Dass es nicht bleiben kann, wie es ist, ist inzwischen nahezu allen klar. Dass wir eine andere Gesellschaft brauchen, ergibt sich daraus nahezu von selbst. Aber wie soll diese Gesellschaft aussehen und wie kommen wir von A nach B? Mit diesen Fragen setzte sich das Crossroads-Festival vom 18. – 27. Mai im Forum Stadtpark in Graz auseinander und darüber sollte ich am Samstag, dem 26. Mai entsprechend dem Untertitel Gerechte Übergänge gestalten! Aber wie? mit Uli Brand und Birgit Mahnkopf diskutieren. Birgit ist leider krank geworden, also wurde es ein trautes Zweiergespräch.

Ich hab mir im Vorfeld darüber einige Gedanken gemacht und dabei vieles zusammen geführt, das mir in den letzten Monaten und Jahren so durch den Kopf gegangen ist. Nicht alles davon habe ich in dieser Diskussion wirklich ausgeführt, weil es sich eben um eine Gesprächssituation und nicht um einen Vortrag handelte. Darum will ich das hier nachholen und beginne mal mit der Zusammenfassung. In weiteren Beiträgen möchte ich die einzelnen Punkte noch genauer ausführen.

Zuerst musste ich mich aber noch mit dem Untertitel auseinandersetzen: „Gerechte Übergänge gestalten“. Ich hab ja hier schon mal ausgeführt, warum ich den Begriff „Gerechtigkeit“ für problematisch halte, daher jetzt nur mehr die Kurzfassung:
Gerechtigkeit bedeutet, bestimmte Dinge an bestimmte Personen nach bestimmten Kriterien zu verteilen, welche Dinge, Personen und Kriterien das sind, darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen. Alle reden von Gerechtigkeit – niemand würde sich vermutlich für Ungerechtigkeit stark machen – aber mensch kann darunter sehr unterschiedliche Dinge verstehen.

Darum sollten wir klarere Begriff wählen, es geht um eine emanzipatorische Transformation der Gesellschaft, um eine Gesellschaft, in der die Bedürfnisse aller erfüllt werden unabhängig davon, ob sie vom Kapital verwertbare Arbeit leisten, in der alle ihre Fähigkeiten einbringen können, und nicht nur die, die auch der Kapitalvermehrung dienen und in der alle mitbestimmen können, über das was sie betrifft und die natürliche Umwelt nicht zerstört wird, sondern für spätere Generationen in mindestens gleicher Qualität erhalten bleibt. Das ist zwar umständlicher, aber eben nicht beliebig interpretierbar.

Eine solche Transformation bedeutet ganz grundlegende gesellschaftliche Veränderungen. Dann stellt sich natürlich die Frage, wie denn eine soziale und ökologische Radikalerneuerung auf demokratischem Weg erfolgen könnte. Das ist sicher nur möglich, wenn so viele Menschen wie möglich daran mitarbeiten können, wenn eine möglichst große Vielfalt an Alternativen entsteht und nicht wieder alte Exklusionsmechanismen und -strukturen reproduziert werden.

Ich denke, dass dafür drei Dinge notwendig sind:

  • Eine neue „große Erzählung“, die den Schreckensszenarien eines Totalzusammenbruchs genau so etwas entgegensetzen kann, wie den Verzichtsappellen, die Nachhaltigkeit mit einer massiven Einschränkung des Lebensstandards gleichsetzen.
  • Konkrete „dissidente Praktiken“, in denen Menschen in ihrem alltäglichen Leben versuchen, sich den Anforderungen der kapitalistischen Produktion und der immer autoritärer werdenden Staaten zu widersetzen und die Dinge, die sie zum Leben brauchen gemeinsam nach einer anderen Logik herstellen.
  • Eine politische Auseinandersetzung mit Herrschaftsverhältnissen, weil diese die Rahmenbedingungen für unser Handeln sind. Die Herrschenden versuchen immer emanzipatorische Veränderungen zu verhindern, die Geschichte lehrt uns, dass das oft auf blutige Weise geschehen ist. Wenn wir das verhindern wollen, müssen wir ganz neue Strategien entwickeln. Daraus ergibt sich ein vierter Punkt:
  • Es gilt, das Bewusstsein  zu schaffen, dass alle diese drei Dinge notwendig sind und nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen, sondern gut zusammenspielen müssen, um sich gegenseitig zu unterstützen und zu stärken. Es gibt bereits alle drei, meist in unterschiedlichen sozialen Milieus, in häufig sehr geschlossenen Gruppen, die die der jeweils anderen mit Skepsis oder offener Ablehnung begegnen. Es ist notwendig, Räume zu öffnen und Methoden zu finden für die Begegnung und Kommunikation zwischen diesen unterschiedlichen Gruppen, um Synergien zu wecken.
2 Gedanke zu “Gutes Leben nach dem Wachstum”
  1. Wieder einmal fühle ich mich in meinen Bemühungen im „Triesterviertel“ (Wien 10) durch Ihre „Nordwind“-Beiträge wohltuend bestärkt. Besonders der dritte Punkt, nämlich „Bewusstsein schaffen“ durch „Öffnung der Räume“ für „Begegnung und Kommunikation unterschiedlicher Gruppen“ erscheint mir besonders nötig. Denn auch (sogar: besonders) in „Gesprächen unter Nachbarn“ kann „Globales Denken“ in „lokales Handel“ umgesetzt werden.

  2. Liebe Brigitte,
    ich verfolge seit geraumer Zeit die Ideen der Commons und kann mich mit ihnen immer besser anfreuden. Und Deine Ideen für eine gelingende Transformation sind auch passend. Und ich sehe inzwischen schon viele Menschen unterwegs und habe begonnen, zu sammeln. Deinen Artikel habe ich ebenfalls in die Liste aufgenommen:
    http://faszinationmensch.wordpress.com/2012/06/13/wo-viel-licht-ist-ist-starker-schatten-also-wird-der-schatten-starker-wenn-wir-fur-mehr-licht-sorgen/comment-page-2/#comment-8369

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