Sonntag, 25. Okt. kurz vor Mitternacht im Dom im Berg, diesem seltsamen Veranstaltungsort im Inneren des Schlossbergs, in dem ein großer Teil des Elevate-Programms stattfindet. „Open your mind“ hatte Seppi geschrieben, „da spielen Gruppen, deren Mitglieder um einiges älter sind als du.“ Er hatte für mich eine Eintrittskarte für die Musikveranstaltungen des Elevate reserviert, ich hatte mit einem Hinweis auf mein fortgeschrittenes Alter gemeint, dass ich eigentlich nicht vor hatte, hinzugehen. Und da ich mir natürlich nicht „narrowmindedness“ vorwerfen lassen will, sitze ich jetzt hier und sehe und höre zu wie zwei Herren um die 70 auf ihren Schaltpulten (ich hab keine Ahnung wie man diese Dinger nennt, Musikinstrumente sind es jedenfalls nicht) Geräusche produzieren, die zwar nicht unangenehm sind, die ich aber nie auf die Idee gekommen wäre, als Musik zu bezeichnen. Dazu flimmern Videoanimationen über die riesige Leinwand hinter der Bühne, auch diese durchaus ansprechend, Menschen, Landschaften, Meer, wenn auch immer wieder verzerrt und überlagert. Die Müdigkeit nach diesen vier langen und intensiven Tagen, der Wein, die ungewohnte Musik, die rasch wechselnden Bilder, das alles trägt dazu bei, dass meine Gedanken über die Ereignisse der vergangenen Tage sich immer wieder vermischen mit Erinnerungen an frühere Zeiten und die inneren Bilder sich überlagern wie die Bilder auf der Leinwand.
Elevate Nr. 5
Das Elevate-Festival (hier für die visuellen Typen 😉 ) fand heuer zum fünften Mal statt und ist in seiner Art einzigartig – vier Tage intensives politisch-kritisches Diskursprogramm, Workshops, Vorträge, Diskussionen parallel dazu Ausstellungen und Kunst- und Medienworkshops und fünf Nächte ein umfangreiches Musikprogramm. Nach den „Commons“ im letzten Jahr war heuer „die Krise“ das Überthema, was sich dann eben so liest: „Elevate the crisis“. Und auch wenn es vielleicht ein bisschen seltsam klingt, es hat schon was und weckt Assoziationen zur alten österreichischen Redewendung „des werd ma scho dahebn!“
Und wenn wir sie erst einmal „derhoben“ haben die Krise, dann können wir auch allerhand mit ihr machen. Wir können sie von allen Seiten anschauen, wir können sie vielleicht einfach wegwerfen, fallen lassen, damit sie in tausend Stücke bricht oder sie in tausend Stücke reißen, wenn sie es nicht von selbst tut und aus den tausend Stücken etwas Neues bauen.
Widerstand heißt auch, sich nicht blenden zu lassen von diesem Krisengerede, die wahren Krisen der Gesellschaft liegen nicht in Aktienkursen, noch nicht einmal in Arbeitslosenzahlen, das alles sind nur Symptome. Wir gehen tiefer in unsere Analyse, die Alternativen die wir suchen, müssen umfassender sein.
Menschen verbinden
Ein Abend und vier Tage mit Vorträgen, Workshops und Diskussionen und mit vielen Gesprächen und ich habe das Glück dabei sein zu dürfen, wie sich beginnen die Fäden zu knüpfen zwischen den verschiedenen Themen und Menschen. Im vorigen Jahr hat Silke Helfrich, eine der Referentinnen des letzten Jahres, die Vernetzung der beteiligten Personen auch außerhalb der Panels an denen sie sprachen, betrieben. Dadurch entstand ein Prozess, der auch für das Publikum wahrnehmbar wurde: Menschen, die zu unterschiedlichen Bereichen arbeiten, fanden ihre Gemeinsamkeiten, bemerkten, dass es trotz aller Unterschiede das gleiche Motiv ist, das sie umtreibt – Alternativen zu suchen zum kapitalistischen Wirtschaftssytem. Saßen zu Beginn auf den Podien Menschen nebeneinander, die jeweils ihre Sache vorstellten, so hatte sich bis zum Abschlusspanel die gemeinsame Theoriebildung soweit verdichtet, dass sie eine gemeinsame Sache vorstellten, aus verschiedenen Blickwinkeln und das macht einen großen Unterschied. Diese Veranstaltung hatte Auswirkungen für alle Beteiligten, die eingeladenen Gäste, die sich vorher nicht kannten, sich inzwischen aber schon ein zweites Mal getroffen haben und für das lokale Publikum.
Wir wollten nun versuchen, diesen Prozess heuer gezielt zu unterstützen und Seppi, einer der Organisatoren, den wir mit dem Virus „solidarische Ökonomie“ infiziert haben (Achtung, Gefahr einer Epidemie, bisher noch keine Impfschutz verfügbar, Mundschutz im Gesundheitsministerium anfordern), hatte die Vorstellung, das dieses Konzept die gemeinsame Klammer für alle Themen dieses Jahr sein könnte. Er hat mich gefragt, ob ich die Rolle der Gastgeberin, der Moderatorin dieses Diskussionsprozesses zwischen den eingeladenen Gästen übernehmen will. Und natürlich will ich. Wann hat man schon die Gelegenheit beim Frühstück mit Pat Mooney, Geoff Tansey, Joachim Hirsch, Mona Bricke, Markus Wissen zu diskutieren und die sich auch noch freuen, dass sie miteinander diskutieren dürfen. „When is the next time to meet?“ fragt Geoff, als wir aufbrechen zu den Veranstaltungen im Dom. Die Rechnung ist aufgegangen.
Freitag beim Abendessen sind schon alle Gäste da, die Runde ist größer, anstatt einer gemeinsamen Diskussion entwickeln sich unterschiedliche Gruppengespräche. Aber auch hier wieder, Menschen lernen sich kennen, die sich vorher noch nie gesehen haben, unterschiedliche Gesichtspunkte werden ausgetauscht. Und in den offiziellen Veranstaltungen beziehen sich die Leute immer wieder darauf und aufeinander.
Und wenn am Samstag der Pullitzerpreisträger David Barstow von der New York Times Pat und Geoff beim Abendessen ausfragt über die Entwicklung des Hungers in der Welt, die Rolle, die dabei Gentechnik und Nanotechnologie spielen und was das Problem der Agrofuels ist, dann kann ich mich der Illusion hingeben, dass die Saat für künftige inhaltliche Schwerpunkte der NYT in Graz gelegt wurde. Mit der Zeit werde ich so müde, dass ich den englischen Gesprächen nur mehr schwer folgen kann. Auch Kristina meint, sie müsse einmal raus, damit sie keinen Lagerkoller bekommt. Wir beide und Andreas und Martin gehen noch in die Stadt und nachdem wir Pat, der fast blind ist, ins Hotel begleitet haben, sitzen wir noch in einer Bar zusammen und planen gemeinsame Projekte. Von irgendwas müssen wir alle auch leben, auch wenn es so viel Interessantes zu tun gibt, wofür es kein Geld gibt. Wir vereinbaren, uns am Sonntag vormittag noch einmal für konkrete nächste Schritte zusammenzusetzen. Wirklich jede Minute dieser gemeinsamen Tage wird ausgenützt.
Orte verbinden
Denn in Graz verdichten sich die Ereignisse in diesen Tagen, nicht nur das Elevate findet statt, in dem Andreas und Kristina ihren Workshop zur solidarischen Ökonomie halten, gleichzeitig besetzen Studierende nun auch in Graz den Hörsaaltrakt der Uni und Informationen und Personen wechseln hin und her.
Und die jungen Leute vom Projekt A-Z, die ein Haus besetzt haben, um ein selbstverwaltetes Kulturprojekt durchzusetzen, haben genug von der Hinhaltetaktik der Stadtregierung, die sich nicht auf Zuständigkeiten einigen kann und laden PolitikerInnen und Interessierte ein, um ihr Konzept für das Haus und ihre derzeitige Situation zu präsentieren. Und dieses Konzept liest sich wie eine idealtypische Umsetzung meiner Vision solidarischen Wirtschaftens. Wir von Attac und auch andere Organisationen haben das Projekt schon länger unterstützt. Es soll für alle Interessierten Räume für Treffen oder Veranstaltungen ohne Konsumzwang und ohne Miete bieten, etwas was wir in Graz dringend brauchen. Auch die Möglichkeit gemeinsam ein Büro zu nutzen soll es geben. Auch zwischen diesem Haus und dem Elevate gibt es Austauschprozesse und ich fahre am Samstag Nachmittag für einige Zeit hin, weil es mir wichtig ist, aufzuzeigen, dass ein solcher Raum für viele Menschen in Graz wichtig ist. Das Haus wär wirklich super geeignet, ist auch in ziemlich gutem Zustand – außer dort, wo der polizeiliche Vandalismus zuschlug. Die Kobra-Leute hatten bei der Räumung des besetzten Hauses im Frühjahr ausgehängte und an der Wand lehnende Türen aus reiner Zerstörungswut mit Motorsägen zerschnitten, unverschlossene Türen eingetreten, manche davon nachher von innen ein zweites Mal. Nun sollen die BesetzerInnen die Reparaturkosten zahlen!
Themen verbinden
Bei den Workshops, Vorträgen und Diskussionen des „offiziellen“ Elevate Programms wird schnell klar: die unterschiedlichen Krisen – der Medien, der Wirtschaft, der Finanzmärkte, des Sozialen, der Umwelt, des Klimas und der Demokratie haben eine gemeinsame Ursache: das kapitalistische Wirtschaftssystem, oder besser gesagt, seine derzeitige radikale Ausprägung. Einzelne Reparaturmaßnahmen, die Versuche einzelne dieser Krisen separat zu beheben, sind daher sinnlos. Wir brauchen einen totalen Systemwechsel.
Und auch über einen zweiten Punkt gibt es Konsens: nicht nur der Markt hat versagt, auch auf den Staat können wir uns nicht verlassen, er ist ein Regierungsinstrument, das im Dienst der Mächtigen steht. Was es braucht sind völlig neue Formen gesellschaftlicher Selbstorganisation, die wir noch nicht kennen, für die wir keinen Namen haben, die Geoff etwas zögernd „political economy of diversity“ nennt. Und es gibt viele verschiedene Punkte von denen aus viele verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Projekten den Hebel ansetzen können und müssen. Und es gibt solche Projekte auch schon. Worum es geht ist aus diesen vielen Einzelprojekten gemeinsam Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens und Wirtschaftens zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Menschen und der Umwelt gerecht werden und in denen Produktion, Konsum und Entscheidungskompetenz nicht mehr in unterschiedlichen Sektoren der Gesellschaft verortet sind, sondern miteinander verschränkt werden.
Die Frage, ob wir einen Namen für diese neue Wirtschaftsform brauchen und ob solidarische Ökonomie dieser Begriff sein könnte, bleibt offen. Einerseits ist es sicher gut, Visionen auch benennen zu können, andererseits bietet jeder Begriff die Gefahr der Vereinnahmung. Unter dem Label „solidarische Ökonomie“ lässt sich vieles verkaufen, auch Dinge, die das System stützen.
Von gemeinsamen „Nein“ …
Mona sagt auf dem Podium als Antwort auf die Frage nach persönlichen Handlungsmöglichkeiten: „Wenn ihr den Beginn einer neuen Bewegung sehen wollt, dann kommt nach Kopenhagen“. Und sie spricht damit etwas aus, das auch ich in letzter Zeit wahrnehme, nämlich, dass sich etwas Neues bewegt. Nur war ich mir nicht sicher, ob es daran lag, dass ich mich verändert hatte, dass ich mit anderen Leuten zusammen war, oder ob sich wirklich etwas tut. Später frage ich sie, was sie gemeint hat mit diesem Satz. Sie überlegt lange, dann meint sie, es gäbe eben diese Aufs und Abs in den sozialen Bewegungen, wenn neue Leute kommen, neue Anlässe auftreten, dann kann wieder etwas Neues entstehen und sie hat das Gefühl, dass das jetzt passiert.
Und Anlässe gibt es ja wirklich genug. Schien es vor einem Jahr noch als würde sich durch die Krise wirklich etwas ändern, wird jetzt deutlich, dass die Umverteilung von unten nach oben nur noch verschärft wurde, dass auch kein Umbau in Richtung einer weniger von fossilen Energieträgern abhängigen Wirtschaft stattfinden wird, dass marktförmige und technische Lösungen für Probleme propagiert werden, die soziale Veränderungen brauchen würden. Das Kapital konnte die Krise nutzen um gestärkt daraus hervorzugehen, seinen Einflussbereich noch auszudehnen. Und es zeigte sich deutlich, dass die Regierungen im Dienste dieser weiteren Machtverschiebung arbeiten. Zeit also neue Widerstandsformen zu entwickeln.
Und ich spüre etwas wieder von der Energie und der Aufbruchstimmung von damals vor fast 10 Jahren, von den Anfänge dieser „Antiglobalisierungsbewegung“, wie es damals noch hieß, von der Anfangszeit bei Attac. Und trotzdem ist es diesmal anders.
Ich erinnere mich an eine Demo in Salzburg, ich war inmitten einer großen Zahl von Menschen, in engen Reihen gingen wir, wir hatten uns untergehakt. Auf beiden Seiten des Zuges Polizisten mit Helmen mit geschlossenem Visier, mit Schildern und Schutzanzügen. Wir waren viele und uns einte ein gemeinsames „Nein“ zu dieser Welt, die durch die Polizei symbolisiert, uns feindlich gegenüberstand. Aber soviel Mut und Kraft dieses Gefühl des Dazugehörens auch gab, es hatte auch etwas Beängstigendes, die Gefahr in der Masse aufzugehen. Falls es notwendig wäre, würde ich eigene Entscheidungen treffen können oder würde ich dem Zwang der Masse unterliegen? Ich habe es nie erfahren, habe wohl jene Situationen vermieden, indem ich mich aus den unmittelbaren Auseinandersetzungen heraushielt.
Mit den Jahren nahm die Energie und die Begeisterung ab, das gemeinsame „Nein“ reichte für viele nicht mehr aus, sie wollten eine Alternative, sie suchten etwas wofür sie sein konnten und immer wieder wurde der Ruf laut, nach einem eigenen Weltentwurf dem wir alle folgen könnten. Viele von uns – und ich war immer eine der lautesten davon – warnten davor. Ich weiß nicht genau woher dieses Gefühl kam, noch vor irgendwelchem theoretischen Wissen, ich spürte instinktiv: ein gemeinsamer Weltentwurf, eine Alternative für alle, barg die Gefahr des Totalitarismus, eine Lösung für alle Probleme und für alle Menschen konnte es nicht geben. Lösungen, Alternativen müssen wachsen, wir müssen sie suchen und finden und es müssen viele verschiedene sein, so war unser Argument und wir stritten mit denen, die uns wohlklingende Lösungen anboten und blieben lieber erst einmal beim Nein.
Dann versuchten wir, und das war und ist immer noch die große Stärke von Attac, Menschen aus vielen unterschiedlichen Richtungen und Gruppen hinter einzelnen politischen Forderungen zu vereinen, immer noch ohne einen großen Gesamtentwurf. Genau daher konnten auch viele mitmachen, weil diese einzelnen Forderungen eben zu vielen unterschiedlichen Visionen passten.
Später erst lernte ich es begründen, die Auseinandersetzung mit den Leuten vom Global Marshall Plan war eine wichtige Erfahrung dabei. Bei Hannah Ahrendt fand ich wichtige Argumente und ich denke, Foucault hatte recht, der Gulag entstand nicht durch einen Betriebsunfall, es war kein Irrtum, keine Fehlinterpretation. Der Gulag ist in den marxistischen und sozialistischen Theorien schon angelegt. Die Idee des „einen Klassenbewusstseins“, das erreicht werden müsse und viel mehr noch die Konzentration auf „die Partei“ als Träger der Veränderung, sind per se totalitär.
… zu vielen verschiedenen Widerstandsformen
„Die Welt zu verändern, ohne die Macht zu übernehmen“ – die Losung der Zapatisten wies den Weg. Wir wollen nicht allen unsere Art zu leben aufzwingen, wir wollen Platz in der Welt um unser Leben zu leben, so wie auch andere ihres leben können sollen. Die Zeit der großen Erzählungen ist vorbei – mit ihr auch die Zeit der großen Gegenerzählungen, der Heldenmythen und Führerfiguren. Gegen solche hegen wir ein grundsätzliches Misstrauen. Das Neue liegt im Vertrauen in die Kraft der Vielen, die aus unterschiedlichen Richtungen und mit unterschiedlichen Ideen schon in dieser Welt die neue vorbereiten.
Manche nennen es Postmoderne und werfen uns Beliebigkeit vor, aber wenn es auch eine Vielfalt an unterschiedliche Ideen, Visionen und Wegen ist, beliebig sind sie nicht. Genauso wenig, wie die gesellschaftliche Aufforderung, jeder Mensch müsse seine eigene, unverwechselbare Identität ausbilden, Beliebigkeit zulässt. Wir sollen zwar anders sein als alle anderen, aber wir dürfen das nur, solange wir dem großen Ziel folgen – wettbewerbsfähiger müssen wir werden, ständig unser Humankapital vergrößern, innovativ und flexibel sein, aber nur solange es dem System nützt. Anders als die anderen zu sein und doch gleich. Eine Individualisierung, die doch nur der Unterwerfung unter das Ziel der kapitalistischen Verwertbarkeit dienen soll. Wir stehen einer Macht gegenüber, „die sich als Steuerung begreift, die nur durch die Freiheit und auf die Freiheit eines jeden sich stützend sich vollziehen kann (Foucault).
Widerstand heißt dann, wie es Foucault ausgedrückt hat, „anders anders zu sein“. Auch wenn es viele verschiedene Lebensformen und Ideen sind, die hier entwickelt und gelebt werden, es ist sehr klar wogegen sie sich wenden. Ihr Ziel ist, genau diese Unterwerfung unter die Verwertbarkeitslogik nicht zu vollziehen. Von vielen Ecken des Systems aus, in vielen unterschiedlichen Bereichen werden Gegenkonzepte praktisch umgesetzt, in denen andere Logiken und Werte gelten: Kooperation, Selbstbestimmung, gegenseitiger Respekt, gleiche Rechte für alle, in denen auch ansatzweise die zentralen kapitalistischen Verhältnisse – Besitzer von Produktionsmitteln vs. Verkäufer von Arbeitskraft, Produzenten vs. Konsumenten, Staat vs. Markt – aufgehoben werden. Das ist es, was uns eint, auch wenn wir verschiedene Dinge tun mit verschiedenen Mitteln und verschiedenen Strategien. Die „Suche nach dem Neuen im Alten“ (Stefan Meretz), „Experimente an den Rändern des Kapitalismus“ (W.F. Haug) oder „Halbinseln gegen den Strom“ (Friederike Habermann), das alles sind Synonyme für den postmodernen Widerstand. Die Revolution ist tot – es lebe die Subversion.
Und was ich in letzter Zeit immer häufiger wahrgenommen habe ist, dass die Hoffnung auf und die Suche nach den vielen Alternativen ein neues Stadium erreicht. Dass wir langsam lernen dieses Gemeinsame in der Verschiedenheit zu verstehen, zu respektieren und vor allem die politische Kraft, die in dieser Vielfalt liegt, wahrzunehmen. In Paris zwischen Menschen aus einer Organisation und verschiedenen Ländern, hier beim Elevate-Festival – wie auch schon im letzten Jahr – zwischen Menschen, die bisher zu ganz speziellen Themen gearbeitet hatten und oft genug kaum über ihren Tellerrand hinausschauten. Und dann hier in Graz, wo Menschen und Gruppen aus unterschiedlichen Richtungen zusammenfinden. Langsam werden die Fäden sichtbar, die uns verbinden. Auch wenn das ganze Bild noch nicht fertig ist, es wird klarer, wie die einzelnen Puzzleteile zusammenpassen könnten. Vielleicht ist das auch das Neue, das Mona in Kopenhagen herankommen sieht.
Und schließlich: von der Theorie zur Praxis
Und Sonntag nachmittag ist dann genau dafür der Raum, die Theorie aus den Diskussionen in die lokale Praxis umzusetzen. Leute aus unterschiedlichen schon bestehenden selbstorganisierten Projekten treffen mit Leuten zusammen, die sich auch auf diese Weise organisieren wollen. Alle sind sich einig, dass es Sinn macht, mehr zusammen zu arbeiten, sich wieder zu treffen. Und es zeigt sich auch die Notwendigkeit Organisationsformen und Ziele zu diskutieren. Anschließend gibt’s noch ein Treffen der neu entstehenden Foodkoop. Der zweite Schwerpunkt ist die Vorbereitung für den Klimagipfel in Kopenhagen. Mona und Seppi sammeln die Menschen um sich, die hinfahren wollen, es bildet sich eine erste Gruppe für die Organisation.
Beim Abendessen kommt noch die Anfrage der UnibesetzerInnen, ob nicht Mona Bricke und Joachim Hirsch noch auf die Uni kommen und zu ihnen sprechen könnten. Mona, das Energiebündel, sagt sofort zu, sie nutzt jede Gelegenheit Menschen für Kopenhagen zu moblisieren und vereinbart gleich noch einen Workshop im Audimax der Uni Wien für den nächsten Tag. Joachim, der in Begleitung seiner Frau da ist, sagt erst nein. Als dann zwei junge Frauen kommen und ihn noch ein bisschen bearbeiten – nur ein paar Sätze und es ist auch nur 10 min von hier – schaut er fragend zu seiner Frau, sie nickt, also kommt auch er noch hin und viele von uns wechseln direkt vom Forum Stadtpark auf die Uni bevor wir beim Konzert im Dom im Berg den Schlusspunkt setzen unter diese Tage.
Es fühlt sich ein wenig an, als ob Graz für kurze Zeit so etwas wie der Nabel der Welt gewesen wäre. Ein Anziehungspunkt für Menschen, Wissen, Visionen und Aktivitäten aus verschiedenen Richtungen, die sich hier verdichtet, gekreuzt, vermischt und weiterentwickelt haben und alle Beteiligten verändert wieder auseinandergehen und das mitnehmen in ihren Alltag, was hier begonnen wurde.
liebe brigitte, habs gelesen und brauche noch etwas zeit zum durchdenken. bin auch etwas aufgescheucht durch die proteste auf den hochschulen. freu mich drüber.
bis bald
erna