Ein neuer Genossenschaftsverband für Österreich
Die Rechtsform der Genossenschaft hatte in Österreich viele Jahre eine marginale Rolle gespielt. Die Gründung des Genossenschaftsverbandes rueckenwind.coop weckte neues Interesse. Mein Interview mit Karl Staudinger, einer der treibenden Kräfte hinter Rückenwind, erschien in der Novemberausgabe der contraste.
Was war der Anlass, einen neuen Genossenschaftsverband zu gründen?
Einige Leute bei GEA/Waldviertler – allen voran Heini Staudinger – pflegten schon seit mehreren Jahren Kontakt zu SEKEM in Ägypten, Mondragón im Baskenland und der TAZ in Berlin. Aus verschiedenen Gründen, nicht zuletzt wegen des Konflikts zwischen GEA/Waldviertler und der Finanzmarktaufsicht, wurde die Gründung einer Genossenschaft angedacht. Genossenschaften in Österreich müssen jedoch einem Revisions(Prüfungs)verband angehören. Da entstand die Idee, nicht nur eine Genossenschaft, sondern auch einen Verband zu gründen. Zufällig hatte eine andere Gruppe etwa zur selben Zeit Überlegungen zur Gründung eines neuen Genossenschaftsverbandes angestellt und in Erfahrung gebracht, dass dafür drei Mitgliedsgenossenschaften notwendig sind. Nachdem diese beiden Initiativen zusammengestoßen waren, ging es zügig voran.
Was waren die rechtliche Voraussetzungen der Verbandsgründung?
Das Wirtschaftsministerium als zuständige Behörde musste prüfen, ob unser Verein nach seiner Satzung und aufgrund seiner personellen Zusammensetzung in der Lage sein würde, die gesetzlichen Aufgaben eines Revisionsverbandes zu erfüllen.
Ein Knackpunkt im Verfahren war eine Bestimmung in unserer Satzung, nach der wir bei der Revision unserer Mitgliedsgenossenschaften ausschließlich externe PrüferInnen – also keine angestellten RevisorInnen wie in den bestehenden Verbänden üblich – einsetzen wollten. Die Vereinigung österreichischer Revisionsverbände sah in dieser Festlegung einen Widerspruch zum Genossenschaftsrevisionsgesetz. Das konnten wir widerlegen.
Wie lief der Gründungsprozess, gab es Probleme oder Hindernisse?
Nachdem wir die Statuten für einen »Förderungs- und Prüfungsverein gemeinwohlorientierter Genossenschaften« erarbeitet hatten, wurde im Juli 2014 in Dorfgastein die konstituierende Generalversammlung abgehalten. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir allerdings keine Genossenschaften sondern nur natürliche Personen als Mitglieder, wir waren mit dem Henne-Ei-Problem konfrontiert: Um einen aussichtsreichen Anerkennungsantrag zu formulieren, sollten wir auf genossenschaftliche Mitglieder verweisen können. Für Gründungsprojekte waren wir aber nicht interessant, weil völlig unklar war, wann wir anerkannt werden würden – und vor unserer Anerkennung konnten wir für eine Genossenschaft in Gründung nicht besonders nützlich sein. Ein neuer Impuls kam vom Pfingstsymposium »Gemeinsinnig Wirtschaften« in Schrems im Jahr 2015. Da wurde klar, dass ein relevanter Teil der politisch interessierten und engagierten Menschen in Österreich Interesse an einer Belebung der Genossenschaftsidee hatten und bereits am 1. Juni 2015 konnten wir beim Wirtschaftsministerium den Antrag auf Anerkennung unseres Vereins als Revisionsverband einbringen.
Manche hatten uns heftigen Widerstand der bestehenden Verbände vorausgesagt. Tatsächlich gab es einige Hürden und auch Auffassungsunterschiede, aber das Gesprächsklima zum Vorsitzenden der Vereinigung der österreichischen Revisionsverbände war freundlich und kollegial. Gut gelungen ist uns meines Erachtens der konstruktive Umgang mit Einwänden. Außerdem haben wir auch von politischer Seite positive Signale wahrgenommen.
Als uns am 15. Dezember 2016 der Briefträger den Bescheid zustellte, mit dem unser Verein als Revisionsverband anerkannt wurde, war das ein durchaus emotionaler Moment für mich und eine Bestätigung in der Überzeugung, dass der Raum unserer Möglichkeiten viel größer ist als oft angenommen und dass es schlicht und einfach drauf ankommt, diese Möglichkeiten zu nutzen.
Wie viele Genossenschaftsgründungen gab es seither?
Es gibt derzeit acht eingetragene Genossenschaften. Zwei Genossenschaften sind dem Verband beigetreten, haben aber noch keinen Firmenbuchantrag eingebracht. Zwei weitere sind von anderen Verbänden zu uns gewechselt, wobei wichtige Personen in beiden Genossenschaften von Beginn an zu den GründerInnen unseres Verbandes gehörten und nur vorübergehend einem anderen Verband beigetreten sind, weil sie schon früher starten wollten.
Was ist eure Rolle bei der Genossenschaftsgründung?
Wir informieren unsere Mitglieder über die Merkmale der Genossenschaft und die Unterschiede zu anderen Gesellschaftsformen, über die Kosten und über die verschiedenen Modelle, die Mitgliedschaft – besonders das Stimmrecht in der Generalversammlung – zu gestalten. Wir haben im internen Bereich unserer Website einen genossenschaftlichen »Werkzeugkoffer« eingerichtet, der alles enthält, was man bei der Gründung einer Genossenschaft wissen sollte, und auch Muster bereitstellt, etwa Satzungsmuster oder Muster für eine Planbilanz, die unserem Vorstand gemeinsam mit dem Wirtschaftsplan der Genossenschaft in Gründung vorzulegen ist. Außerdem bieten wir Einführungsworkshops an, die Teilnahmegebühr für diese Workshops wird für die Kosten der Gründungsberatung angerechnet.
Wie ist der Verband organisiert und finanziert?
Wir haben einen fünfköpfigen Vorstand, der seine Tätigkeit vollkommen ehrenamtlich und ohne Spesenersatz ausübt. Das Büro des Verbandes ist in einem bestehenden Büro untergebracht, wofür keine Kosten in Rechnung gestellt werden. Die Beratungstätigkeit durch mich als Juristen und einen Betriebswirt und die Leitung der Revisionsabteilung werden anfallsbezogen über Werkverträge erbracht. Neben den Mitgliedsbeiträgen unserer Mitgliedsgenossenschaften kommt ein wesentlicher Teil unserer Finanzen von fördernden Vereinsmitgliedern. Durch diese kostensparende Struktur und die erwartete Steigerung der Mitgliedszahlen in den nächsten Jahren sollte unsere wirtschaftliche Existenz gut abgesichert sein.