Mit der Gründung des Rückenwind-Verbandes (siehe letzten Beitrag hier) hat die Genossenschaftsidee einen Aufschwung erfahren. 10 neue Genossenschaften sind im letzten Jahr entstanden, 2 wechselten zum neuen Genossenschaftsverband. Drei der neu gegründeten Genossenschaften werden im folgenden Beitrag vorgestellt.

Erschienen in der contraste vom Nov. 2017

Im Gespräch mit den GenossenschaftsgründerInnen zeigte sich – wenig überraschend –, dass für alle der Impuls zur Genossenschaftsgründung von Rückenwind ausgegangen war und es überall schon davor persönliche Beziehungen, zumindest zwischen Einzelpersonen, gegeben hatte. Eine weitere gemeinsame Erfahrung war, dass die Gründung einer Genossenschaft doch mehr Zeitaufwand erfordert als die Gründung eines Unternehmens in einer anderen Rechtsform. Als positiv wurde unter anderem von allen der geringere Kapitalbedarf angeführt. Es zeigte sich auch, dass die für Unternehmensgründungen relevanten Institutionen in Österreich, wie Wirtschaftskammer oder Firmenbuch, über keine Erfahrungen mit dieser Rechtsform verfügen und ihr daher mit Skepsis gegenüberstehen.

Die GEAsoft eG

Zwei Entwicklungsstränge führten zur Gründung der GEAsoft eG. Einerseits war da das Grazer Software-Unternehmen, das schon seit längerer Zeit individuell angepasste Software für die GEA Schuhfabrik lieferte und darüber nachdachte, diese Dienstleistung auch für andere Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Durch die Gründung von Rückenwind, an der Heini Staudinger, Geschäftsführer der Schuhfabrik, maßgeblich beteiligt war, kam der Impuls, diese Rechtsform für das weitere Vorgehen zu wählen.

Die Idee hinter dem Unternehmen ist, leistbare und individuell anpassbare Software sowie die dazugehörende Beratung für kleine und mittlere Unternehmen auf regionaler Ebene anzubieten. Dadurch wird auch der mit der Genossenschaftsidee verbundene gesellschaftliche Mehrwert geschaffen. Die praktische Umsetzung erfolgt durch eine Online-Unternehmensplattform, auf der die Software in der Cloud verfügbar ist, von der Unternehmen, je nach Größe und Bedarf, einzelne Module in verschiedenem Umfang verwenden können. Das Angebot reicht von der Kunden-, Lager- und Auftragsverwaltung über Buchhaltung bis zur Registrierkasse. Die EDV-Lösungen können auf Basis einer monatlichen Miete genutzt werden.

Die im Juni 2017 gegründete Genossenschaft hat ihren juristischen Sitz in Schrems, der Heimat der Waldviertler Schuhfabrik, die tägliche Arbeit wird in einer Grazer Zweigstelle erledigt. Die Genossenschaft hat derzeit vier Mitglieder, es wird jedoch an einer Ausweitung gearbeitet. Einerseits sollen Kunden die Möglichkeit erhalten, Mitglieder zu werden, andererseits ist an eine Ausweitung der Vertriebsstruktur gedacht. Vertriebspartner in ganz Österreich sollen auf regionaler Ebene mit ihrem Wissen und ihrer Serviceleistung für kleine Betriebe zur Verfügung stehen. Der Nutzen der Partnerunternehmen besteht darin, dass sie einerseits die vorhandene Cloudlösung vertreiben und zusätzlich ihre Dienstleistungen verkaufen können.

Der Gründungsprozess wurde von Rückenwind begleitet, vom Revisionsverband kam Unterstützung bei der Ausarbeitung der Satzung, des Businessplans und in rechtlichen Fragen. Laut Satzung sind lokale Wertschöpfung, soziale Verantwortung, faire Konditionen und ökologisches Handeln wichtiger als Gewinnmaximierung. Allerdings, so betont Vorstand Helmut Lindner, sei es trotzdem notwendig, Gewinne zu erzielen, damit die Beteiligten davon auch leben können. Eine Besonderheit ist die Festlegung dass das Verhältnis zwischen niedrigstem und höchstem Einkommen nicht größer als 1:2 sein darf.

Die Gründung der Genossenschaft wirkt sich vor allem auf die Perspektive und Haltung aus, mit der an Kunden und vor allem an mögliche Kooperationspartner herangetreten wird. Es gibt das konkrete Angebot der Beteiligung an der Genossenschaft auf Augenhöhe. Genossenschaftsanteile können um 500 Euro erworben werden. Der Erwerb mehrere Anteile erhöht dabei nicht die Anzahl der Stimmen in der Hauptversammlung, hier gilt das Prinzip ein Mitglied – egal ob Mensch oder Unternehmen – eine Stimme.

Die HarvestMAP eG

Die HarvestMAP ist eine MaterialAustauschPlattform für Baumaterialien. Sie erleichtert und fördert die Wiederverwertung, trägt zur Abfallvermeidung bei und leistet einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft. Das Angebot richtet sich an Gebäude-Eigentümer und DesignerInnen, ArchitektInnen und Kreative, denn die Verwendung von ReUse-Materialien muss bereits im Designprozess und in der Projektplanung bedacht werden. Auch das Bewusstsein für ReUse und geschlossene Materialkreisläufe im Bauwesen wird damit gestärkt.

Die fünf Gründungsmitglieder arbeiteten schon seit 2015 daran, die Wiederverwendung von Baumaterialen voranzutreiben. Sie orientieren sich dabei an einer ähnlichen holländischen Plattform. Auf Grund einer in Aussicht gestellten Wirtschaftsförderung schritt man 2017 zur Unternehmungsgründung, die innerhalb von 6 Monaten umgesetzt werden musste. Durch persönliche Kontakte zu Rückenwind erfolgte die Entscheidung für die Genossenschaft, obwohl diese weder in den Förderrichtlinien noch bei der Gründungsberatung der Wirtschaftskammer überhaupt angeführt war.

»Da die Gründung einer Genossenschaft relativ selten vorgenommen wird und zuständige Behörden nicht ausreichend informiert sind, hatten wir teilweise Wege doppelt zurückzulegen. Von Rückenwind erfuhren wir aber großartige Unterstützung und man vermittelte uns spürbar, dass man uns dabei haben wollte«, erzählt Andrea Kessler, Vorstandsmitglied von HarvestMAP. »Dadurch konnten wir es innerhalb der notwendigen Frist schaffen.« Derzeit haben alle Beteiligten noch einen »Brotjob« im Bereich Architektur und Design und das junge Unternehmen wird durch öffentliche Fördermittel unterstützt.

Die Genossenschaft war für die GründerInnen auch aus finanzieller Hinsicht interessant, weil sie geringere Mittel erfordert als etwa eine GmbH und flexiblere Strukturen bietet. Der gemeinsame Entscheidungsprozess sowie die Betonung, dass es nicht nur um Profit geht, sondern dass der gesellschaftliche Nutzen durch die Schließung von Materialkreisläufen im Zentrum steht, sprachen ebenfalls für diese Unternehmensform. Auch der Ein- oder Ausstieg einzelner Mitglieder ist so einfacher. Als weiteren Aspekt führt Kessler an, diese neue Entwicklung im Genossenschaftsbereich könnte helfen, den schlechten Ruf zu überwinden, den diese Unternehmensform in Österreich hat.

Die Unternehmensgründung und die Herausforderung, innerhalb der nächsten Jahre sich auch finanziell selbst tragen zu können, stellt hohe Ansprüche an die Gruppe. Sie glaube nicht, dass das mit einer anderen Rechtsform wesentlich anders gewesen wäre, meint Kessler, aber den Genossenschaftsverband für auftauchende Fragen im Hintergrund zu haben, sei eine große Unterstützung. Außerdem gebe es immer wieder die Möglichkeit der Vernetzung und des Erfahrungsaustausches mit den anderen Genossenschaften von Rückenwind, zuletzt etwa beim Rückenwind Symposium zu Pfingsten. Im Moment arbeitet die Gruppe noch daran, die eigenen Arbeits- und Entscheidungsstrukturen zu gestalten. Bis da gute Lösungen gefunden sind, ist eine Vergrößerung nicht angedacht, aber danach durchaus denkbar.

USUS eG

Als die Wiener Leerstandsnutzungsagentur NEST 2016 ein 1 ha großes Grundstück mit mehreren Gebäuden zur Zwischennutzung auf dem Gelände der Stallungen der Trabrennbahn Krieau in Wien angeboten bekam, war es notwendig, einen Betreiber für diese Immobilie zu finden. Das war die Geburtsstunde der USUS eG, deren bisher einziges Projekt CREAU – kurz für „creative Au“ – ist. Kunst und Kulturevents werden in dem weitläufigen Gebiet organisiert, die Anlagen auch vermietet und eine Gastronomiebetrieb geführt.

Die Idee, die Rechtsform einer Genossenschaft zu wählen, wurde von einem Teammitglied forciert, stieß aber bei den anderen auf Zustimmung und Interesse. Sie erfordert weniger Startkapital als eine GmbH und bietet die Möglichkeit gleichberechtigt nebeneinander zu arbeiten. Außerdem können Personen und Unternehmen Mitglieder werden. Ein Ziel der Genossenschaft war auch, für die Mitglieder Arbeitsplätze zu schaffen. „Für mich ist die Genossenschaft ein Mittelweg zwischen Commitment und Freiheit“, meint Marlies Stohl, Obfrau der USUS eG.

Die Satzung wurde geschrieben und im April 2017 die Gründungsversammlung abgehalten. Dann folgte ein Rückschlag: das Firmenbuchgericht lehnte die Satzung ab. Da der Betrieb schon angelaufen war, tat schnelles Handeln not und und man wählte eine pragmatische Lösung. Die Genossenschaft wurde mit abgespeckten Statuten gegründet, die vom Richter akzeptiert wurden. Die Pointe an der Sache: die gleiche Satzung war bei einer Grazer Genossenschaft problemlos durchgegangen. Es scheint, dass es offenbar auch Glückssache ist, ob man an einen wohlgesinnten Richter gerät. Für viele Richter ist es vermutlich das erste Mal, dass sie mit einer Genossenschaft konfrontiert sind und ihre Unsicherheit kann sich dann eben in Ablehnung äußern.

Überhaupt erfordert der aktuelle Betrieb vollen Einsatz, sodass viele Entscheidungen vorerst aufgeschoben wurden. Es gibt natürlich Mitgliederversammlungen und Beratungsangebote von Rückenwind, aber Tagesentscheidungen werden derzeit individuell von den einzelnen Personen getroffen. Eine Methode für größere Gruppenentscheidungen zu entwickeln, dafür reichte bisher die Zeit nicht, das muss ebenso warten wie der Internetauftritt der Genossenschaft.

Von den zehn Gründungsmitgliedern sind acht im Vorstand. Eine große Stärke sei, so Stohl, dass in der Gruppe viele unterschiedliche Kompetenzen und damit auch Gewerbeberechtigungen vertreten sind, von Architektur, Eventmanagement, Handwerkern bis zu Finanzexperten. So sei es einfacher bis zum Ablauf der Nutzungszeit der Creau Ende September 2018 neue Projekte auf die Beine zu stellen. Bisher konnten fünf MitarbeiterInnen eingestellt werden, vier davon Gründungsmitglieder und eine Fachkraft für die Gastronomie. Zukünftig will man auch Menschen, die als Flüchtlinge nach Österreich gekommen sind und noch keinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, die Möglichkeit bieten, Mitglieder der Genossenschaft zu werden.

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