Die Erde als komplexes ökologisches System
Die Biosphäre, in der wir leben und von der wir ein Teil sind, stellt sich in jedem Augenblick selbst her als Ergebnis von unvorstellbar vielen kleinen Prozessen. Während der letzten etwa 12.000 Jahre seit der letzten Eiszeit, von den Geolog*innen Holozän genannt, entstand durch diese Prozesse eine relativ stabile klimatische Umgebung, die die Hervorbringung all des Lebens, wie es wir heute kennen und vor allem auch die Entwicklung der Menschheit in dieser Form möglich gemacht hat. Manche dieser Prozesse kennen wir, den Großteil aber noch nicht, manche werden wir vielleicht überhaupt nie verstehen. Wir haben aber seit etwa 200 Jahen immer massiver in die Biosphäre eingegriffen, so dass diese immer weniger in der Lage ist, dieses stabile Gleichgewicht weiterhin herzustellen. Seit wir als Menschen das bemerken, messen wir – relativ willkürlich – einzelne Elemente, vergleichen sie mit früher und sagen dann: ok, das hat sich geändert, also stellen wir hier wieder den Zustand her, wie er war, als alles noch gut war. Wir machen das aktuell mit CO2..
In einem komplexen System, das sich in einem sich ständig ändernden Gleichgewicht befindet, macht der Versuch, einen Wert konstant zu halten allerdings wenig Sinn. Denn der aktuelle CO2 Wert ist ja nicht „falsch“, er ist genau so, wie er im gesamten System im Moment als „richtiges“ Gleichgewicht entsteht. Nur ist dieses Gleichgewicht eben nicht mehr so lebensfreundlich, wie es vor 30 Jahren war. Wenn wir also versuchen, das CO2 in der Atmosphäre zu reduzieren, dann können wir vielleicht einen Effekt des CO2, nämlich den Treibhauseffekt, reduzieren und damit die Erwärmung der Erdoberfläche bremsen. Wenn wir allerdings die anderen Faktoren, die an dem Prozess beteiligt sind, gleich lassen – oder sogar noch mehr und weiter verändern – wird das keine nachhaltige Wirkung haben. Zumindest müssten wir dann diese Maßnahme ständig und andauernd für die nächsten Jahrzehnte bis Jahrhunderte durchführen. Denn sobald wir aufhören mit der Reduktion des CO2, treten alle negativen Auswirkungen umso heftiger wieder auf, was man als „Terminationsschock“ bezeichnet. Außerdem ändert sich natürlich dadurch nichts an allen anderen Problemen, die wir haben, denn die Erderhitzung ist ja nicht das einzige.
Acht planetare Grenzen
Es wird nicht nur wärmer, auch die Biodiversität, sowohl was die Anzahl der Arten betrifft als auch die genetische Vielfalt innerhalb den Arten, nimmt dramatisch ab. Wir befinden uns mitten im sechsten großen Artensterben und das geht wesentlich rasanter vor sich als alle davor. Wären die Dinosaurier mit dem Tempo ausgestorben, in dem wir derzeit Arten verlieren, hätte ihr Aussterben nicht 33.000 Jahre gedauert, sondern nur 33! Die Artenvielfalt ist aber eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung des lebensfördernden Gleichgewichtes, von dem ich oben gesprochen habe.
Dazu verlieren wir in rasantem Tempo fruchtbaren Boden und dezimieren ebenso schnell die Wälder, die beide einen besonders großen Einfluss auf das Klima haben. Durch die Art der Landwirtschaft, die wir betreiben, bringen wir auch den Stickstoffhaushalt massiv durcheinander. Die Abholzung, Trockenlegungen von Feuchtgebieten und zu große Grundwasserentnahmen stören schließlich auch den Wasserkreislauf.
Hier sind alle Grenzen grafisch dargestellt, sechs davon haben wir bereits überschritten, einige davon sind für das Leben auf dem Planeten gravierender als der Klimawandel.
Keines dieser Probleme wird von einer Verringerung des CO2-Gehalts der Atmosphäre auch nur irgendwie beeinflusst. Oft herrscht noch die Meinung vor, man könnte nicht alle zugleich angehen. Das kommt allerdings daher, dass man nicht weit genug zurück auf die gemeinsamen Ursachen schaut.
Korrelationen, Ursachen, Wirkungen
In der Grafik unten (die dazugehörige Studie findet sich hier) sind verschiedene sozial-ökonomische Veränderungen und Veränderungen im Erdsystem aufgeführt, die alle eines gemeinsam haben: sie sind in den letzten etwa 50 – 100 Jahren exponentiell angestiegen. Dabei handelt es sich um so unterschiedliche Dinge wie die Zahl der Menschen auf der Erde, das Bruttosozialprodukt, den Energieverbrauch, den Verbrauch an Kunstdünger oder den Tourismus auf der einen Seite, oder eben das Kohlendioxid, die Oberflächentemperatur, die Ozeanversauerung oder den Landverbrauch auf der anderen.
Das Hauptargument für den Zusammenhang zwischen CO2 und Klimaerwärmung ist, dass die beiden Werte parallel zueinander steigen, es daher klar sei, dass das CO2 die Klimaerwärmung verursacht. Wenn ich mir nun diese Ansammlung von Graphen anschaue, macht mich das etwas ratlos. Warum ausgerechnet diese beiden? Man könnte ja zum Beispiel meinen, dass der Anstieg des CO2 mit dem Verlust der tropischen Regenwälder zusammenhängt, deren Kurven stimmen noch viel besser überein. Und das dürfte durchaus ein realistischer Zusammenhang sein. Man könnte aber auch ableiten, dass der Verbrauch von Kunstdünger mit der Steigerung des Tourismus zu tun hat, auch diese Kurven verlaufen sehr ähnlich, der Zusammenhang ist aber längst nicht so schlüssig.
Nun ist es einerseits wichtig, zwischen Korrelation und Kausalität zu unterscheiden. Korrelation bedeutet nicht mehr, als dass sich zwei oder mehrere Faktoren in einem bestimmten Zeitraum nach einem gleichen oder ähnlichen Muster entwickeln. Jemand hat sich einmal den Spass gemacht, herauszufinden, dass der Rückgang der Störche im Burgenland mit dem Geburtenrückgang korreliert. Nun wird wohl niemand ernsthaft daraus eine Kausalität ableiten wollen. Und selbst wenn man aus einer Korrelation auf eine Kausalität schließt, bleibt immer noch die Frage, welcher dieser beiden Faktoren die Ursache und welcher die Wirkung ist. Und schließlich gibt es immer noch die Möglichkeit, dass es einen dritten Faktor gibt, der die Ursache von beiden ist.
Andererseits haben wir es hier, wie schon ausgeführt, mit einem komplexen System zu tun, in dem es ohnehin keine monokausalen Abhängigkeiten gibt. Viel naheliegender ist es also, anzunehmen, dass alle diese mehr oder weniger gleich verlaufenden Phänomene eine gemeinsame Ursache haben, die allen zugrunde liegt. Und die sind wir, die Menschen, oder zumindest der Teil der Menschheit, der sich die Naturbeherrschung und unbegrenztes Wachstum auf die Fahnen geheftet hat. Dazu kommt natürlich, dass sich viele dieser Faktoren auch noch gegenseitig beeinflussen. Bereits in den 1970er Jahren wurde erkannt, dass CO2 in der Atmosphäre einen Treibhausgaseffekt erzeugt, also die Temperatur erhöht. Wenn nun der CO2 Gehalt steigt, weil zB Humus zerstört, Bäume abgeholzt, Moore trockengelegt werden und auch weil wir in großem Ausmaß fossile Brennstoffe verbrennen, dann verstärkt dieses CO2 zusätzlich die Erwärmung, ist aber bei weitem nicht deren einzige Ursache. Auch die Abholzung von Wäldern, die Trockenlegung von Mooren und die Versiegelung von Böden erwärmen die Erde. Wir haben hier also sich gegenseitig verstärkende Phänomene, denen der Versuch CO2 zu reduzieren in keiner Weise gerecht wird.
Es ist zweifellos wichtig, die Förderung und den Verbrauch von Kohle, Erdöl und Erdgas massiv zurückzufahren, aus verschiedenen Gründen. Die Förderung bedroht Lebensräume, umso mehr je schwieriger sie wird, wenn wir etwa an Fracking oder Tiefseebohrungen denken, und sie beeinträchtigt die Gesundheit der dort lebenden Menschen. Und nicht zuletzt entsteht bei der Verbrennung nicht nur CO2, sondern auch wieder – Wärme! Aber was noch wichtiger und aus meiner Sicht das einzig Wirksame ist, ist eine andere Art zu wirtschaften. Vor wenigen Jahren sprachen wir noch von „Nachhaltigkeit“, was bedeutet, so zu wirtschaften, dass die natürlichen Ressourcen für die nachkommenden Generationen erhalten bleiben. Das reicht heute nicht mehr, denn wir haben schon zu viel zerstört. Heute geht es darum, die zerstörten Ressourcen so gut wie möglich wieder herzustellen. Wir müssen die Fähigkeit des Systems Erde wieder herstellen, sich selbst am Leben zu erhalten. Das meint Regeneration.
Regeneration
Was mich an dem Thema so inspiriert und motiviert ist, dass es mit dem Narrativ bricht, dass wir Menschen schädlich für die Erde sind, dass wir uns klein machen und sparen müssen und eigentlich nichts mehr dürfen, was verständlicherweise bei vielen Menschen Widerstand hervorruft. Stattdessen heißt die Botschaft, dass wir auch einen positiven Einfluss auf unsere nichtmenschliche Mitwelt haben können, dass wir diesen Planeten besser verlassen können, als wir in jetzt vorfinden und dass wir viel mehr Handlungsmöglichkeiten haben, als nur nicht zu fliegen und weniger zu konsumieren. Und es gibt tatsächlich so viele Beispiele dafür, dass in relativ kurzer Zeit lokal und regional wirklich funktionierende Ökosysteme geschaffen werden können, die für Mensch und Umwelt förderlich sind und genau über solche will ich hier berichten.
Hier erst einmal nur ein kurzer Überblick. Manchmal wird auch von Renaturierung gesprochen. Im Englischen gibt es auch die Begriffe „Restoration“ oder „Rewilding“. Man könnte Regeneration als Überbegriff verstehen. Rewilding oder Renaturierung bezieht sich auf Naturräume, regenerative Praktiken gibt es auch in der Landwirtschaft und sogar in Städten. In diesem Ausbildungsprogramm wird das gut abgebildet.
Eine umfangreiche Webseite mit vielen praktischen Beispielen sind zB die Regenerators .
Ein Online Magazin, das ich sehr mag ist das Rewilding Magazine , das sich auch nicht nur auf die „wilde“ Natur bezieht, sondern auch auf Landwirtschaft und Gärten.
Aber auch im deutschsprachigen Bereich gibt es interessante Projekte, etwa den Verein „Aufbauende Landwirtschaft“, der sich, wie schon der Name sagt, damit beschäftigt, wie man Landwirtschaft so betreiben kann, dass man den Boden verbessert und die Biodiversität fördert.
Ein schöner Blog mit ausdrucksstarkem Namen ist Planetenpflege .
Interessante Beispiele versammeln der Riffreporter unter dem Motto „Countdown Earth“ und der Freitag in der Serie „Blue New Deal„, wobei ich bei beiden nicht sicher weiß, wieviel man ohne Abo lesen kann.
So, ich denke, das reicht zur Einführung :), es folgt ja bald noch mehr.