Überschwemmungen …
Wieder einmal gibt es Hochwasser in Deutschland und wieder einmal konnte man es nicht voraussehen. Die letzten großen Überschwemmungen waren zu Weihnachten – konnte man natürlich auch nicht wissen. Und schließlich der Schuldige: Der Klimawandel.
Das ist auch nicht ganz falsch. Dass durch die Klimaveränderungen Extremwetterereignisse häufiger werden und sich Jahreszeiten verschieben wissen wir. Da regnet es dann halt auch einmal zu Weihnachten. Oder im Frühsommer. Ob das aber jedesmal zu großflächigen Überschwemmungen mit enormen Schäden und Toten führt, das hängt nicht vom Klimawandel ab. Sondern davon, wo und wie gebaut wird, und mehr noch, wie wir mit unseren Flüssen umgehen und wieviel Platz wir ihnen lassen.
In einem Interview im Riffreporter erklärt die Gewässerforscherin Sonja Jähnig wie es gehen würde:
Als Erstes sollte man aufhören, weiter in Überschwemmungsgebiete zu bauen. In Städten lässt sich zudem viel machen, damit Wasser im Boden versickert, statt abgeleitet zu werden. Und ganz grundsätzlich müssen wir in der Fläche den Bächen und Flüssen so schnell wie möglich wieder mehr Raum dafür geben, dass sich Wasser bei starken Regenfällen weiträumig in den Talauen ausbreitet und dann so langsam versickert und abfließt, dass Menschen, Siedlungen und Infrastrukturen nicht gefährdet werden. Das schafft man am besten, indem die Fließgewässer aus ihren künstlichen Einengungen befreit werden und sie zum Beispiel wieder in Schleifen fließen und indem sie ihre Altwasserarme und natürlichen Überschwemmungsflächen zurückbekommen.
… und Dürren – 2 Seiten einer Medaille
Das hätte dann noch einen weiteren Vorteil: Wasser das lange in den Talauen verweilt, hat Zeit, die Grundwasserreserven aufzufüllen und beugt Dürren in längeren Phasen ohne Regen vor. Und auch das ist wichtig: vor fast einem Jahr, Ende August 2023, gab es das umgekehrte Problem. Da schrieb der Riffreporter:
Der Sommer ist vorbei, die Hitzewelle abgeebbt. Dennoch leiden große Teile Deutschlands weiter unter anhaltender Trockenheit. Das liegt nicht nur am Klimawandel, sondern an der nach wie vor großflächigen Entwässerung der Landschaft.
Überschwemmungen und Dürrekatastrophen sind die zwei Seiten der selben Medaille. Durch intensive Bewässerung und Wasserentnahme für die Industrie sinkt der Grundwasserspiegel und die Böden trocknen aus. Der ausgetrocknete Boden kann das Wasser bei heftigen Regenfällen nicht aufnehmen und es rinnt zu schnell ab, ohne die Grundwasserreserven aufzufüllen. Begradigte Flüsse und versiegelte Böden haben die gleiche Wirkung: zu viel Wasser rinnt zu schnell ab, führt zu Überschwemmungen. Wenn das Wasser abgeflossen ist, kommt die Trockenheit zurück.
Renaturierung der Flüsse, Wiedervernässung von Mooren, Entsiegelung der Böden ist nicht nur das beste Mittel um mit den Folgen der Klimaveränderungen zurecht zu kommen. Sie tragen auch zu seiner Reduktion bei. Durch Kühlung und durch Bindung von CO2 im Boden. Schafft man den Flüssen den Raum, den sie brauchen, um Starkregen abzufangen, besteht auch nicht mehr die Möglichkeit, im Hochwassergebiet zu bauen.
Aber nicht nur in Deutschland, in ganz Europa steht das Grundwasser unter Druck, durch zu viel Entnahme für Bewässerung und Industrie und durch Verschmutzung. Ein Europäisches Medienprojekt mit dem Titel Under the Surface hat Grundwasserdaten verschiedener Länder gesammelt und ausgewertet.
Under the Surface zeigt, dass das Grundwasser in der Europäischen Union durch exzessive Bewässerung, industrielle Übernutzung und einen Cocktail von Schadstoffen so stark unter Druck steht, dass die daraus resultierende Wasserknappheit die Lebensgrundlagen und sogar ganze Wirtschaftszweige in Frage stellen kann. Unser Wasser verschwindet, und was übrig bleibt, ist einer nahezu irreversiblen Verschmutzung ausgesetzt.
Übersetzt mit DeepL.com (kostenlose Version)
Entsiegelung, Flussrenaturierung, Wiedervernässung von Feuchtgebieten, darum ginge es in der geplanten Renaturierungsverordnung der EU. Diese scheint allerdings gerade von den Agrarminister*innen mehrerer EU-Ländern, darunter auch der österreichische, zu Fall gebracht zu werden. In wenigen Tagen soll der Rat darüber abstimmen, dann wird es dazu noch einen extra Beitrag geben.
Flüsse bekommen Rechte
Ein anderer Zugang ist, Flüssen den rechtlichen Status einer juristischen Person zu geben und ihnen eigene Rechte zuzugestehen. Das wird vor allem von indigenen Bevölkerungsgruppen vorangetrieben und war auch schon mehrfach erfolgreich, wie man hier nachlesen kann. Wie sich das konkret auswirkt, dazu weiß man noch wenig. Ein Buch im oekom Verlag macht einen ersten Versuch, dieser Frage nachzugehen.
Andreas Gutmann, Frank Raddatz, Hans Leo Bader, Jenny García Ruales, Jula Zenetti, Riccarda Flemmer, Alex Putzer, Matthias Kramm (Hrsg.)
Rechte für Flüsse, Berge und Wälder. Eine neue Perspektive für den Naturschutz?
Der Wasserkreislauf spielt für die Klimaveränderungen – und für Maßnahmen gegen diese – eine ebenso große Rolle wie der CO2 Gehalt der Atmosphäre, erfährt aber viel weniger Aufmerksamkeit – außer es gibt gerade wieder eine „überraschende“ Überschwemmung.