Da ja dieses Blog als Reisetagebuch begonnen hat, lasse ich diese Tradition wieder aufleben. Zweieinhalb Wochen habe ich mir Urlaub genommen – von den Commons und von allen anderen Dingen, die immer so wichtig sind, dass sie einem den Blick aufs Wesentliche nehmen. Gehen wollte ich wieder, aber ich wollte nicht mehr alles immer mit mir herumtragen, frau wird ja auch nicht jünger ;-). Also fixe Standplätze, wo das Zelt bleiben kann und von dort aus mithilfe öffentlicher Verkehrsmittel die Strecke zurücklegen. Geplant war eine Wanderung durch das Socatal in Slowenien und anschließend durch den Triestiner Karst bis Triest, bzw. noch weiter an die slowenische Grenze.

Ganz so ist es nicht gelungen, weil die Verkehrsinfrastruktur nicht mitgespielt hat. Schade war vor allem, dass ich es nicht geschafft habe, bis zur Quelle der Soca in den Julischen Alpen vorzudringen. Busse dorthin gibt es nur im Sommer und von meinem ersten Stützpunkt in Bovec ist Trenta, der letzte Ort im Talschluss, so weit entfernt, dass sich eine Tagestour hin und zurück nicht ausgeht. Trenta liegt auf fast 1000m Höhe, da friert es um diese Jahreszeit noch in der Nacht, für eine Übernachtung war ich also auch nicht ausgerüstet. Ich hab noch die Möglichkeit erwogen, mir ein Fahrrad auszuleihen. Aber es gibt dort nur Mountainbikes, und das um 20 Euro pro Tag. Mir tut beim Fahren mit einem Mountainbike immer alles weh. Nicht nur der Hintern von dem harten Sattel, sondern viel schlimmer ist, dass meine Hände zu kurz sind, oder der Abstand zwischen Sattel und Lenker zu groß, so dass ich immer ganz seltsam auf dem Rad sitzen muss und furchtbare Verspannungen in Schultern und Nacken bekomme. Mehr als 20 km bergauf, dann noch eine Wanderung von ca. 3 Stunden hin und zurück zur Quelle und dann wieder die Rückfahrt – das hat mich nicht so wirklich gereizt. So ist der ganze Plan ein wenig unvollendet geblieben. Aber, das Unvollendete ist es ja, das unsere Wünsche und Pläne am Leben hält. Und ansonsten bin ich an allen wichtigen und schönen Stellen unterwegs gewesen.

Fotos gibt es hier und hier seht ihr auch die Reiseroute.

Von der Soca zum Isonzo

In Bovec angekommen bin ich am Freitag, dem 29. April, bei leichtem Nieselregen. Ich hab ein bisschen überlegt, ob ich zelten sollte oder mir ein Zimmer nehmen, aber weil der Regen nicht besonders überzeugend war und dazwischen immer wieder die Sonne rauskam, hab ich den Campingplatz riskiert und es nicht bereut (Mein Zelt ganz rechts).

Nur am ersten Tag hat es ungefähr 2 Stunden am Stück geregnet. Leider gerade, als ich beim Boka-Wasserfall war, dem höchsten und wasserreichsten Wasserfall Sloweniens. Dann ist es jeden Tag schöner geworden, meist hat es abends ein kurzes Gewitter gegeben, aber tagsüber war es sehr angenehm zu Gehen. Der Zeitpunkt war trotzdem schlecht gewählt. Im Soca-Tal fahren die meisten Busse nur Montag bis Freitag, und in Slowenien feiert man den 1. Mai zwei Tage lang – das haben wir schon früher so gemacht und diesen Brauch haben wir beibehalten – also gab es erst einmal 3 Tage keine Busse. Zuerst bin ich einfach eine Runde von Bovec aus gegangen, hin und zurück. Am nächsten Tag bin ich per Autostopp zumindest noch ein Stück flussaufwärts gefahren und dann zu Fuß zurückgewandert.

Es gibt einen wunderschönen Wanderweg entlang des Flusses von der Quelle bis nach Bovec. Das Socatal ist ja heute hauptsächlich für seine Naturschönheiten bekannt und als Arena für alle möglichen Outdoor-Sportarten. Vor allem für Wildwassersport, aber auch für Kletterer und Bergsteiger und vor allem für Paragleiter gibt es umfassende Betätigungsmöglichkeiten. Um diese Zeit hält sich aber der Fremdenverkehr noch in Grenzen, es war angenehm ruhig, nur am Wochenende waren einige Kanufahrer unterwegs und da hab ich gleich auch was ganz Abenteuerliches gesehen: springende Kajakfahrer. Die steigen oben auf den Felsen in ihre Boote, rutschen dann denn steilen Hang runter und lassen sich ins Wasser plumpsen – sehr spektakulär.

Und die Paragleiter sind schon da, für Thermikflüge ist ja jetzt die beste Jahreszeit und schon bei der Hinfahrt habe ich sie über den Bergen von Kobarid und Tolmin gesehen. Allerdings, wenn es so labil ist, ist es nicht ideal. Niedrige Wolkenbasis, rasche Neigung zur Überentwicklung und dann muss man schauen, dass man vor dem Gewitter wieder runterkommt. Aber das berührt mich als Zuschauerin nicht und so kann ich in aller Ruhe beobachten, wie sie versuchen Höhe zu machen, wie einige es schaffen und wegkommen, über das Tal hinüber während andere schon im Landeanflug mit dem böigen Talwind kämpfen. An dem Tag als ich in Kobarid war und mir das näher anschauen und auch fotografieren wollte, war leider Sturm und daher nix mit Paragleiten.

Landschaftlich ist es wunderschön, der Fluss bildet an manchen Stellen tiefe Schluchten und Höhlen, es gibt spektakuläre Wasserfälle, an anderen ist er ein lustiger Bergbach und wo es flacher wird, hat er sich ein breites Bett gegraben. Berühmt ist die Soca wegen ihrer typischen türkisblauen Farbe.

Schließlich hab ich dann noch eine Wanderung von Bovec in eine Seitental hinein gemacht und dort hab ich ein interessante Naturphänomen beobachtet: Haarige Raupen, die sich zusammengeschlossen haben zu einer Art Wurm, einige Meter lang, der sich millimeterweise weiterbewegt hat, sehr seltsam. Erst beim genauen Hinsehen hat man bemerkt, dass dieser Wurm aus vielen, vielen einzelnen Tieren besteht (anklicken zum Vergrößern).

Die beiden letzten Tage bin ich dann nach Kobarid und Tolmin gefahren und dort jeweils eine Strecke den Fluss entlang gewandert. Wunderschön ist auch die Strecke von Tolmin nach Most na Soci, wo der Fluss eine Art natürlichen See bildet in einem breiten Talbecken vor einer Engstelle.

Der letzte Tag in Bovec war der erste regenfreie, die ganze Nacht blieb es klar und es wurde saukalt. Ich hab mich noch geärgert in der Nacht, weil ich so schrecklich kälteempfindlich bin. In der Früh hat mir dann der Mann vom Campingplatz gesagt, dass im Wetterbericht Morgenfrost angesagt war – das hat mich wieder ein bisschen vor mir selber rehabilitiert, da darf frau schon frieren ;-). Und dann ging es ja ans Meer, wo es sowieso um vieles wärmer war. Mein nächster Stützpunkt war Sistiana, etwas nördlich von Triest und etwas südlich vom bekannte Schloss Duino.

Von Most na Soci bis an die Mündung bin ich dann der Soca, bzw. in Italien dann dem Isonzo, hauptsächlich mit Bus und Bahn gefolgt, besucht hab ich auch die Stadt Nova Gorica/Gorizia/Görtz. Das war einmal eine wichtige Stadt für die österreichisch-ungarische Monarchie, später war sie durch den Eisernen Vorhang geteilt und seit dem EU-Beitritt Sloweniens wächst sie wieder zusammen.

Für den Besuch der Mündung des Isonzo schien mir eine Radtour von Grado aus die beste Möglichkeit. Ich fuhr mit dem Bus hin, fand auch gleich das Geschäft, wo es die Fahrräder auszuborgen gibt – aber das hatte geschlossen. Ich ging also zur Tourismusinfo und sagte, ich hätte ein Problem, ich sei nur heute da und ich bräuchte ein Fahrrad. Kein Problem, sagte die nette Dame, sie habe eines hier, das sei gratis. Aber es sei ein Herrenrad, ein Mountainbike. Ich musste beinahe lachen, um das Mountainbike kam ich in diesem Urlaub anscheinend nicht herum. Aber gratis oder 20 Euro pro Tag ist schon mehr als nur ein kleiner Unterschied, außerdem gab es hier kaum einen Höhenunterschied von einem Meter und die Strecke war auch viel kürzer. Also hab ich das Angebot angenommen und hab ein ganz hochoffizielles Fahrrad bekommen

Damit bin ich durch die Lagune von Grado zum Naturpark „Foce del Isonzo“ geradelt. Ich hab mich richtig gefreut, den Fluss wieder zu sehen, an dem ich so lange entlang gewandert war, dort „wo er das Meer liebkost“, wie es Gian Maria Testa in seinem Lied Il viaggio ausdrückt. Und obwohl er breit und träge geworden war und schon durch einige Industriestädte geflossen, hat er sich seine türkise Farbe bewahrt.

Durch den Triestiner Karst

Anders war es dann auf der zweiten Teilstrecke bis Triest. Von Monfalcone bis Triest sind es auf der Straße kaum 25 km, Italien ist dort zwischen 3 und 8 km breit, man kann die Strecke zu Fuß in maximal 3 Tagen bewältigen und es gibt auch sehr gute Bus- und Bahnverbindungen und ausgezeichnet markierte Wanderwege. Einen entlang der Küste, der auch den berühmten Sentiero Rilke zwischen Duino und Sistiana umfasst (mein Campingplatz lag genau an diesem Weg) und einen entlang der slowenischen Grenze. Da ich längere Zeit dort war, und immer wieder auch Rundwanderungen machte, habe ich beide Wege berührt, und auch die Verbindungen dazwischen und bin durch etliche der kleinen Dörfer dort oben gekommen und bin im Ganzen die Strecke, die an der Quelle des Timavo beginnt und im Val Rosandra an der slowenischen Grenze endet, beinahe zweimal abgegangen. Auch hier ein landschaftlich schönes und in vielerlei Hinsicht interessantes Gebiet. Der Timavo ist der kürzeste Fluss Italiens, er entspringt in Form von mehreren großen Karstquellen nur weniger als 2 km vor seiner Mündung bei Villagio del Pescatore. An dieser Stelle stand schon zur Zeit der Römer ein Tempel und später wurde darauf eine Kirche errichtet.

Interessant ist die Gegend vor allem wegen der Steilküste, die Klippen, die den schmalen Küstenstreifen vom Hochplateau des Karstes trennen. Wenn man zum Meer will, muss man meist viele Stufen hinuntersteigen, manchmal durch einen richtigen Urwald.

Oben geht es durch Macchia oder durch Wald und es war schön, die Macchia einmal üppig grün und blühend zu erleben, und nicht immer nur als stacheliges Hindernis und den Ginster auch einmal blühen zu sehen, anstatt sich immer nur daran zu stechen – da hatte ich sehr schlechte Erfahrungen bei meiner Italienwanderung vor zwei Jahren gemacht.

Mein letzter Campingplatz war in Opicina, hoch über Triest mit einem herrlichen Ausblick auf die Stadt.

Natürlich habe ich mir auch Zeit genommen, die Stadt zu erkunden, bin an der Strandpromenade gesessen und habe Eis geschleckt. In Triest gibt es viele Banken und Versicherungen, das, so habe ich gelesen, ist steuerlichen Ausnahmeregelungen in der autonomen Provinz Friaul-Julisch Venezien geschuldet. Und es gibt viele Kleider- und Schuhgeschäfte, das, so glaube ich, ist ein allgemein italienisches Phänomen. Wenn man aber was zu Essen kaufen will, muss man manchmal lange suchen. Aber schließlich habe ich sie gefunden, die noch „echte“ Arbeiterkooperative „Supercoop“, keine Supermarktkette, trotzdem große Auswahl und bei ihrer Filiale neben dem römischen Theater auch mit origineller Werbung (anklicken zum Vergrößern).

Sehr schön ist auch ein weiterer Nationalpark, das Val Rosandra. Es ist eine riesige Schlucht mit einem im Verhältnis kleinen Bächlein darin. Und natürlich war ich auch noch in Miramare.

Der Karst ist bekannt dafür, dass es im Winter stürmisch und kalt ist, häufig gibt es Schnee und es gibt alle möglichen Winde, die dort blasen, allen voran die kalte Bora. Im Sommer dagegen ist es extrem heiß, wandern ist also nur im Frühjahr empfehlenswert und das war auch der Zweck der Übung. Es war in den Tagen, die ich dort war, tagsüber teilweise schon recht heiß, fast wie im Sommer. Auch die Nächte waren lau. Es gab einmal ein kurzes Gewitter, ansonsten war es immer schön und warm. Außer am letzten Tag, es war ein Sonntag. Montag musste ich nach Hause fahren, denn Dienstag musste ich in Graz sein. Da kamen der Regen – oder besser gesagt ein Wolkenbruch – und Sturm, die mehr als 8 Stunden anhielten und es gab einen Temperatursturz von mehr als 10 Grad. Wieder einmal eine letzte kalte Nacht im Zelt, aber es hat dicht gehalten, trotz des Sturmes und des Starkregens. Ich hab mir nur die ganze Zeit überlegt, wie ich das mit dem klatschnassen Zelt in der Früh beim Einpacken mache. Es hat dann aber abends aufgehört zu regnen, der Sturm hat noch einige Zeit weiter getobt und irgendwann hat er sich auch beruhigt. Nun war der Campingplatz in einem Wald und das Zelt recht dreckig geworden von allem, was halt im Wald so von den Bäumen runterkommt, von Blütenstaub bis Vogelscheiße. Als ich nun am Abreisetag in der Früh aus dem Zelt kroch, sah ich, der Sturm hatte das Zelt nicht nur wieder getrocknet, es war auch wunderbar saubergewaschen. So als hätte das Wetter extra für mich vor der Abreise noch einen Waschtag eingeschoben – wenn mich wer gefragt hätte, ich hätte mir einen wärmeren Waschgang gewünscht, aber man kann halt nicht alles haben ;-).

Italien? – Sonntags leider geschlossen!

Als ich am Sonntag im Zelt lag und fror und dem Prasseln des Regens und dem Toben des Sturmes zuhörte, dachte ich, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich auch heute früh schon fahren können, an diesem Tag hätte ich nichts mehr versäumt. Aber dann fiel mir ein – nein, hätte ich nicht, denn an Sonntagen ist es ohne Auto nicht möglich nach Italien einzureisen oder es zu verlassen. Es gibt keinen grenzüberschreitenden öffentlichen Verkehr. Aufgefallen ist mir das schon bei der Reiseplanung. Eigentlich wollte ich nämlich über Tarvis fahren. Der Grenzübergang Villach-Tarvis ist nach dem Brenner der wichtigste Grenzübergang zwischen Österreich und Italien. Als ich im Internet nach einem Zug suchte, erhielt ich als Ergebnis nur zwei Nachtzüge, nach Florenz und Rom. Ich dachte, irgendwas kann da nicht stimmen und als im Februar in Villach zu tun hatte, hab ich mich erkundigt. Nein, hieß es, leider, es gibt keinen Zugverkehr nach Italien, es gibt einen Bus, Informationen gibt’s da drüben. Dort erhielt ich einen Zettel mit den Abfahrtszeiten: Montag bis Freitag 4 Busse, Samstag 2 und Sonn- und Feiertag kein Busverkehr. Ich hab mich über die ÖBB geärgert, inzwischen glaube ich, dass es an den Italienern liegt, denn der öffentliche Verkehr in alle anderen österreichischen Nachbarländer funktioniert ausgezeichnet.

Ich wollte nun über Slowenien zurückfahren nach Graz und ging in die Touristeninfo in Triest um mich erkundigen. Leider, da gibt es nichts, wurde mir beschieden. Ich blieb hartnäckig, denn ich wusste, dass es zumindest Busse nach Koper gibt. Da bekam ich dann ebenfalls einen Zettel ausgehändigt, Mo-Fr gibt es  ziemlich viele Busse, Samstags noch ein paar und Sonn- und Feiertags keinen. Nix mit Sonntagsausflug nach Italien! Auf meine Frage, ob sie mir sagen könnte, wann denn in Koper Züge Richtung Ljubljana fahren, beschied mir die Dame in der Auskunft, dass das leider nicht möglich sei. Der Grenzübergang bei Triest ist der wichtigste zwischen Slowenien und Italien!

Also fuhr ich Montag früh mit einem Bus der Firma Veolia (Hilfe!) nach Koper, ging dort in den Bahnhof, fragte am Fahrkartenschalter, wie ich nach Graz käme. Die Dame zog mit sicherem Griff ein Blatt aus ihrem Schreibtisch, sagte mir die nächsten Züge und Anschlüsse und verkaufte mir ein Ticket nach Graz, und das alles in fehlerfreiem Deutsch. Letzteres muss nicht sein, aber das andere – warum ist das in Triest, nicht einmal 10 km weiter, nicht möglich??? Es braucht dringend EU-Mindeststandards für grenzüberschreitenden öffentlichen Verkehr!

Dass diese Reise auch eine Reise durch die Zeit war und warum ich viel über Krieg nachgedacht habe, erfahrt ihr im zweiten Teil.

2 Gedanke zu “Von Bovec nach Triest Teil I: eine Reise zu Fuß, mit Bus und Bahn”
  1. liebe brigitte, nachdem ich sowohl durch das socatal als auch wiederholt durch den triestinischen karst inkl. val rosandra inkl.monfalcone gewandert bin, konnte ich viel nachvollziehen. sehr nett, danke für diese schönen erinnerungsminuten.
    erhale dir lange dieses gute körper- und eindrucksgefühl, liebe grüße erna

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