Renaturierung als ökologische Existenzsicherung
Dass Renaturierung ein wichtiges Element für die Überwindung der ökologischen Krisen, auch der Klimakrise ist, spricht sich langsam herum, auch unter den sogenannten „Expert*innen“, wie in diesem Text zu lesen ist.
Die Wissenschaftler*innen beziehen sich darauf, dass das von der EU geplante Renaturierungsgesetz vom Rat abgelehnt wurde und sagen:
Durch die immer intensivere Nutzung weiter Teile der verbliebenen naturnahen Räume in Deutschland durch Landwirtschaft, Holzindustrie und Fischerei befänden sich die Ökosysteme in einem Zustand, in dem sie immer weniger in der Lage seien, ihre für Menschen überlebenswichtigen Funktionen zu erfüllen.
Deshalb sei Renaturierung nicht nur eine Maßnahme für die Umwelt, sondern eine „ökologische Existenzsicherung“ für die Gesellschaft.
Das Renaturierungsgesetz wurde in der EU viele Jahre verhandelt und nach Zugeständnissen an die Landwirte vom Parlament angenommen. Es besagt, dass bis 2030 Renaturierungsmaßnahmen bei 20% der Flächen in der EU eingeleitet werden sollen, bis 2050 sollen 90% aller Ökosysteme wieder hergestellt sein. Bei den Vertreter*innen der Länder im EU-Rat gab es dann jedoch keine Mehrheit dafür. Renaturierung wird von den Landwirten als Bedrohung wahrgenommen und als Gefahr für die Ernährungssicherheit dargestellt. Dabei ist es genau umgekehrt, wie in dem Artikel sehr gut dargelegt wird: Ohne die Wiederherstellung natürlicher Lebensräume und die Verbesserung der Böden ist die Ernährungssicherheit bedroht und können wir die Folgen der Klimakrise nicht bewältigen. Andererseits ist dazu zu sagen, dass ohne eine Änderung des Wirtschaftssystems diese Ziele ohnehin nicht erreichbar sind und dass die Widerstände der Bauern im Rahmen der aktuellen europäischen Agrarpolitik sogar verständlich sind. Es wäre daher sinnvoll, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und Bedürfnisse, Ängste und Interessen abzuklären um zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Bei gelungenen Renaturierungsprojekten kann man sehen, dass das funktioniert.
Die in der EU geplante Renaturierungsmaßnahmen beziehen sich eben nicht nur auf Naturlandschaften, sondern auch auf landwirtschaftliche Flächen und sogar auf Städte, wären also eher als „Regeneration“ zu verstehen.
Rewilding – wie einzelne Arten ganze Ökosysteme verändern
Es gibt aber sehr spannende Ergebnisse von „echtem“ Rewilding, etwa der Wiederansiedlung von in einer Region ausgestorbenen Tierarten. Dabei werden die komplexen Beziehungen zwischen verschiedenen Lebensformen deutlich sichtbar und welche weitreichenden Auswirkungen die Veränderung eines Faktors haben kann. Daraus können wir umgekehrt ableiten, welche Folgen es hat, wenn nur eine Art fehlt.
Eines der ältesten Beispiele war die Wiederansiedlung von Wölfen im Yellowstone Nationalpark. Wölfe wurden von den Menschen als Feinde und Bedrohung gesehen und am Beginn des 20. Jahrhunderts in großen Teilen der USA ausgerottet. Das veränderte die ganzen Ökosysteme bis hin zu den Flussläufen. 1995 begann schließlich ein Wiedereinsetzungsprogramm, Wölfe aus Kanada wurden im Yellowstone Park ausgesetzt und begannen sich zu vermehren und lösten einen erstaunlichen Kaskadeneffekt aus:
Davor waren die Elche nicht bedroht und überweideten oft ihre Weidegebiete. Durch die Wölfe wurden sie wachsamer und wanderten weiter umher, so dass sich die Vegetation erholen konnte und neue Lebensräume für Vögel und Biber schuf. Diese wieder schufen Feuchtbiotope und veränderten die Flussläufe. Genau könnte ihr das hier nachlesen.
Bei uns wird ja über die Ausbreitung der Wölfe – die nicht ausgesetzt wurden, sondern von selbst kamen – heiß diskutiert und um Abschüsse verhandelt. Wichtig ist bei solchen Dingen einfach immer wieder, dass alle Betroffenen gehört und in Lösungen eingebunden werden, sonst kann es nicht funktionieren. Und das ist in einem Nationalpark sicher einfacher als bei uns, wo es keine so großen unbewirtschafteten Flächen gibt. Aber auch bei uns gibt es bereits Beispiele wie Wölfe und Menschen gut zusammenleben können.
Biber als Kooperationspartner
Weniger bedrohlich aber auch umstritten ist die Ansiedlung von Bibern. Dabei können die sogar bei der Renaturierung helfen, wie in diesem sehr schön gemachten Artikel beschrieben wird.
Wo der Biber anrückt, explodiert die Artenvielfalt. Neue Lebensräume entstehen, eintönige Fließgewässer verwandeln sich in vitale Bäche, an ihren Ufern steigt der Grundwasserspiegel, das Erdreich wird vor Austrocknung geschützt,
heißt es dort. In der Schweiz macht man sich diese Fähigkeiten zunutze, um Feuchtgebiete in Wäldern wieder zu renaturieren. Allerdings ist es auch dabei wichtig, mit den unerwünschten Nebenwirkungen umzugehen, wie überfluteten Ackerflächen, zerstörten Bahndämme und Ahnlichem. Und der Biber fragt halt auch nicht, welche Bäume er fällen darf. Darum ist auch hier ein Konfliktmanagement notwendig und der Schutz von Orten und Dingen, wo der Biber nicht erwünscht ist. Die Ergebnisse der Kooperation zwischen Bibern und Naturschützer*innen ist allerdings durchaus sehenswert!