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Auf der Suche nach dem „Ich“

Zu Gast in der Radiosendung „Im Gespräch“ war heute der Neurowissenschafter und Philosoph Georg Northoff. Und dieses Gespräch hob sich wohltuend ab von den Machbarkeitsphantasien von Roboterkonstrukteuren ebenso, wie von den Hirnforschern, die jegliche Existenz eines freien Willens von vorne herein ausschließen, weil wir ausschließlich von biologischen und elektrischen Prozessen und Impulsen bestimmt wären.

Northoff meinte, dass man einen Sitz des „Ich“ grundsätzlich nicht festmachen könne, denn das „Ich“ sei nicht ein „Ding“, hat also auch keinen Ort, sondern es sei ein Prozess und eine Beziehung. „Unser Gehirn steht immer in einer direkten Beziehung zu seiner Umwelt; nur in diesem Kontext können wir Gefühle und ein Selbst entwickeln.“

Fragen nach Geist, Seele oder Gott bedeuten für ihn Erkenntnisgrenzen. Wo wir keine Antworten wissen, uns aber klar ist, dass es „dort“ noch etwas gibt, was uns nicht erschließbar ist, dort „erfinden“ wir solche Begriffe. Das ist nicht unbedingt etwas Schlechtes, es sollte uns nur bewusst sein. Und es verbietet grundsätzlich irgendwelche „pseudowissenschaftlichen“ Aussagen über die Existenz, die Merkmale, Funktionsweise oder Verortung dieser Dinge.

Statt dessen, meinte Northoff, interessieren ihn die Fragen, warum wir uns gerade solche Erklärungen wie Geist oder Seele oder Gott ausdenken, für Dinge, die wir nicht erklären können. Unser Hirn, sagt er, ist offenbar so disponiert, „wir können offenbar nicht anders, als an irgendetwas zu glauben, sei es Gott, sei es der Marxismus oder der Kapitalismus.“

Und er sagte auch – was ohnehin bekannt ist – dass solche Fragen, nach dem Ich, dem Geist, dem Zusammenhang zwischen Körper, Geist und Seele eben auch kultur- und zeitabhängig sind. Dass die Antworten z.B. in Asien ganz anders lauten als bei uns und – das ist vielleicht wirklich überraschend – asiatische Neurowissenschaftlier machen dann auch andere Versuche und da kommt dann raus, dass das Hirn an seinen Besitzer die Botschaft übermittelt, „ich bin Teil einer Gemeinschaft“, und nicht, wie bei uns, „ich bin ein autonomes Individuum“. Unser Bewusstsein sitzt nicht im Hirn, auch wie unser Hirn funktioniert, unsere psychischen Merkmale und emotionalen Wahrnehmungen sind sozial vermittelt. Inhalte sind in keiner Weise im Hirn „gespeichert“ in dem Sinn, dass sie dort unabhängig von sozialen Interaktionen abrufbar und damit auch kopierbar wären.  Der Poststrukturalismus ist in der Naturwissenschaft angekommen ;-).

Auf jeden Fall, schlechte Aussichten für die Erschaffung von künstlicher Intelligenz, die Menschen ersetzen können soll. Northoff meinte auch, dass die Erforschung des menschlichen Gehirns, wenn überhaupt, dann nur interdisziplinär, in Zusammenarbeit von Natur- und Humanwissenschaftlern möglich ist. Darum möchte er die „Neurophilosophie“ als eigenständige Wissenschaft etablieren. Gute Aussichten, dass die Menschheit vielleicht doch noch zu retten ist?

Es gibt dazu auf jeden Fall auch ein Buch, „Die Fahndung nach dem Ich„, das zumindest spannende Lektüre verspricht, ist es doch in Krimi-Form geschrieben. Sehr sympathisch der Mann 😉