Die Zeiten sind schlecht, wir müssen sparen – klar, wir mussten ja die Banken retten und die Bankmanager dürfen ihr Boni auf keinen Fall verlieren. Vermögen ist wie ein scheues Reh, man darf es nicht besteuern, denn sonst ergreift es die Flucht – auch wenn wir uns fragen wohin, in allen anderen Ländern sind die Vermögenssteuern höher. Aber da ist ja noch die Sage von der Mittelschicht, die von Vermögenssteuern angeblich am meisten betroffen wäre. Auch wenn der letzte Sozialbericht für Österreich ergab, dass die reichsten 10% der Bevölkerung 54% des Geldvermögens besitzen. Bei anderen Vermögensarten ist die Verteilung noch ungleicher und was die Stiftungen betrifft, gibt es überhaupt keine Daten. Aber, die Sichtweise, dass Steuern schlecht sind und jeder möglichst wenig Steuern zahlen soll, ist fest im kollektiven Bewusstsein verankert, es ist halt nach wie vor die Meinung der Herrschenden, die zur herrschenden Meinung wird. Also, nochmal, wir müssen sparen.
Und wo sparen wir? Auch klar, bei Sozial- und Gesundheitsausgaben, bei Pensionen und bei Arbeitslosen. Jeder muss ja seinen Teil beitragen – auch wenn wir unseren Teil nicht bekommen haben, als die Gewinne verteilt wurden. Aber über eines herrscht vielfach Einigkeit – in manche Bereiche muss auch investiert werden, z.B. in die „Zukunftsbereiche“ Bildung und Forschung. Denn vielen ist klar, so kann es nicht weitergehen, wir brauchen neue Ideen dafür, wie wir unsere Gesellschaft organisieren wollen, wir brauchen Lösungen für die dringensten Probleme, für den Ausstieg aus der fossilen Energie, gegen Klimawandel und globale Ungerechtigkeit. Da sind sich alle einig, auch wenn die Ansichten darüber, wie diese Lösungen ausschauen sollen, auseinander gehen. Alle? Nein, nicht in Österreich: Alternativen? Brauchen wir nicht, wir leben auf der Insel der Seligen. Uns geht es gut, wenn nur unsere Landesfürsten und Ortskaiser, unsere Wirtschafts- und Medienzaren die richtigen Entscheidungen für uns – und für ihre Brieftasche und ihren Machterhalt – treffen.
Erst wurde die Forschungsförderung für außeruniversitäre Forschungseinrichtungen gestrichen. Das trift zum Großteil sozial- und humanwissenschaftliche Forschung, technische Forschungseinrichtungen sind ohnehin von der Wirtschaft finanziert. Gut, einige wurden „gerettet“, für viele WissenschaftlerInnen hieß es trotzdem „game over“.
An den Universitäten reicht das Geld nach wie vor hinten und vorne nicht aus. Öffentliche Unterstützung für WissenschaftlerInnen, wie z.B. die Reisekostenzuschüsse durch das Land Steiermark, werden reduziert, zu ungunsten derer, die sie am dringendsten brauchen würden, wie hier ersichtlich. Wenn die Mittel knapp werden, sichern die Eliten ihren Status.
Schulreform? Gesamtschule? Gleiche Bildungschancen für alle? Keinesfalls, wir sind in Österreich. Nicht nur muss die Langform des Gymnasiums erhalten bleiben, es wird auch noch über die Wiedereinführung der Aufnahmsprüfung nachgedacht. Die Eliten wollen unter sich bleiben, der Rest darf sich in der Neuen Mittelschule vergnügen.
Die Kultur- und Sozialbudgets in Stadt und Land werden durch die Bank um 25% gekürzt. Das waren die Töpfe, aus denen man noch politische Projekte, Veranstaltungen, Ausstellungen zu gesellschaftlich relevanten Themen finanzieren konnte. Viele Menschen wissen nicht, wovon sie im nächsten Jahr leben sollen, weil sie bisher schon am Existenzminimum gelebt haben und als neue Selbständige natürlich auch keine Arbeitslosenversicherung haben. (Ja, ich weiß, das gibt es auch, nur wer sich das leisten kann, braucht es eigentlich nicht).
All das weist schon darauf hin, aber man soll ja nix unterstellen: kritisches Denken ist möglicherweise nicht erwünscht. Politisches Engagement, eine aktive Zivilgesellschaft? In schwierigen Zeiten wie diesen müssen Experten her, die machen das schon für euch!
Und – was ich wirklich erschreckend finde – obwohl doch unsere PolitikerInnen sonst recht geschickt dabei sind, sich selbst von Sparprogrammen auszunehmen, erreicht uns eine weitere Hiobsbotschaft: die Bildungsorganisationen der Parteien sind von massiven Budgetkürzungen betroffen. Die Grüne Akademie, der Bildungsverein der KPÖ Graz und das Renner-Institut – sie haben viele politische Aktionen, Konferenzen, Bildungsangebote in den letzten Jahren erst möglich gemacht, sie waren die Hauptsponsoren kritischer, politischer Gruppen. Sie sind aber auch die „Think tanks“ für die Parteien, wo die PolitikerInnen ihre Zukunftsprogramme entwickeln, sich darüber informieren, was anderswo passiert, was es an interessanten Politikkonzepten gibt, welches Wissen sie für die Zukunft brauchen. Und auch wo das Wissen von der Basis mit dem von oben zusammengeführt wird. Und nun hören wir: leider, keine finanzielle Unterstützung externer Veranstaltungen mehr!
Nicht nur, dass das für viele von uns existenzbedrohend ist, es ist auch politisch fatal. Gerade in einer Zeit, wo soziale Innovation notwendig ist, wo wichtige Impulse aus den sozialen Bewegungen in die Parteien einfließen könnten, wird auch diese Verbindung gekappt. Es geht in der Politik offensichtlich nicht mehr um Alternativen oder um Zukunftsvisionen, es geht nur mehr um Machterhalt und darum alle kritischen Meinungen niederzuhalten. Vor allem der Sozialdemokratie bereitet die Möglichkeit, dass mit dem Ende des Kapitalismus auch die Arbeiterklasse verschwinden könnte, solches Entsetzen, dass sie es nicht wagt, auch nur scheue Blicke über den kapitalistischen Tellerrand hinauszuwerfen und sich lieber mit der Rolle des Juniorpartners innerhalb des Systems abfindet.
Es ist nicht überall so. In Deutschland beschäftigt man sich durchaus mit regional- und kommunalpolitischen Alternativen, auch mit alternativen Modellen der Bürgerbeteiligung. Z.B. in der Heinrich-Böll-Stiftung oder der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Ja, und – Ehre wem Ehre gebührt – die Grünen versuchen es ja auch bei uns noch hier und da, aber ganz ohne Geld gibt’s halt auch da ka Musi. Also, Augen zu und durch?
Für viele reicht das nicht mehr, das sieht man an den vielen alternativen Gruppen und Projekten, die im letzten Jahr entstanden sind, von denen hier immer wieder die Rede war. Vor kurzem war ich bei einem Vortrag über die Ursachen der Finanzkrise und die Zukunftsperspektiven. Der Vortragende meinte, dass der nächste Crash sicher kommen würde, dass das Spiel bereits munter wieder weiter gehe (das glaub ich auch). Auf die Frage aus dem Publikum, warum es zu keinen politischen Konsequenzen gekommen sei, meinte er, weil wir von den Banken regiert würden. Er konnte dafür auch viele Beispiele für Verflechtungen anführen, strukturell und personell. Das stimmt auch, ist aber noch nicht alles, ein paar globale Konzerne und die Interessensvertretung der Industrie regieren noch mit – was die Sache aber nicht verbessert. Und auf die Frage, was wir dagegen machen können, empfahl er die Lektüre von „Der kommende Aufstand“ (hier zum Download). Auch wenn es bessere Bücher gibt, der Empfehlung kann ich mich anschließen, hat zumindest hohe Symbolwirkung ;-).
Was, wenn wir uns dem Denkverbot nicht beugen, wenn wir weiterdenken und wenn wir anstatt um mehr Geld zu betteln, eigene Strukturen jenseits der Marktwirtschaft entwickeln, mit denen wir unsere Grundbedürfnisse befriedigen können? Wenn wir das Geld, das noch da ist, für den Aufbau alternativer Strukturen nutzen? Überlegungen dazu gibt es schon da und dort. Wenn die Sparmaßnahmen so weitergehen, wird es für manche zur Notwendigkeit werden, andere Überlebensmöglichkeiten zu nutzen. In wirtschaftlichen Krisen wächst die solidarische Alternativwirtschaft, das zeigt die Geschichte. Die Geschichte zeigt auch, dass, wenn die Krise vorbei ist, diese Wirtschaftsformen meist wieder verschwinden oder ins System integriert werden. Wie können wir das verhindern? Gibt es ein „nach der Krise“? Oder wird die Krise zum Normalzustand? Gibt es eine Möglichkeit, die Krise zur Veränderung der Machtverhältnisse zu nutzen? Das sind die Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen, auch und gerade, wenn sich die Politik Denkverbot verordnet.