… bei meiner Diskussion mit der steirischen Landesräten Bettina Vollath am Freitag im Grazer Kunsthaus. Dabei legte der Titel „Wutbürger – was jetzt?“ eine andere Schwerpunktsetzung nahe, eher Fragen nach Demokratie, danach, wer soll unsere Zukunft gestalten und wie? So war das auch mit dem Moderator abgesprochen und ich hatte auch einige Argumente in diese Richtung vorbereitet. Leider ist die ganze Diskussion über die allgegenwärtige Notwendigkeit zum Sparen kaum hinausgekommen. Ein Grund dafür war sicher, dass Frau Vollath eben Finanzlandesrätin ist und sich der BürgerInnenunmut in der Steiermark im Augenblick hauptsächlich auf die Budgetkürzungen im Sozialbereich richtet, die auch der „offizielle“ Anlass für die Gründung der Plattform 25 waren. Aber auch in dieser Plattform wird viel breiter und vielfältiger diskutiert. Der Hauptgrund für die Dominanz des Themas „Sparen“ ist aber, denke ich, dass global mittlerweile die politische Perspektive so sehr auf die Finanz- und Schuldenkrise fokussiert ist, dass alles andere aus dem Blickfeld gerät, dass alle Fragen auf die eine Frage reduziert werden: wo können Staaten noch irgendwie Geld her bekommen?

Die Staatsschuldenkrise ist das große Ablenkungsmanöver mit dessen Hilfe nicht nur Demokratie außer Kraft gesetzt und Maßnahmen der Umverteilung von unten nach oben durchgesetzt werden, die ansonsten unmöglich wären, sondern die uns auch noch den Blick verstellt für viele wirkliche Probleme des Systems, das da gerade an die Wand fährt. Die Finanzkrise ist nur eines der Symptome davon, dessen Überbewertung verhindert – möglichweise durchaus mit Absicht – dass die Systemfrage gestellt wird. Die Frage nach Geld ist natürlich notwendig in einer Marktgesellschaft, in der alles nur als Ware erhältlich ist. In einer Marktgesellschaft werden Bedürfnisse und Tätigkeiten immer zueinander in Konkurrenz gesetzt – was dem einen nützt, schadet dem anderen. Das ist so zwischen Produzenten und Kunden, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zwischen Arbeitslosen und solchen, die noch Arbeit haben, zwischen Unternehmen und zwischen Staaten. Und je mehr sich die Situation zuspitzt, je mehr gesellschaftliche Bereiche dem Marktsystem untergeordnet werden, desto mehr wird diese Widersprüchlichkeit zur Bedrohung fürs gesamte System. Einiges, das mich in letzter Zeit umtreibt, möchte ich im Folgenden diskutieren – wenn es schon bei der Veranstaltung nicht zur Sprache kommen konnte.

Arbeitsmarkt

Dieser Begriff selbst ist schon irreführend, denn natürlich wird am Arbeitsmarkt nicht Arbeit verkauft, nicht einmal Jobs, denn meist müssen wir (noch) nicht zahlen dafür, einen Job zu bekommen. Sondern verkauft wird dort Arbeitskraft und zwar von den Besitzern dieser Arbeitskraft, also allen Menschen, die eine Lohnarbeit ausüben oder suchen, aber auch von jenen die als sogenannte „neue Selbständige“ versuchen, ihre Arbeitskraft immer individuell in Form von Projekten oder Ähnlichem an einzelne „Kunden“ zu verkaufen. Wie kann es dann sein, dass die Verkäufer der Arbeitskraft vom AMS als „Kunden“ bezeichnet werden? Das ist leicht zu erklären, denn natürlich verkauft das AMS weder Arbeitsplätze (s. oben) noch Arbeitskräfte (Menschenhandel ist zumindet offiziell noch nicht erlaubt), sondern es hilft den Arbeitssuchenden, sich selbst, bzw. ihre Arbeitskraft besser zu verkaufen. Arbeitssuchende „kaufen“ dort also Dienstleistungen wie Beratung, Coaching, Ausbildung um sich selbst besser vermarkten zu können. Aber sie bezahlen erstens nicht selbst, sondern der „Käufer“ ist, wie bei Sozial- oder Bildungsdienstleistungen der Staat, die Regierungen, die die Mittel zur Verfügung stellen oder das Versicherungssystem. Und die „Kunden“ kommen dort auch nicht freiwillig hin, sondern sie werden mit repressiven Mitteln dazu gezwungen. Hier kann also von der vielgepriesenen Freiheit der Märkte keine Rede sein.

Wenn nun die zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze immer weniger werden, weil wir immer produktiver werden und eigentlich für die Produktion der Dinge, die wir zum Leben brauchen nur mehr – so die Schätzungen – zwischen 2 und 4 Stunden täglich arbeiten müssten, dann könnten sich normale Menschen über mehr Musse freuen. Wenn aber gleichzeitig die Befriedigung der Grundbedürfnisse und die soziale Anerkennung an den Besitz eines Arbeitsplatzes – und zwar „Vollzeit“, sprich mindestens 8 Stunden täglich – gebunden ist, dann wird es notwendig immer mehr Arbeiten zu „erfinden“, für die aber auch wieder jemand bezahlen muss. Immer mehr Menschen werden dafür bezahlt, um anderen irgendeine Beschäftigungstherapie anzubieten, die möglicherweise mehr Schaden als Nutzen für die Gesellschaft bringt. Hier beißt sich aber die Katze in den Schwanz, denn wenn immer weniger Leute Arbeit haben, haben auch immer weniger Menschen Geld um diese neu erfundenen „Dienstleistungen“ zu bezahlen. Wenn wir uns überlegen, wieviele der Arbeiten, die Menschen heute ausüben, weil sie Geld verdienen müssen, wirklich unnötig sind und wir darauf verzichten könnten, ohne Verlust von Lebensqualität, und wie uns – als Gesamtgesellschaft – diese sinnlosen Arbeiten die Zeit stehlen, die Menschen brauchen würden, um sich selbst zu entfalten, soziale Beziehungen zu pflegen und an der Gestaltung ihres Lebensumfeldes teilzunehmen, dann sehen wir, dass Friederike Habermann recht hat, wenn sie den Kapitalismus als eine extrem ineffiziente Produktionsweise bezeichnet.

Eine andere Parallele ist mir aufgefallen, als ich es jetzt endlich geschafft habe, das Buch „Caliban and the Witch“ von Silvia Federici ganz zu lesen: Im Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus wurden die Commons, das von den Bauern gemeinsam benutzte Land, eingehegt. Die Bauern, ihrer Lebensgrundlagen beraubt, wurden zu Bettlern und Vagabunden, die als faule Sozialschmarotzer stigmatisiert und gewaltsam in die Lohnarbeit gezwungen wurden. Wenn heute der Schlüssel zur Existenz nicht mehr Land sondern Lohnarbeit ist, wenn diese Lohnarbeit immer knapper wird, können wir auch von einer Einhegung sprechen. Dadurch, das menschliche Arbeitskraft mit einem Preis versehen und zur Ware gemacht wird, kann nur der seinen Lebensunterhalt erwerben, dessen Arbeitskraft auch Käufer findet, Arbeitsmöglichkeiten werden ebenso eingehegt, wie das menschliche Potenzial, dem es nicht erlaubt wird, sich zu entfalten. Und wieder werden die Enteigneten als faule Sozialschmarotzer gebrandmarkt und mit repressiven Mitteln  in Lohnarbeitsverältnisse gedrängt.

Interessantes zum Thema Arbeit gibt es übrigens auch in der neuen Ausgabe der Streifzüge zu lesen.

Vergeudung menschlichen Potentials

Wenn also Existenzsicherung und soziale Anerkennung nur über Lohnarbeit zu haben sind, Arbeitsplätze aber immer knapper werden, die Anforderungen an die Verkäufer der Arbeitskraft immer höher und die Konkurrenz zwischen ihnen immer heftiger, hat das weitreichende Auswirkungen für die Gesellschaft. Es wird eine zunehmende Zahl von Menschen daran gehindert, sich aktiv und konstruktiv in die Gestaltung der Gesellschaft und die Produktion des gesellschaftlichen Reichtums einzubringen und ihre Potenziale dabei zu entfalten, was auch die Weiterentwicklung der Gesellschaft bedroht.

Junge und alte Menschen sperren wir in Ghettos – für diejenigen, die genug Geld haben, können es auch manchmal goldene Käfige sein. Im allgemeinen aber wird ihnen vermittelt, dass sie für die Teilhabe an der gesellschaftlichen Produktionstätigkeit nicht geeignet, weil nicht leistungsfähig genug sind, und dass sie hauptsächlich einen Stör- und Kostenfaktor darstellen.

Am absurdesten ist unser Umgang mit alten Menschen. Hier werden die Paradoxe der Marktgesellschaft besonders deutlich. Wir investieren jede Menge Geld in die Forschung, die uns ein immer längeres Leben ermöglichen soll. Alte Menschen werden als eigene Zielgruppe für viele Unternehmen entdeckt, weil (noch) relativ viele zahlungskräftige KundInnen unter ihnen sind. Pflege wird als Jobmotor für die Zukunft gesehen. Auf der anderen Seite wird die „überaltete“ Gesellschaft als Horrorszenario gemalt, das wir uns nicht mehr leisten können, von der anderen Seite des Marktes her sind sie nämlich ein Kostenfaktor – eh klar, was jemand verkaufen will, muss jemand anderer bezahlen. Die Pensionen, die Pflege, das treibt die Staaten an den Rand des Ruins, so wird es uns zumindest eingeredet. Dadurch wird ein Keil zwischen jung und alt getrieben, es wird der Eindruck erweckt, die alten Menschen lebten auf Kosten der Jungen, den Jugendlichen wird Angst vor der Zukunft eingejagt, sie erleben die alten Menschen als Bedrohung. Auch das nur deswegen, weil die einzige Grundlage für einen Lebensunterhalt die Lohnarbeit ist, in dem Fall die frühere (bei einer individuellen) oder die der anderen (bei einer umlagefinanzierten Pension).

Etwas mehr Pragmatik wäre angebracht. Wir sind das achtreichste Land der Welt, wir produzieren so viel, dass wir im Überfluss leben, dass viele Dinge weggeworfen werden, ohne benutzt zu werden – warum also sollten wir die alten Menschen nicht ernähren und betreuen können. Auch der steigende Pflegebedarf ist mehr dem aktuellen Lebensstil und dem Umgang mit alten Menschen geschuldet als deren zunehmenden Alter an sich. Siehe oben – wir hätten viel mehr Zeit, Beziehungen zu pflegen, wenn wir nicht so viele sinnlose „Arbeiten“ machen müssten. Zudem sind es gerade die „unproduktiven“ Gruppen der Jugendlichen, Studierenden, Arbeitslosen und PensionistInnen, die einen Großteil der ehrenamtlichen Arbeit leisten – gemeinsam mit der unbezahlten Care-Tätigkeit von Frauen mehr als die Hälfte der gesellschaftlich notwendigen Arbeit.

Durchaus ähnlich – wenn auch mit positiverer Bewertung – ist es mit den Kindern und Jugendlichen. Man baut Spiel- und Sportplätze, Jugendzentren, Ganztagsschulen und Kindergärten, die von 6 Uhr früh bis 8 Uhr abends offen haben, damit nur ja ihre bloße Anwesenheit nicht unseren hektischen Alltag stört und wir möglichst nichts von ihnen wahrnehmen. (Ich habe nichts gegen Spiel- und Sportplätze, Ganztagsschulen und Kindergärten, die Frage ist immer nur, für wen baut man sie eigentlich und zu welchem Zweck?). Dann, je nachdem aus welcher sozialen Schicht ein Jugendlicher kommt, mit 15, 18 oder noch später, wirft man sie in einen gnadenlosen Konkurrenzkampf um einen Arbeitsplatz, weil sie von einem Tag auf den anderen von Kostenfaktoren zu Verkäufern ihrer Arbeitskraft werden sollen – wohl wissend, dass nur ein Teil von ihnen dafür auch eine Käufer finden wird. Diejenigen, die es schaffen, stehen in ihrem Lohnarbeitsalltag wieder unter extremem Druck, kaum jemand hat noch eine Arbeit, die er oder sie so erledigen kann, dass sie dann mit einem guten Gefühl nach Hause gehen könnten, Qualität existiert nur noch in den Katalogen der Qualitätsmanager, Selbstdarstellung ist alles. Und die es nicht schaffen sind sozialer Abwertung und Repression ausgesetzt. Kein Wunder, dass Burnout zur Volkskrankheit wird. Und das bringt mich zum nächsten Paradox, dem

Gesundheitsmarkt

Vor einiger Zeit hab ich einmal versucht jemandem zu erklären, wie kontraproduktiv Patente auf Medikamente sind. Diese Person hatte aber einen Sohn, der in der Pharmaforschung arbeitet und sie meinte, ohne Patente wäre ihr Sohn arbeitslos und es sei doch immer so gewesen, dass Heiler und Medizinmänner von ihrem Beruf gelebt hätten. Zu Punkt 1 ist zu sagen – wir erzeugen doch nicht Medikamente, um Arbeitsplätze zu schaffen, sondern weil wir Krankheiten heilen wollen. Und wenn wir das ohne Patente mit weniger Arbeit schaffen könnten, sollte das doch – unter vernünftigen Bedingungen – positiv sein. Aber das hatten wir oben schon. Spannender in diesem Fall ist Punkt 2.

Ja, stimmt, die „Medizinmänner“ (und natürlich auch -frauen) haben von ihrem „Job“ gelebt. Sie verstanden einiges von den Zusammenhängen in der Natur, von Heilpflanzen und wohl auch von Gruppendynamik und hatten dafür zu sorgen, dass in ihrem Stämmen möglichst keine Störungen auftraten. Dafür haben sie von der Ernte, dem Fischfang oder der Jagdbeute etwas abbekommen. Die Menschen damals waren nicht so dumm, ihre HeilerInnen dafür zu bezahlen, dass sie jemanden geheilt hätten. Also, für jede Person, die du gesund machst, bekommst du einen Fisch, für jede Medizin, die du verkaufst, 1 kg Getreide. Was wenn niemand krank geworden wäre? Dann wäre der Medizinmann (oder die Medizinfrau) verhungert. Sie hätten also allen Anreiz gehabt, dafür zu sorgen, dass Menschen krank werden oder sich verletzen. Wenn wirklich einmal eine Hungersnot oder Epidemie ausgebrochen ist, dann mussten sich die Medizinleute was Gutes einfallen lassen, um nicht zum Teufel gejagt oder gar einen Kopf kürzer gemacht zu werden. Wenn man sich das so überlegt, ist es ganz einleuchtend. In unserer modernen, komplexen Gesellschaft machen wir genau diesen Fehler, ohne es wirklich zu durchschauen – und wundern uns über die steigenden Gesundheitskosten. Anstatt die herrschende Schulmedizin zum Teufel zu jagen, verlangen wir immer neue Behandlungsmethoden und immer mehr Medikamente von ihr, um damit noch mehr Kosten zu verursachen, anstatt die Ursachen der Krankheiten zu bekämpfen. Wir jubeln das Gesundheitssystem zum Wachstumsmarkt der Zukunft hoch, neue Jobs sollen dort entstehen – klar, dass wir dann auch mehr Kranke und mehr Krankheiten brauchen.

Im Radio habe ich heute Ulrich Körtner gehört. Gut, bei dem Argument, der Trend zur Frühpension sei ein Übel, das der „Krankmachung“ durch das Gesundheitssystem geschuldet ist, ist dem evangelischen Theologen wohl die protestantische Ethik dazwischen gekommen. Aber die Aussage, „eine auf Gesundheit als höchstes Gut programmierte Gesellschaft wird nicht immer gesünder, sondern immer kränker“ bringt es sehr gut auf den Punkt. Denn bei einer so idealistischen Gesundheitsdefinition wie der der WHO, nämlich „Gesundheit ist der Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens“, gibt es wohl kaum einen Menschen, der sich vollkommen gesund nennen könnte. Gesundheit wird also etwas, nach dem man immer streben muss, das man aber nie erreichen kann, sie wird vom Recht zur ersten Bürgerpflicht. „Wer früher stirbt“, meint er, „ist nicht nur länger tot, sondern verstößt auch gegen eine gesellschaftliche Norm“. Durch das Geschäft mit der Angst werden „Gesunde von einer medizinisch-pharmazeutischen Allianz zu Patienten gemacht“. Eine solcherart „salutokorrekte“ Gesellschaft nehme totalitäre Züge an.

So beschreibt es auch Rajan im Buch Biokapitalismus: Wenn Millionen in die Entwicklung neuer Medikamente gesteckt werden, müssen diese Medikamente auch verkauft werden, man produziert also immer auch gleich die potentiellen PatientInnen mit. Das ist eines der Beispiele, wo die Reparatur der Schäden, die das System erzeugt, als Wachstumsmotor genutzt werden soll, um das System am Laufen zu halten. Ähnliches passiert bei Umwelt- und Klimafragen, wenn etwa mit teuren und ressourcenaufwändigen Technologien versucht wird, das CO2 wieder aus der Luft rauszuholen, anstatt – billiger und weniger arbeits- und ressourcenaufwändig – gar nicht soviel in die Luft zu blasen. Da werden natürlich die Widersprüche der Marktlogik besonders deutlich, weil das was zum Wachstum beiträgt immer gleichzeitig auch Kosten verursacht, die die Wachstumsgewinne sofort wieder verschlingen. Da drängt sich dann eine Frage in den Vordergrund, nämlich die nach der

Zukunft

Das Augartenbad, an dem ich immer vorbeikomme, wenn ich laufen gehe, wird gerade renoviert. Auf einer Bauplane am Zaun wirbt eine Baufirma mit dem Slogan „Wir bauen Zukunft“. Darunter hat ein Sprayer geschrieben: „Bitte meine auch“. Das trifft sich ziemlich genau mit dem, was ich so empfinde, wenn ich den hektischen Bemühungen zusehe, die Schuldenkrise zu überwinden und die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Ich habe den Eindruck, dass alle diese Maßnahmen, von denen behauptet wird, sie würden unsere Zukunft sichern, Einsparungen, Privatisierungen, Schließung von Krankenhäusern, Verkauf der ÖBB, jedes kleinste Fleckchen Land noch an Immobilienunternehmen verhökern und zubetonieren – ebenso wie die oben beschriebenen Wachstumsstrategien – genau das zerstören, was wir für eine zukunftsfähige Gesellschaft brauchen würden. Und das ist es, was mir viel mehr Sorgen macht als Eurokrise oder Staatsschulden. Darüber hätte ich gerne diskutiert.

Klar ist, dass niemand weiß, wie diese zukunftsfähige Gesellschaft ausschauen soll. Sehr klar wurde aber in den letzten Monaten und Jahren auch, dass die in ihrer Denkwelt gefangenen PolitikerInnen und sogenannten ExpertInnen noch viel weniger Ahnung davon haben, als viele ganz „normale“ Menschen, die sich ernsthafte Gedanken darüber machen und auch schon konkret umsetzen. Und so habe ich zumindest noch als Schlusswort einen kurzen Ausschnitt vorgelesen aus einem Brief, den Veronika Bennholdt-Thomsen aus Ecuador geschickt hat. In Bolivien und Ecuador wurden das „Gute Leben“ und die „Rechte der Mutter Erde“ – und nicht eine Schuldenbremse – in die Verfassung geschrieben. Ein Zeichen, dass man in diesen Ländern besser versteht, worum es eigentlich geht. Natürlich haben auch sie noch nicht den Stein der Weisen gefunden, wie wir eine bessere Welt schaffen können, aber, so Bennhodt-Thomsen:

Das absolut Spannende aber hier in den Anden ist, dass wirklich alle Menschen die Fragen diskutieren und fuer sich hin- und herwaelzen. Ich habe den Eindruck, einem Volk von PhilosophInnen zu begegnen. Beeindruckend ist dabei, wie gelaeufig jede und jeder tiefschuerfende Gedanken aeußert, mit welch ungetruebtem Selbstverstaendnis, mit eigenwilligen, bildreichen Worten. Die Debatte wird in gar keiner Weise irgendwelchen ExpertInnen ueberlassen.

Wenn wir hier bei uns soweit wären, hätten wir den Zustand der „Wutbürgerschaft“ überwunden. Und das ist viel weniger eine Frage des Geldes, als eine der politischen Kultur.

Der ganze Brief ist hier zu lesen.