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Konkurrenz und Kooperation

Silke, Stefan und ich haben darüber diskutiert, ob Konkurrenz und Kooperation eindeutig jeweils der Logik des Kapitalismus und der Logik der Commons zugeschrieben werden können und wir haben bemerkt, so einfach ist das nicht und wir haben auch bemerkt, wir können uns nicht wirklich einigen. Aber, mir ist vieles dazu eingefallen.

Kooperation – wozu?

Erst einmal, ja, Kooperation und Kommunikation (auch darum ging es, aber das ist leichter) sind zwei Grundfunktionen ohne die wir weder als Einzelne noch als Menschheit als Ganzes überlebensfähig wären. So gesehen sind sie „natürlich“, d.h. sie kommen in jeder Gesellschaftsform vor.

Wofür die Kooperation und Kommunikation jeweils genutzt werden, welche Arten der Kooperation und Kommunikation in einer Gesellschaft gewollt sind und verstärkt werden oder erschwert oder sogar bestraft werden, ist sehr unterschiedlich und hängt von der jeweils hegemonialen Wissens- und Wertordnung und den dazugehörigen Strukturen und Institutionen ab. Kooperation und Kommunikation werden also in den Dienst unterschiedlicher, gesellschaftlich für wünschenswert gehaltener, Ziele gestellt.

Nun gibt es Menschen, und nicht nur die Verfechter liberaler Marktwirtschaft, die sagen, dass auch Konkurrenz, also die Lust am Wettbewerb mit anderen, zu dieser menschlichen Grundausstattung gehört. Das läuft auf die Frage hinaus, ob auch Konkurrenzdenken für die Überlebensfähigkeit des Menschen unverzichtbar ist. Ich glaube, nein. Aber da wir ja ohnehin nicht wissen können, wie der „Mensch an sich“ ist, weil wir keinen Menschen kennen, der ohne soziale Einflüsse groß geworden wäre, ist es eigentlich müßig darüber zu streiten. Warum ich es nicht glaube, kommt einfach daher, dass ich von mir selbst das Bedürfnis, besser als andere zu sein, so überhaupt nicht kenne. Damit will ich nicht behaupten, dass ich ein besonders „guter“ Mensch bin, ich hab sicher genung Eigenschaften, die andere nicht an mir schätzen, und ich weiß ja nicht einmal, ob es gut ist, keinerlei Bedürfnis zu haben, andere zu übertrumpfen. Das hat ja auch erst einmal nichts mit Altruismus zu tun, sondern es kann auch einfach heißen, dass es mir egal ist, dass ich keine Lust habe, mich an dem zu orientieren, was andere für gut und richtig halten. Aber es widerstrebt mir auch, mich in Situationen zu begeben, wo ich gegen andere antreten muss, und wenn irgend möglich verweigere ich mich solchen Situationen – und ganz bestimmt nicht, weil ich Angst habe zu verlieren, weil – siehe oben – mir das ziemlich egal ist. Sondern weil ich einfach finde, das das zu Konflikten führt, die überhaupt nicht notwendig sind und Beziehungen und schließlich das soziale Klima vergiften.

Was wir aber sagen können, und darüber sind wir uns einig, ist, dass in bestimmten Gesellschaften bestimmte Verhaltensweisen systematisch erzeugt und belohnt und andere systematisch abgewertet, unterdrückt oder sogar bestraft werden und dass wir derzeit in einer Gesellschaft leben, wo Konkurrenzverhalten bewusst gefördert wird. Das geht so weit, dass der Eindruck entsteht, „Menschen sind so“ und dass man sich oft gar nicht vorstellen kann, dass es die Möglichkeit alternativen Handelns geben kann.

Da fängt jetzt eben die Diskussion an: kann man das kapitalistische System und Commons an Hand der dominierenden Handlungsstrategien Konkurrenz und Kooperation unterscheiden? Stefan sagt, nein, Kooperation gibt es auch im Kapitalismus, Konkurrenz gibt es auch in und zwischen Commons, und schließlich, was soll daran schlecht sein, wenn Commons untereinander in Wettstreit treten, wer besser kooperiert? Out-cooperate, oder Aus-kooperieren nennt sich das dann – Wortschöpfungen, die ich nach wie vor ziemlich misslungen finde :-).

Ich sage, ja, ersteres stimmt: Klar, Kooperation gibt es auch im Kapitalismus, er lebt sogar davon – auch Commons gibt es im Kapitalismus, auch die braucht er zum Überleben. Im kapitalistischen System wird Kooperation gefördert, solange sie der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit nützt, solange sie die Reproduktion von Arbeitskraft billiger macht und die Mehrwertquote erhöht.

Ich will nicht behaupten, dass es Wettbewerb innerhalb oder zwischen Commons nicht gibt. Wenn ich davon ausgehe, dass es Menschen gibt, die das Bedürfnis dazu verspüren, dann wird das schon so sein und man kann ihn nicht verbieten, überhaupt bin ich eher gegen das Verbieten ;-). Ich bin aber sehr skeptisch bezüglich der Annahme, dass Wettbewerb innerhalb von Commons oder zwischen Commons funktional sein oder „besonders gute“ Commons hervorbringen könnte. Ich behaupte, dass zwei wesentliche Aspekte, die wir immer als besonders relevant für Commons bezeichnen, Wettbewerb als wünschenswert oder funktional ausschließen.

  • Erstens die Annahme, dass Commons eine Vergesellschaftungsform darstellen in der meine optimale Entfaltung und die optimale Entfaltung der Anderen sich gegenseitig bedingen und fördern.
  • Zweitens, dass jedes Commons seine eigene, spezifische Regelung braucht und es nicht ein Modell für alle geben kann.

Wettbewerb zwischen Commons

Ich beginne mit dem Zweiten, das sich auf den Wettbewerb zwischen Commons bezieht, weil es kürzer ist: jeder Evolutionstheoretiker, der die Evolution nicht als Begründung für Sozialdarwinismus nutzen will, wird sagen, dass der Ausdruck „survival of the fittest“ irreführend ist. Nicht wer am stärksten ist setzt sich durch, auch nicht wer am besten angepasst ist – denn dafür gibt es keine Vergleichskriterien. Jeder Organismus, der sich ausreichend an seine Umgebung angepasst hat, ist überlebensfähig, sonst wäre er nicht da. Wer will beurteilen, ob sich der Rinderbandwurm in seinem Milieu besser angepasst hat, ober er überlebensfähiger ist, als der Adler, ob die Eiche besser ist als der Tintenfisch, der Mensch besser als die Spinne? Es gibt kein Ranking der am besten angepassten Lebewesen auf der Welt.

Genau so sehe ich das auch für Commons, wenn wir nämlich davon ausgehen, dass jedes Commons die Regelung braucht, die den Eigenschaften der Ressource, den lokalen Gegebenheiten und den Bedürfnissen und Möglichkeiten der NutzerInnen am besten entspricht. Es ist daher unmöglich zu behaupten, eine Commonsregelung sei besser als die andere. Jede Commonsregelung, die einen Erhalt des Commons auf Dauer möglichst konfliktfrei ermöglicht, ist ausreichend gut und nur die NutzerInnen dieses Commons entscheiden, ob und wann sie Verbesserungen brauchen. Es gibt keine übergeordnete Position, von der aus man das beurteilen könnte. Wenn man das versucht, geht es wieder in die Richtung universeller Kriterien, die für alle gelten müssen. Also kann es kein Ranking geben, genau wie oben.

Was ist Wettbewerb?

Nun zum Ersten, dem Wettbewerb innerhalb der Commons. Das Argument von Stefan ist, dass es unter den Programmierern freier Software Konkurrenz gäbe und das der Innovation zuträglich wäre. Wie gesagt, ich kann das natürlich nicht ausschließen. Aber die haben immerhin noch die Möglichkeit sich zu teilen, wenn sie gar nicht mehr miteinander können. Wobei ich glaube, dass das weniger mit Konkurrenz zu tun hat, als damit, dass man sich auf bestimmte Werte nicht einigen kann. Aber, wie auch immer, wir können unsere Welt nicht teilen, also müssen wir uns sowieso was anderes einfallen lassen.

Da frage ich zuerst einmal, was ist denn eigentlich Wettbewerb? Für mich bedeutet Wettbewerb oder Konkurrenz, dass mein erstes Ziel, meine Hauptmotivation für eine Tätigkeit ist, etwas als erste zu machen, etwas besser, schneller, weiter, höher, als andere zu machen und die Hoffnung, daraus irgendwelche Vorteile ziehen zu können. Und daraus beziehe ich auch meine Befriedigung und mein soziales Ansehen. Nur der Sieger ist was wert, wir erleben es ja gerade bei der Ski-WM. Wenn Programmierer ein Problem für eine Lösung suchen, dann wird es natürlich fast immer so sein, dass einer die zündende Idee hat. Die Frage ist, bezieht er die Befriedigung daraus, dass er sie als erster gehabt hat, früher als alle anderen, oder einfach aus der Lust an der Entdeckung, aus der Freude an der erfolgreichen Problemlösung? Und bedeutet das jetzt, dass er besser ist als die anderen? Oder sind es nicht vielmehr die vorausgegangenen gemeinsamen Überlegungen, die seine Entdeckung möglich gemacht haben und beim nächsten Mal kann es ein anderer sein? Und er stellt seine Idee allen anderen zur Verfügung, damit sie gemeinsam wieder damit arbeiten können? Wenn es so ist, das verstehe ich nicht unter Wettbewerb.

Für mich kommt die Freude und Befriedigung an einer Leistung nicht aus dem Vergleich mit anderen, sondern durch die Erfahrung der eigenen Entwicklungsmöglichkeiten (siehe Selbstentfaltung). Daraus, dass ich etwas heute besser kann als gestern, heute etwas geschafft habe, an dem ich davor immer gescheitert bin, heute etwas alleine kann, wozu ich gestern noch Hilfe gebraucht habe, heute die Lösung gefunden habe für das Problem, das mich – alleine oder mit anderen – schon seit Wochen beschäftigt. Den Ehrgeiz etwas besser zu können, als man es derzeit kann (nicht besser als andere), sich selbst weiter zu entwickeln, Neues zu erfahren, Neues zu lernen, wenn das Alte eintönig wird, etwas besonders gut machen zu wollen, um sich nicht zu blamieren, das sind Motivationen, die ich gut kenne, die sich meiner Meinung nach grundsätzlich von Konkurrenzdenken unterscheiden. Und durchgehend habe ich die Erfahrung gemacht, das ich für eine solche Entwicklung die Unterstützung und Anerkennung durch andere brauche, dass ich es nicht gegen andere kann. Solche Erfahrungen allen zu ermöglichen, sollte einer Gesellschaft wichtig sein.

Konkurrenzdenken dagegen – also besser sein wollen als andere als Hauptzweck des Tuns – würde ja bedeuten, andere in ihrer Entwicklung nötigenfalls auch zu hindern, oder zumindest nicht zu unterstützen – würde also dem Commons-Gedanken entgegenstehen und wäre ziemlich sicher auch der Entwicklung des Ganzen hinderlich. Mir ist dazu etwas eingefallen, das ich vergessen hatte, obwohl es eigentlich zu meinen letzten Überlegungen bezüglich Überfluss und der Frage, ob wir die Natur „vermehren“ könne, gut passt.

Durch Kooperation bekommen alle mehr

Ich habe vor einigen Jahren einmal einen Workshop mit Dennis Meadows gemacht, einem der Mitglieder des Club of Rome, die dieses inzwischen schon legendäre Buch „Die Grenzen des Wachstums“ herausgegeben haben. Es handelte sich um ein computergestütztes Spiel, das sich „Fishbanks“ nannte. Wir haben fünf Gruppen gebildet, jede Gruppe war ein Fischereiunternehmen, wir haben eine Grundausstattung an Geld und Schiffen bekommen, dann haben wir über eine Periode von 10 Jahren unsere Fischfahrten unternehmen müssen, neue Schiffe kaufen, usw. Wir haben jeweils alle relevanten Daten für das abgelaufene Jahr vom Computer ausgerechnet bekommen, um danach unsere Entscheidungen fürs nächste Jahr zu treffen. Die Aufgabenstellung war: jede Gruppe sollte versuchen, ihr Startkapital so viel wie möglich zu vermehren (wobei das Geld hier als Äquivalent zur Menge der Fische gesehen werden kann, andere Aspekte gingen nicht ein, also, man könnte auch sagen, so viele Fische wie möglich zu fangen).

Unser Startkapital waren 2000 $ pro Gruppe. Das Spiel hat so geendet: nach 8 Jahren waren die Fischgründe leer gefischt, die Gruppe, in der ich war, gewann – wir besaßen am Ende ca. 12.000 $. Wir hatten das deswegen geschafft, weil wir in den letzten beiden Jahren nicht mehr zum Fischen rausgefahren sind, sondern unsere Schiffe an die Gruppen verkauften, die glaubten, sie könnten noch was fangen. Eine Gruppe hatte in etwa ihr Startkapital erhalten, alle anderen hatten Schulden. Das heißt wir hatten unser gemeinsames Startkapital von 10.000 $ bestenfalls gleich gehalten, vielleicht sogar reduziert, ich kann mich nicht mehr erinnern, wie hoch die Verluste waren.

Wir hatten also gewonnen, waren besser als die Anderen, aber die Natur hatte dabei verloren – und wir hatten lange nicht das Maximum des Möglichen herausgeholt. Denn Meadows hat uns dann vorgerechnet, wenn wir die Fischgründe optimal ausgenutzt hätten, wären Fische im Wert von 100.000 $ dort zu haben gewesen, d.h. wir hätten alle unser Startkapital verzehnfachen können, wenn wir uns gut miteinander abgesprochen hätten. Und wir hätten das können, denn bevor wir zu spielen begannen, hatte er uns genau erklärt, wie das funktioniert mit den Fischen, wir hatten alle Informationen – und das ist jetzt spannend in Bezug auf die Frage, ob und wie wir mehr aus der Natur machen können.

Die Größe einer Fischpopulation pendelt sich immer ein im Verhältnis zur verfügbaren Nahrung. Werden nun Fische herausgefischt, gibt es zu viel Nahrung und im nächsten Jahr vermehren sich die Fische stärker. Man kann dadurch, dass man immer die richtige Zahl von Fischen rausfischt über Jahre eine Steigerung der Fischbestände erreichen bis eine optimale Menge erreicht ist. Diese sollte man günstigenfalls über Jahre erhalten können. Es gibt dann aber, wenn man diese optimalen Größe überschreitet, einen Kipppunkt. Wenn man dann sozusagen noch einen Fisch mehr fischt, dann bricht alles zusammen, weil sie zu wenige sind um sich zu reproduzieren, und dieser Prozess ist meist irreversibel. Meadows sagte, dass es in der Natur viele Dinge gibt, die auf diese Weise funktionieren, wir wissen meist nicht genau, wo der Kipppunkt liegt, wir können aber mit wissenschaftlichen Methoden recht gut sagen, wann ein Optimalwert erreicht ist.

Diese Botschaft hatten wir aber offensichtlich nicht verstanden, genau genommen habe ich sie in ihrer ganzen Reichweite gerade jetzt erst verstanden. Was mir damals schon klar geworden ist (da hatte ich von Commons noch keine Ahnung): obwohl in diesem Workshop doch hauptsächlich Leute gewesen sein dürften, die schon sensibel für die Problematik waren, hatten wir auf Grund der Aufgabenstellung – jeder sollte so viele Fische wie möglich rausholen – daraus gleichzeitig geschlossen, dass dann die anderen weniger rausholen müssen. Das heißt, wir haben uns wesentlich an den anderen orientiert und sind davon ausgegangen, dass es eine vorgegebene Zahl von Fischen gibt und wir eben geschickter sein mussten als die andern, also die anderen eventuell auch behindern. Und was mich besonders betroffen gemacht hat war, dass ich trotz meiner Abneigung gegen Konkurrenzsituationen, auf diesen Irrtum reingefallen war, wenn auch nur in einem Spiel.

Dabei wäre es eigentlich drum gegangen, sich mit den anderen abzusprechen um die optimale Fangmenge zu ermitteln, dann hätten wir den Fischbestand wesentlich erhöhen können und wir hätten alle mehr haben können. Das heißt, wir hätten unseren Gewinn nur maximieren können durch Kooperation, dann hätten wir aber alle mehr gehabt.

Ich hab mir damals überlegt, ob man das auf andere Dinge auch anwenden kann und bin auf den Prüfungserfolg in der Uni gekommen. Bei uns am Pädagogikinstitut war zu dieser Zeit das Konkurrenzdenken im Verhältnis zu anderen Studienrichtungen noch nicht sehr ausgeprägt (hat sich heute leider auch schon geändert), wir haben oft in Gruppen gelernt und uns auch gegenseitig mit Mitschriften und Unterlagen ausgeholfen. Es gab aber einige „Flaschenhälse“, wo man eben nur mit einem bestimmten Notendurchschnitt in eine Pflichtlehrveranstaltung reinkam. Und da waren die gefürchteten Statistikprüfungen. Und da ist es dann immer wieder vorgekommen, dass plötzlich Kolleginnen sich geweigert haben, ihr Wissen an andere weiterzugeben, weil dadurch ihre Chancen gestiegen sind, in bestimmte Lehrveranstaltungen reinzukommen. Es wurde hier ganz eindeutig strukturell Wettbewerbsdenken angeregt und gefördert.

Mir ist plötzlich klar geworden, wenn es unterstützt würde, dass Studierende gemeinsam lernen, dann würde sich ja das Wissen multiplizieren, wenn alle ihr Wissen mit den anderen teilten, dann könnten im Idealfall alle sehr viel bessere Prüfungen schreiben. Wenn es das Ziel eines Bildungssystems wäre, dass möglichst viele Menschen möglichst viel lernen, dann wäre das die effektivste Methode. Die Wettbewerbssituation wird geschaffen um genau das Gegenteil zu erreichen, nämlich, dass sich nur eine bestimmte Anzahl von Menschen ein bestimmtes Ausmaß an Wissen aneignet und andere ausgeschlossen werden. Und dann sagt man, eine Gauß’sche Normalverteilung der Noten 1 – 5 sei eben der Verteilung der Begabungen geschuldet und stelle ein „natürliches“ Phänomen dar! Das kann schon sein, aber eben nur, wenn man Individuen als voneinander isolierte Einzelkämpfer sieht. Leider hatte ich das wieder vergessen, zum Glück ist es mir grad wieder eingefallen – danke für die Diskussion :-).

Damit sind wir wieder am Anfang – wenn wir wirklich die optimale Entfaltung aller wollen, dann ist Wettbewerb die denkbar schlechteste Lösung dafür, bei der Überzeugung bleibe ich. Wer das unbedingt braucht, kann ja Fussballspielen gehen, oder an der Ski-WM teilnehmen. Aber ich habe den leisen Verdacht, dass Stefan eine andere Auffassung von Wettbewerb hat und die Diskussion noch nicht vorbei ist ;-).

6 thoughts on “Konkurrenz und Kooperation

  1. Brigitte, ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll, so lang ist der Post geraten 🙂
    Ich nehme mal einen Punkt, das Spiel – so ein Klassiker der entwicklungspolitischen Bildung.

    Du schreibst:

    „Die Aufgabenstellung war: jede Gruppe sollte versuchen, ihr Startkapital so viel wie möglich zu vermehren (wobei das Geld hier als Äquivalent zur Menge der Fische gesehen werden kann)“

    und dann:
    „wir hätten alle unser Startkapital verzehnfachen können, wenn wir uns gut miteinander abgesprochen hätten.“

    Das legt nahe, dass v.a. das Kommunizieren, das Absprechen zur Lösung führt – was ja grundsätzlich richtig ist, nur ist das bekanntlich im globalen Maßstab nicht so einfach. Die aktuelle Debatte ums Sea-grabbing zeigt das. Es fehlt der geeignete Raum, es fehlt aber vor allem die Augenhöhe für gemeinsame Absprachen. Dieses Thema ist so von der Macht der großen Fangflotten durchsetzt (und deren Interessen verhelfen die Politiker in schnöder Regelmäßigkeit zum Durchbruch), dass die kleinen Fischer Westafrikas oder Chiles auch dann das Nachsehen hätten, wenn sie sich absprechen würden. Es gibt Ebenen und Konstellationen, da ist diese KOmmunikation gar nicht wirklich möglich.

    Aber das nur am Rande.
    Worauf ich eigentlich hinaus will ist dies: Du schreibst:

    „Diese Botschaft hatten wir aber offensichtlich nicht verstanden, … obwohl in diesem Workshop doch hauptsächlich Leute gewesen sein dürften, die schon sensibel für die Problematik waren, hatten wir auf Grund der Aufgabenstellung – jeder sollte so viele Fische wie möglich rausholen – daraus gleichzeitig geschlossen, dass dann die anderen weniger rausholen müssen. Das heißt, wir haben uns wesentlich an den anderen orientiert und sind davon ausgegangen, dass es eine vorgegebene Zahl von Fischen gibt und wir eben geschickter sein mussten als die andern, also die anderen eventuell auch behindern.“

    Für mich ist die entscheidende Formulierung: „aufgrund der Aufgabenstellung“. Die Aufgabenstellung (für den Einzelnen und für die Gesellschaft) in diesem verwertungsorientierten System ist falsch. Und zwar ganz grundsätzlich. Es ist egal, ob daraus zwingend folgt, dass Ihr Euch im Spiel „an anderen orientiert habt“, oder was auch immer dann bei den Spielern losgetreten wurde. Ich glaube, dass das ‚Sich an anderen orientieren‘ nicht unbedingt das Problem ist. Fußballspielen ist dafür ein gutes Beispiel. Kids lieben es sich zu messen. So what? Die Frage ist, ob man als Feind vom Platz geht, oder als Freund, ob man aus dem Spiel ein Geschäft macht, bei dem Menschen eingekauft und wieder verkauft werden oder ob man daraus ein Commons macht – ein Spiel mit gemeinsamen Regeln, von dem alle profitieren.
    Du brauchst also diesen Umweg in der Erklärung gar nicht: Es reicht zu konstatieren, dass die Aufgabenstellung falsch ist und dass diese falsche Aufgabenstellung uns alle (mehr oder weniger) konditioniert. Seid besser als die anderen und konkurriert, DAMIT Ihr später einen Job findet, damit Ihr Euch auf dem Markt durchsetzen könnt, damit Ihr wer seid.

    Ich glaube, dass der wichtigste Beitrag der Commonsdebatte der ist, dieses grundsätzlich Falsche der Aufgabenstellung ganz klar zu zeigen. Denn diese Aufgabenstellung „Mehrt Euer Startkapital“ beeinflußt unser Denken und unser Handlen, ist in Abläufe und Institutionen eingeschrieben. Wir müssen aber auch die Aufgabe reformulieren. Etwa: „Hier habt Ihr Fischrechte: Verwaltet Sie so, dass am Ende mehr Fische da sind und Ihr alle davon Leben könnt.“
    Dann werden neue Gedanken ausgelöst und Revolutionen entstehen zunächst mal im Kopf.

  2. Du schreibst:
    „aufgrund der Aufgabenstellung“. Die Aufgabenstellung (für den Einzelnen und für die Gesellschaft) in diesem verwertungsorientierten System ist falsch. Und zwar ganz grundsätzlich.“

    Ja, genau das wollte ich sagen.

    Du schreibst weiter:

    „Es ist egal, ob daraus zwingend folgt, dass Ihr Euch im Spiel „an anderen orientiert habt“, oder was auch immer dann bei den Spielern losgetreten wurde.“

    Natürlich ist es nicht falsch sich „an anderen zu orientieren“, das müssen wir in einer Gesellschaft immer und vor allem auch wenn wir kooperieren wollen. Was ich gemeint hab, unser Blick war vor allem darauf gerichtet, ob die anderen mehr oder weniger hatten als wir und daran haben wir unsere Handlungen ausgerichtet und dabei den Blick aufs Wesentliche, d.h. auf den Zustand der Ressource, verloren. Darum ist es nicht egal, was es bei uns ausgelöst hat.

    Nix gegen das Fussballspielen – aber bei der Nutzung von lebensnotwendigen Ressourcen darf das handlungsleitende Motiv nicht sein, mehr haben zu wollen als andere, oder besser zu sein wollen als andere, weil das dazu führen kann, dass alle weniger haben – siehe oben. Das lass ich mir nicht ausreden 🙂

  3. Jetzt hatte ich gerade eine überraschende Erkenntnis. Ich war ja auch – wie vorher noch gesagt – immer der Meinung, die Frage sei falsch gestellt. Jetzt, wo du gemeint hast, es wäre eigentlich egal, was da in unserem Hirn ausgelöst wird, habe ich bemerkt: das stimmt nicht. Sie ist offen gestellt, so dass es mehrere Möglichkeiten gibt, darauf zu reagieren. (Ich glaube trotzdem, dass wir, gesellschaftlich gesehen, viele Aufgaben falsch stellen, da sind wir uns eh einig, aber Meadows hat das eben ganz eindeutig nicht gemacht).

    Meadows hat nicht gesagt: Jeder versucht mehr Fische rauszuholen als die anderen. Das wäre eine Aufforderung zum Wettbewerb gewesen und ich denke, viele der Teilnehmer hätten das für eine blöde Aufforderung gehalten, es wäre zumindest eine Diskussion entstanden, allen wäre klar gewesen, dass das falsch ist.

    Er hat gesagt – und ich denke, er hat diese Formulierung sehr sorgfältig gewählt – schaut, dass ihr so VIEL WIE MÖGLICH rausholt. Das ist keiesfalls eine Aufforderung zum Wettbewerb. Nach dem Vortrag, den wir vorher gehört hatte, dass sich die Fischpopulation vermehrt, wenn man Fische rausholt, usw. wäre die einzig richtige Reaktion eines vernünftigen Hirns auf diese Aufforderung sich Stift und Papier oder einen Taschenrechner zu holen, auszurechnen, wieviel Fisch man da maximal auf Dauer rausholen könnte und dann Fangquoten festzulegen. Das würde auch der Logik der Nutzenmaximierung entsprechen. (Ich weiß schon, dass das in der Realität die größere Herausforderung ist, es stimmt, was du dazu schreibst, aber wir hatten ja diese Einschränkungen nicht, wir sind gar nicht so weit gekommen).

    Statt dessen hat unser Hirn aus irgendeinem Grund die Aufforderung „holt so viel wie möglich raus“ ausgelegt als „holt mehr als die anderen raus“ – eine Aufforderung, der wir eben sicher nicht kritiklos gefolgt wären, wenn sie direkt an uns gestellt worden wäre. Das war mir damals schon aufgefallen, ich war aber auch immer der Meinung, dass die Frage falsch war. Aber jetzt bemerke ich, unser Hirn ist falsch programmiert!

    Woran liegt es, dass das Hirn von 30 durchaus poblembewussten Menschen auf eine so irrationale Weise reagiert? Ich bin sicher es liegt nicht an unseren Genen, sondern an unserer Sozialisation – aber was genau ist es, das in unserer Gesellschaft bewirkt, dass wir diesen Programmierfehler haben??

  4. Zunächst mal: Mir geht’s nicht darum, dir was auszureden 🙂

    Warum sag ich das vorweg? Weil sich das ganz nach der von dir kritisierten (exkludierenden) Konkurrenz anhört, nur aufs Argumentieren übertragen: Wer schafft es, wem was »auszureden«. Mir geht’s tatsächlich ums gemeinsame Lernen (dir sicherlich auch).

    Für’s Lernen halte ich eine zentrale Differenzierung für wichtig, die du nicht vorgenommen hast, weswegen ich meine Position von dir nicht so wiedergegeben fühle wie es aus meiner Sicht sinnvoll wäre: Kooperation/Kommunikation diskutierst du als gesellschaftliche Frage, »Konkurrenz« hingegen als Frage nach der Eigenschaft des Menschen als solchem, nach der »menschlichen Grundausstattung«. Obwohl du die Frage nach der Konkurrenz als Menscheneigenschaft verneinst (dich allerdings nur aufs »glauben« berufst), ist die Frage schon am falschen Ort und führt auf’s Glatteis.

    Um meine Position deutlich zu machen: Konkurrenz ist nicht das Gegenteil von Kooperation, sondern eine Form der Kooperation. Den dritten Absatz in deinem Artikel könnte ich so umformulieren:

    »Wofür die Kooperation, Kommunikation und Konkurrenz jeweils genutzt werden, welche Arten der Kooperation, Kommunikation und Konkurrenz in einer Gesellschaft gewollt sind und verstärkt werden oder erschwert oder sogar bestraft werden, ist sehr unterschiedlich und hängt von der jeweils hegemonialen Wissens- und Wertordnung und den dazugehörigen Strukturen und Institutionen ab. Kooperation, Kommunikation und Konkurrenz werden also in den Dienst unterschiedlicher, gesellschaftlich für wünschenswert gehaltener, Ziele gestellt.«

    Damit wären die K-Begriffe auf einen Gut-Böse-Schema raus. Man könnte sie nun analytisch verwenden, anstatt moralisch.

    Wir kennen nur die Form der exkludierenden Konkurrenz. Die ist uns so dermaßen ins Hirn eingebrannt, dass wir a) übersehen, dass sie eine Form der Kooperation ist und b) ihr folglich Kooperation nicht als ihr Gegenteil gegenübersteht.

    Wer konkurriert, kooperiert auch, allerdings immer mit den einen zu Lasten von Anderen. Es gilt aber auch: Wer kooperiert, der konkurriert auch, weil das in unsere gesellschaftliche Handlungsstruktur zu eingeschrieben ist, in der sich eben die einen zu Lasten von anderen durchsetzen. Mehr noch: In einer Struktur der allgemeinen Exklusionslogik, kann man nicht nicht konkurrieren. Wer sich da rausnimmt, sieht entweder den Zusammenhang nicht oder will sich ein gutes Gewissen einreden und von Verantwortung freistellen.

    So richtig ich es finde, gegen die Naturalisierung konkurrenzförmigen Verhaltens zu argumentieren (davon handelt der erste Teil des Films »Zeitgeist. Moving Forward« — unbedingt ansehen!), so falsch finde ich es, diesem die Kooperation gegenüberzustellen. Das kommt zwar einen Bedürfnis nach klaren Fronten und Haltungen entgegen, aber es wird ein Bummerang draus. Denn jede bloß einfache Negation bestätigt immer gleichzeitig auch das Negierte. Du gerätst nämlich in eine Falle: Du musst jetzt eine andere Naturalisierung gegenüberstellen: »Nein, nicht Konkurrenz gehört zur menschlichen Grundausstattung, sondern Kooperation«. Das ist eine Falle, weil so wie du »glaubst«, dass es so herum richtig ist, »glauben« es andere eben andersrum. Und da man nicht wissen könne, wie der »Mensch an sich« sei (was ich nicht teile, aber anderes Thema), wie du sagst, ist es am Ende auch nur eine Glaubensfrage. Bedenke: Die anschaulichen Evidenzen in unserer Zeit für letzteres sind weitaus stärker!

    Wie wären Kooperation, Kommunikation und Konkurrenz nun in einer »inklusiven Gesellschaft« zu denken, also in einer Gesellschaft, in der das Commons-Prinzip für alle gilt, wonach die Entwicklung des einen die Voraussetzung der Entwicklung der anderen ist und umgekehrt? In einer solchen Gesellschaft wäre Konkurrenz kein Problem mehr, da niemand ausgeschlossen wird.

    Gäbe es dann aber überhaupt noch Konkurrenz? Ja, warum nicht? Warum sollten Aufgaben nicht parallel bearbeitet werden? Mehr noch: Konkurrenz ist umso mehr erforderlich, je schwieriger die Probleme sind und je unklarer die Lösungswege. Es wäre geradezu gefährlich, hier in falsch verstandener »harmonischer, uniformer Kooperation« nur auf einen Lösungsweg zu setzen! Es müssen verschiedene Wege ausprobiert werden, parallel, mit unterschiedlichen Ansätzen, Versuchen etc. Nochmals in aller Deutlichkeit: In einer inklusiven Gesellschaft fällt dadurch niemand unter den Tisch! Das ist vorausgesetzt.

    Konkurrenz ist, so verstanden, eine Form der »parallelen Kooperation«. Wie das Wort auch schon sagt: con-currere — miteinander laufen, um die Wette laufen. Ob der Aspekt der »Wette«, des den anderen Überbietens eine wichtige Rolle spielt, halte ich für — unwichtig. Danach zu streben oder es zu lassen schadet ja niemandem, in einer inklusiven Gesellschaft.

    Die Diskussion ist nicht neu. Ich möchte gerne auf zwei Beträge mit den dazugehörigen Debatten verweisen:

    Benni Bärmann: kooperenz

    Stefan Meretz: ko-kurrenz

    Damals haben wir das nicht befriedigend lösen können, aber ich finde noch immer, dass die Problematik jenseits eines bloßen Dualismus schon ganz gut eröffnet wurde.

    Sorry für den »Ko-Artikel« 🙂

  5. Hab den Link oben ausgebessert.

    Ich möchte nur eines sagen: ich bin gegen jede Naturalisierung von irgendwelchen Eigenschaften, darum hab ich „natürlich“ auch bei Kooperation und Kommunikation in Anführungszeichen geschrieben. Aber bei Kooperation und Kommunitation lässt es sich einfach nicht leugnen, dass es ohne sie nicht geht, dass sie also immer da sein müssen, wo mehr als ein Mensch lebt. Bei Konkurrenz bin ich mir nicht so sicher, drum das „glauben“.

    Aber: sobald ich davon ausgehe, dass keine dieser Verhaltensweisen naturgegeben ist, muss ich mir überlegen, woher sie kommen. Und da scheint mir eben, dass das eine überlebensnotwendig ist, das andere nicht und möglicherweise sogar lebensgefährlich.

    Dass man Kooperation und Konkurrenz nicht so einfach einander gegenüberstellen kann, ja das ist mit inzwischen klar. Mit dem Konkurrenz als eine Form der Kooperation zu sehen tu ich mir noch ein bissl schwer, vor allem, wozu brauchen wir das Wort dann noch – müssen wir verschiedene Formen der Kooperation unterscheiden? Das würde ich dann noch gerne besser analysieren. So wie du Wettbewerb verstehst, würde ich es einfach nicht so nennen. Und dass Kooperation bedeutet, dass es immer harmonisch sein muss, das würde ich nie behaupten. Also, ich denke, es ist eher eine Frage des Begriffs.

    Ich denke, dass Menschen in allen Gesellschaften unterschiedliche Handlungsformen und -strategien anwenden und dass der Unterschied darin liegt, in welcher Kombination sie angewendet werden, in welchem Verhältnis sie zueinander stehen, zu welchem übergeordneten Ziel sie angewendet werden. Ich denke, so wie du es schreibst, kommt es gut hin:

    „Wer kooperiert, der konkurriert auch, weil das in unsere gesellschaftliche Handlungsstruktur zu eingeschrieben ist, in der sich eben die einen zu Lasten von anderen durchsetzen. Mehr noch: In einer Struktur der allgemeinen Exklusionslogik, kann man nicht nicht konkurrieren. Wer sich da rausnimmt, sieht entweder den Zusammenhang nicht oder will sich ein gutes Gewissen einreden und von Verantwortung freistellen.“

    Und dann ginge es darum, diese Struktur zu erkennen und zu benennen. Ich nenne sie ja in meiner Dissertation Wettbewerbsdispositiv, das werd ich jetzt auch nicht mehr ändern ;-), aber wenn sich der Begriff offensichtlich nicht eignet, brauchen wir einen anderen. Das mit der Exklusion kommt auch nicht hin, weil auch Inklusion und Exklusion keine Gegensätze sind, sondern gleichzeitig passieren, weil jedes Innen ein Außen braucht, gegen das es sich abgrenzen kann.

    Danke für Ko-Artikel 🙂

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