Foto: anstiftung.de

Städte leiden besonders unter der Klimaerwärmung, einerseits wegen der Hitze, vor allem in den Innenstädten, andererseits sind sie bei Starkregen auch häufig von Überflutungen betroffen. Stadtregierungen sind gefordert Klimaanpassungskonzepte zu entwickeln und umzusetzen. Das Gute ist, wie bei den meisten dieser Konzepte, dass viele Maßnahmen auch das COin der Luft reduzieren, also nicht nur Anpassung an die Klimakrise sondern auch ein Gegenmittel sind. Da geht es um verschiedene Dinge: Als erstes natürlich bestehende Grünflächen zu erhalten und neue zu schaffen, Entsiegelung, Dach- und Fassadenbegrünung und Regenwassermanagement und – besonders relevant – die Verkehrswende. Autos raus, Platz für Radfahrer*innen, Fußgänger*innen und Öffis.

Pionierstädte

Manche Städte gehen mutig voran und haben auch schon Ergebnisse vorzuweisen. Zum Beispiel Paris: Die Bürgermeisterin Anne Hidalgo hat mit der Stilllegung eines Autobahnteilstücks in der Stadt und seine Umwandlung in eine begrünte Fußgängerzone einen eindrucksvollen Start hingelegt. Paris hat eine große Einwohnerdichte, aber auch ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz und dazu ein funktionierendes öffentliches Fahrradleihsystem. Weitere große Schritte sind in Vorbereitung. Der Bahnhof Gare du Nord, der gerade renoviert wird, soll ein vollkommen begrüntes Dach bekommen. Was genau alles geplant ist, kann man hier im Klimablog lesen.

Oder Berlin. Berlin hat – neben Hitze und Überschwemmungen – auch verstärkt unter Wassermangel zu leiden. „Früher“, sagt ein Vertreter der Berliner Wasserwerke, „war man stolz auf jeden Tropfen Regenwasser, den man ableiten konnte“. Das aber überfordert oft die Kanalisierung und andererseits fehlt das Wasser dann, das zum Bewässern dienen könnte und auch die Temperatur senken würde. Die Antwort darauf: Schwammstädte. Das Regenwasser soll in der Stadt versickern, nicht so schnell abfließen. Das verhindert Überschwemmungen und es kühlt das Stadtklima. Funktionieren kann das zB durch Entsiegelung und die Schaffung von unterirdischen Wasserspeichern. Aber auch Dachgärten können zur Speicherung von Regenwasser beitragen, weil das Wasser dann nicht so schnell in die Regenrinne abfließt. Ein Vorreiter bei dieser Technik ist Kopenhagen, auch in Hamburg und Berlin gibt es erste Ansätze, dort stellen etwa Bürger*innen Wassertanks in ihren Straßen auf, um ihre Grünzonen bewässern zu können. Hier noch einige Beispiele aus Österreich. In diesem Beitrag ist das Prinzip Schwammstadt gut beschrieben, ich lege euch wirklich ans Herz, die verlinkten Beiträge zu lesen. Sie zeigen, dass auch in der Stadt vieles möglich ist. Und es kommt sogar noch besser!

Städte als Orte der Biodiversität

Studien haben ergeben, dass in Städten die Biodiversität oft größer ist, als in landwirtschaftlich geprägten Regionen. Und das ist gar nicht so verwunderlich. Durch die landwirtschaftlichen Monokulturen und die dabei womöglich noch verwendeten Spritzmittel geht die Anzahl der Pflanzen, der Insekten und damit auch der Vögel zurück. Auf städtischen Brachflächen, auf bepflanzten Mittelstreifen oder auch auf begrünten Dächern oder Fassaden entstehen jedoch neue Lebensräume für genau diese Arten. Und dass man Waschbären, Füchse, Marder und Igel schon häufig in der Stadt zu sehen bekommt, ist allgemein bekannt. Hier und hier sind zwei lesenswerte Artikel dazu.

Einen wichtigen Beitrag sowohl für die Förderung der Biodiversität als auch für alle anderen Klimaanpassungsmaßnahmen leisten Urbane Gärten.

Gärten für die Stadt der Zukunft

Die Münchner „Anstiftung“ hat am letzten Wochenende eine Tagung mit dem Titel „Die Stadt ist unser Garten“ organisiert. Ich habe an der Tagung teilgenommen und erfahren: die Entwicklung der Stadtgartenbewegung ist wirklich bemerkenswert. Wobei Umwelt und Klima nur ein Aspekt des urbanen Gärtnern sind. Es geht auch um Ernährungssouveränität, um die Aneignung des öffentlichen Raums und um soziale Beziehungen in der Nachbarschaft.

Begonnen hat es mit den „interkulturellen“ Gärten in den 1990er Jahren, wobei der Begriff heute nicht mehr verwendet wird. Neu angekommene Menschen, damals hauptsächlich aus dem ehemaligen Jugoslawien, wurden gefragt, was sie am meisten vermissen. Die Antwort war: unsere Gärten! Damit war die Idee geboren, die auch als Mittel zur Integration galt. Wirklich durchgestartet als Bewegung ist das Stadtgärtnern um 2011, 2012. Es war die gleiche Zeit, als auch der Commons-Diskurs im deutschsprachigen Raum seinen Anfang nahm und es war nur naheliegend, dass es damals enge Verbindungen gab. Stadtgärten wurden unter dem Motto „Recht auf Stadt“ verhandelt, es ging gegen die Kommerzialisierung öffentlicher Räume, um Zugänglichkeit für alle und der Diskurs um Commons und Commoning passte da dazu.

Inzwischen ist viel passiert. Die Bewegung ist gewachsen, man kann fast sagen global. Wobei im globalen Süden die Motivation eine andere ist, hier geht es wirklich um Ernährungssicherung. Aber auch in Deutschland gibt es eine Vielzahl von Ansätzen, viele wollen in Richtung „Essbare Stadt„. Dazu gekommen sind in vielen Städten Ernährungsräte, die die Bewegung von unten mit Produzent*innen, Konsument*innen, Politik und Verwaltung an einen Tisch bringen wollen, um regionale Lebensmittelnetzwerke voranzutreiben. Und die aktuellen ökologischen Probleme haben auch die Ausrichtung der Projekte verändert. Commons und öffentliche Räume sind nach wie vor ein Thema, auch soziale Aspekte, gerade im Zusammenhang mit Migration. Aber Fragen nach Wassermanagement, Bodenentsiegelung, Kompostierung, Humusaufbau oder Biodiversität sind in den Vordergrund getreten.

Die Stadtregierungen müssen damit umgehen und sind zudem – siehe oben – auch gefordert, Maßnahmen gegen die Klimakrise und für Ernährungssicherheit zu treffen. In der Pandemie wurde klar, dass die globalen Lieferketten störanfällig sind und die Nahrungsmittelversorgung dezentralisiert werden sollte. Für diese Aufgaben kommen manchen die Stadtgärten gerade recht. Das führt zu einem ambivalenten Verhältnis zwischen Graswurzelinitiativen und Stadtregierungen. Einerseits gibt es Unterstützung, so hat etwa der Senat von Berlin eine Charta für das Stadtgrün verabschiedet und eine eigene Stelle dafür in der Verwaltung eingerichtet. Auch in Köln gibt es über den Ernährungsrat gute Beziehungen zwischen Gartenbewegung und Politik und Verwaltung. Andererseits haben viele Gärten immer noch keine gesicherten Orte, da macht etwa Humusaufbau wenig Sinn. Und die Gärten werden auch instrumentalisiert, sie dienen den Stadtregierungen dann als grünes Feigenblatt, nach dem Motto „wir tun ja ohnehin was“. All das uns noch mehr ist in dem Buch „Unterwegs in die Stadt der Zukunft“ nachzulesen. Einen Überblick über Stadtgärten in Deutschland gibt es hier.

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