So heißt das Buch, dass ich gemeinsam mit Andreas Exner geschrieben habe und das es seit einer Woche nach einigen Verzögerungen auch wirklich gibt ;-). Erschienen ist es beim Mandelbaum Verlag, der seit gut einem Jahr mit der Reihe „kritik & utopie“ in der österreichischen Verlagswelt einen Platz für progressive Gesellschaftskritik und Denken über den Kapitalismus hinaus geschaffen hat. Hier das Vorwort, das einen Überblick über Inhalt und Intention des Buches gibt:

In den letzten Jahren hat sich das, was 2007 in den USA als Subprimekrise begonnen hat, gemeinsam mit anderen schon länger schwelenden Widersprüchen des Systems zu einer großen gesellschaftlichen Krise ausgewachsen. Große Krisen stellen strategische Situationen dar. Zum einen verdichten sich darin die Resultate vielfältiger sozialer Kämpfe, die zuvor in scheinbar weit auseinanderliegenden Bereichen der Gesellschaft und ohne Zusammenhang geführt worden sind. Sie kommen in der Krise dann wie im Zusammenlaufen einzelner Zündschnüre zur Explosion und erlangen so einen gemeinsamen Ausdruck. Zum anderen bilden sich in einer Krise neue soziale Akteure heraus und bestehende Akteure orientieren sich um. Es werden weitreichende Entscheidungen getroffen, die neue gesellschaftliche Strukturen schaffen, die künftige Kämpfe einschränken oder erleichtern. Krisen sind ebenso bedrohliche wie einladende, offene Situationen. Sie zwingen zum Handeln und öffnen Perspektiven, die über das Bestehende hinausweisen. Mit den wesentlichen Widersprüchen der kapitalistischen Produktion und den Krisen als den Rahmenbedingungen für Alternativen beschäftigt sich deshalb das erste Kapitel. Dem werden im zweiten Kapitel die Commons als Produktionsweise und soziale Organisationsform gegenübergestellt, die sich mit Solidarischen Ökonomien überlappen.

Bestehen Commons und Solidarische Ökonomien innerhalb des Marktsystems, so sind sie immer zwiespältig. Sie versorgen das Kapital mit kostenlosen Ressourcen, bilden aber auch Räume der Autonomie, in denen Widerstand und Alternativen entstehen können. Daher waren und sind Commons ein umkämpftes Feld. Dies wird im dritten Kapitel vom historischen Datum 1215 bis heute in sehr grobem Umriss nachgezeichnet.

In den letzten Jahrzehnten gab es in verschiedenen Lebensbereichen Einhegungen von Commons, die neue Widerstände nach sich zogen. In vielen dieser widerständigen Initiativen wird auf die Begriffe „Commons“ und „Solidarische Ökonomie“ zurückgegriffen. Unter diesem Motto stellen Aktivistinnen den Erfahrungen der Ohnmacht und Enteignung Momente der Wiederaneignung und Selbstbestimmung gegenüber. Viele haben das Vertrauen in die staatliche Politik ebenso wie in den Markt verloren. Sie glauben nicht mehr daran, dass sie die richtige Antwort auf die aktuellen globalen Probleme sein können und nehmen ihre Angelegenheiten stattdessen selbst in die Hand – ob es nun um die Nahrungsmittelversorgung, Medien, Wissen, das Gesundheits- oder Bildungssystem oder den Ausstieg aus der fossilen Energie geht. Sie alle verbindet ein gemeinsames Anliegen: Was Menschen für ihr tägliches Leben brauchen darf nicht zu Privateigentum werden, sondern muss für alle zugänglich sein. Alle sollen über die Produktion und Verwendung lebensnotwendiger Dinge oder Dienste mitbestimmen können. An zweien solcher Bereiche, nämlich für digitale Commons und für Ernährung und Landwirtschaft werden im vierten Kapital aktuelle Auseinandersetzungen und Aneignungsversuche vorgestellt.

Mit den „Halbinseln“ (Friederike Habermann), „Inseln“, „Archipelen“ und Versuchen zur „Landgewinnung“ gegen den kapitalistischen Strom setzt Andreas Exner sich im fünften Kapitel auseinander.

Die Krisensituation bringt auch eine Vielzahl von Vorschlägen einer Ordnung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft hervor, die das bestehende System nicht überwinden, sondern erneuern wollen. Meist werden hier die Ursachen der Krise in mangelnder Systemregulierung und in individuellem Fehlverhalten gesehen. Moralische Appelle nach weniger Gier und mehr Sorge um den Anderen, verbunden mit einer Einschränkung der Finanzmärkte und der Anrufung staatlicher Macht kennzeichnen solche Konzepte. Hochkonjunktur haben auch Vorstellungen, ein zinsloses Geldsystem könnte die Übel des Kapitalismus: Konkurrenz, Krisen und Ungleichheit beseitigen. Zinsloses Geld soll „arbeitslosen“ Reichtum verhindern, ohne das Kapitalverhältnis als solches infrage zu stellen und einer vermeintlich guten Marktwirtschaft wieder zu ihrer Geltung verhelfen. In all diesen Vorstellungen bleiben die Kernstrukturen des kapitalistischen Systems, nämlich Lohnarbeit, Warenproduktion und Äquivalenztausch, erhalten und werden mit den Mitteln staatlicher Herrschaft gesichert. Genau diese Strukturen aber bedingen die grundsätzliche Krisenanfälligkeit des Kapitalismus und verkörpern seine Herrschaftsverhältnisse. Echte Alternativen, die zu einer sozialen Transformation über den Kapitalismus hinaus führen, müssen mit ihnen daher brechen. Commons und Solidarische Ökonomie können diesen Anspruch mit Hilfe kooperativer Produktionsweisen, reziproker Beziehungen und nicht-hierarchischer Entscheidungsstrukturen erfüllen – sofern sie Teil kämpferischer sozialer Bewegungen sind, die sich nicht damit begnügen wollen, die Krisen des Kapitalismus abzufedern.

In den aktuellen Debatten über Commons und Solidarische Ökonomien gibt es unterschiedliche Diskussionsstränge. Eine allgemein verbindliche Definition von Solidarischer Ökonomie oder von Commons gibt es nicht. Für beide Bewegungen bedeutet das, dass sie anfällig sind für Konflikte im Inneren und für Kritik und Vereinnahmungsversuche von Außen. Solidarische Ökonomie wird manchmal mit neoliberalem Social Business oder Social Entrepreneurship verquickt. Solidarische Ökonomie wird auch nicht radikaler, wenn man sie zusätzlich oder wahlweise als Soziale Ökonomie bezeichnet. Die sozialökonomischen Betriebe in Österreich sind eher das Gegenteil einer Alternative zum Kapitalismus. Manchmal scheint der Begriff der Solidarischen Ökonomie auf wenig mehr zu zielen als auf Genossenschaften plus Verbandsarbeit. Ähnlich die Situation in der Commons-Debatte. Commons werden von einigen Strömungen offen zur Rettung des Kapitalismus propagiert.

Es handelt sich bei Commons und Solidarischen Ökonomien also weder um einheitliche Theoriegebäude noch um klar abgrenzbare Bewegungen, sondern eher um strategische Diskurse und eine Vielfalt konkreter Praktiken, die in Machtverhältnisse eingebettet sind. Es ist daher notwendig, das emanzipatorische Potential der Commons herauszuarbeiten und zu untersuchen, unter welchen Bedingungen es realisiert werden kann. Das ist das Hauptthema dieses Buches. Denn immer wenn neue Kritik und neue alternative Konzepte auftauchen, versuchen unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen, diese für ihre Zwecke zu vereinnahmen. Im Sinne ihres Machterhalts trachten auch die politischen und wirtschaftlichen Eliten danach, solche Konzepte in ihre Programme einzubauen.

Wenngleich verschiedene Sichtweisen und Praktiken grundsätzlich die Entwicklung von Commons und Solidarischer Ökonomie auch im positiven Sinn vorantreiben können, distanzieren wir uns ausdrücklich davon, diese als Vorwand zu nehmen, um letztlich das kapitalistische System zu reparieren beziehungsweise zu stärken. Dazu gehören etwa Versuche, durch Appell an die Stärke der Gemeinschaft Sozialausgaben einzusparen, wie es der britische Premierminister David Cameron macht, der unter dem Schlagwort „Big Society“ wesentliche, bisher staatlich organisierte Bereiche im Bildungs-, Pflege- und Gesundheitsbereich an den Freiwilligen-Sektor übertragen will. Eine Vorgehensweise, die im Zuge beginnender Kürzungsprogramme wohl auch in anderen EU-Ländern auf die Agenda kommen wird.

Wir hoffen, mit diesem Buch den Leserinnen und Lesern fundiertes Wissen und nachvollziehbare Argumente für theoretische Auseinandersetzungen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus wollen wir auch zu konkreten Aneignungspraktiken und Umsetzungsideen motivieren. Handlungsmöglichkeiten für eine Transformation in Richtung einer solidarischen, zukunftsfähigen Gesellschaft sollen sichtbar und denkbar gemacht werden. Wir glauben, dass ein kritischer Blick auf bestehende Ansätze dem Potenzial von Commons und Solidarischen Ökonomien mehr hilft als eine Verklärung oder ein „Anything goes“.

Ein Gutes Leben für alle ist möglich, es kommt auf uns an ob es wirklich wird.

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