Familie da. Verschwenden Sie ihre im Job errungenen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht! Ob Schlafengehen, Disco Besuch oder Taschengeld: Kinder sind wie Kunden, gefragt ist überzeugen, verhandeln, motivieren, führen. Dann tun sie freiwillig was Sie wollen!

Das sagt nicht nur etwas über ihr Verständnis von Kindern aus – sie sollen gefälligst tun, was die Mutter will, nicht ihre eigenen Bedürfnisse entdecken und wie man sie befriedigen kann, ohne anderen dabei in die Quere zu kommen – es sagt auch was darüber aus, wie Marketingexpertinnen über Kunden denken und was die Dame für eine Verständnis von Kommunikation hat: überzeugen und motivieren. Schon mal was von zuhören gehört? Und gibt es wirklich keine anderen Beziehungen als Kundenbeziehungen auf dieser Welt?

Obwohl, einmal im Zug, als neben mir eine Mutter mit ihrem etwa 14-jährigen Sohn saß und abwechselnd mit ihren Kunden telefonierte und ihren Sohn zu seinen Hausaufgaben „motivierte“, da dachte ich plötzlich, es wäre interessant, was passieren würde, wenn sie mit ihrem Sohn so sprechen würde, wie mit ihren Kunden. Das wäre nämlich tatsächlich um vieles wertschätzender und motivierender gewesen. Naja, es kann immer alles Vor- und Nachteile haben.

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