Kurz vor Weihnachten hat mich über mehrere Personen eine Mail von Dario Azzellini erreicht, mit dem Hinweis auf einen von ihm verfassten Text mit dem Titel „Labour as a commons“. Dazu schrieb er, dass ja das Thema Arbeit in der Commons-Diskussion unterbelichtet sei, darum greife er das jetzt auf. Und er definiert auch gleich, was er mit „Arbeit“ meint: nicht Lohnarbeit, sondern jene Tätigkeiten, die zur Reproduktion des Lebens notwendig sind, inklusive der derzeit unbezahlten Tätigkeiten. In dem Text ging es um selbstverwaltete Betriebe in Lateinamerika und Griechenland, und er bezeichnet eben in diesem Zusammenhang die Arbeitskraft der Menschen als die gemeinsam genutzte Ressource. Während seine Arbeitsdefinition der Commons-Logik entspricht, sehe ich in der zweiten Aussage ein Kategorienproblem.

Es handelt sich jedenfalls um einen guten und interessanten Text von einem Autor den ich sehr schätze. Das Thema stößt ja durchaus auch unter commonsaffinen Menschen auf Interesse, die Praxis stößt allerdings – wie auch von Azzellini angesprochen – an ihre Grenzen, wenn man sie aus der Commons-Perspektive betrachtet. Da diese Unternehmen ja nach wie vor ihre Produkte auf dem Markt verkaufen müssen, können sie sich bestenfalls intern als Commons organisieren und versuchen, den Lohnarbeitscharakter weitgehend zu eliminieren. Der Konkurrenzdruck des Marktes schafft aber oft innere Zwänge, die dem entgegenstehen. Das heißt, wir würden in diesen Fällen nicht von Commons reden, aber durchaus Commonselemente entdecken und überlegen, wie man diese stärken könnte.

Nun geschieht es aber gerade in Lateinamerika und Griechenland immer häufiger, dass solche selbstverwaltetetn Betrieben von einer lokalen oder internationalen Community stark unterstützt werden, sei es durch die Abnahme fixer Mengen zu einem Preis, der die Existenz des Betriebes sichert, oder durch den Aufbau von Vertriebsstrukturen. Da wird die Sache dann wirklich auch aus Commonssicht interessant, denn dann verschwindet auch nach Außen der Tauschcharakter immer mehr und es leisten viele Menschen verschiedene Beiträge entsprechend ihren Möglichkeiten, sei es Arbeit, Geld oder verschiedene Formen von Wissen um dann in unterschiedlicher Weise die Ergebnisse des Produktionsprozesses nutzen zu können. Diese Beiträge und Entnahmen lassen sich dann nicht mehr als Äquivalente gegeneinander aufrechnen. Das ist es, was ein Commons ausmacht.

Nun erschließt sich mir aber aus dem Text von Azzellini nicht, warum gerade die Arbeit, oder genauer gesagt, die Arbeitskraft, die gemeinsame Ressource sein soll. Aus meiner Sicht können die Produktionsmittel, Immobilien, Transportmittel, Vertriebsnetze, Baupläne oder Rezepturen Ressourcen sein, die als Commons genutzt werden, während die Arbeitskraft der Beitrag ist, den die Beteiligten dazu leisten. Das meinen wir, wenn wir sagen, in Commons gehe es um Beitragen statt Tauschen. Das möchte ich hier kurz ausführen.

Commons bestehen aus drei Elementen: einer Ressource, den Menschen, die diese Ressource schaffen, erhalten, pflegen und gemeinsam nutzen, und den Regeln, die diese Menschen sich dafür geben. In dem Prozess des gemeinsamen Schaffens, Erhaltens und Nutzens spielt natürlich die Arbeitskraft der Menschen eine wesentliche Rolle, aber eben als Beitrag, den diese Menschen – neben anderen Beiträgen – leisten und nicht als gemeinsam verwaltete Ressource. Die Tätigkeiten, die zur Schaffung und Erhaltung eines Commons und häufig auch zu seiner Nutzung notwendig sind, sind also ein essentieller Teil des Commoning. Und das Ziel dieses Commoning ist die individuelle und soziale Reproduktion. Da stimme ich mit Azellini überein.

Ich habe aber ein Problem damit, Arbeitskraft als gemeinsam genutzte Ressource zu sehen, denn sie ist vom jeweiligen Menschen nicht trennbar. Das ist ja auch eine wesentliche Kritik an der Warenform der Arbeit – die oder der Arbeitende müssen stets auch sich selbst mit verkaufen. Und ich sehe hier keinen wesentlichen Unterschied, wenn nun die Besitzerin dieser Arbeitskraft sich selbst mit dieser vergesellschaften und damit erst wieder fremdbestimmen lassen muss, damit ihre Arbeitskraft eine gemeinsam genutzte Ressource werden kann – auch wenn sie wenigstens eine Stimme dabei hat. Commoners sehen wir als autonome Individuen, die – innerhalb der Grenzen biologischer Tatsachen und sozialer Beziehungen – frei entscheiden können, wieviel Arbeitskraft und sonstige Dinge sie in welches Commons einbringen wollen. Die Sichtweise auf Arbeitskraft als gemeinsam genutzte Ressource widerspricht dieser Autonomie.

Daher wird von Arbeitskraft als Ressource in der Commons-Diskussion tatsächlich nicht gesprochen. Die Arbeitskraft als Beitrag im Prozess des Commoning spielt hingegen eine sehr wichtige Rolle, die Frage stellt sich allerdings dann anders. Es geht nicht mehr darum, Arbeit für alle zu schaffen, sondern wie es gelingen kann, dass trotz dieser Freiwilligkeit und ohne Zwang alle für die Reproduktion eines guten Lebens notwendigen Tätigkeiten erledigt werden. Zu dieser Frage gibt es eine Fülle an Beiträgen und Büchern, die allerdings oft nicht den Begriff Arbeit verwenden, sondern häufig von Peer Produktion sprechen. Arbeit ist dann keine ökonomische Kategorie mehr, sondern eine anthropologische: müssen Menschen zur „Arbeit“ gezwungen werden oder ist es ein Grundbedürfnis des Menschen einen sinnvollen Beitrag zum Gemeinwesen zu leisten? Und wie kann man diese vielen Beiträge koordinieren, ohne großen zentralen Steuerungsapparat.

Nahezu alle Beiträge von Christian Siefkes befassen sich mit diesem Thema, auch viele von Stefan Meretz, meist unter dem Begriff Stigmergie. Dazu gibt es Bücher von Christian, von Friederike Habermann und auch von mir zu genau diesen Fragen. Und natürlich viele andere, die ich weder alle im Kopf habe noch hier aufzählen könnte,

Die Sichtweise von Arbeitskraft als Ressource kommt aus meiner Sicht aus der kapitalistischen Verwertungslogik. Und, ich weiß, gerade zB in Regionalentwicklungsprojekten hört man, unsere wichtigste Ressource sind die Menschen. Das ist eine wichtige Erkenntnis und entspringt meist gar keiner Verwertungslogik. Trotzdem ist der Begriff unglücklich gewählt, weil er die Menschen verdinglicht. Besser wäre es zB zu sagen, unser größtes Potenzial sind die Menschen, das lässt der Eigensinnigkeit und dem Autonomiestreben der Menschen mehr Raum – und es würde die Verwechslung von Kategorien verhindern.

 

 

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