Close

Alte und neue Gemeinschaften

Zweimal hatte ich jetzt Gelegenheit mit VertreterInnen religiöser Gemeinschaften über Commons zu reden. Das erste Mal beim Kirchentag in Hamburg mit Bernd Meyer-Stromfeld von den Wulfshagener Hütten, wie bereits hier berichtet. Das zweite Mal beim Symposium „Klöster der Zukunft“ letztes Wochenende im Stift Melk. Das Symposium fand im Rahmen der Dunavision statt und war das 2. seiner Art.

Klöster der Zukunft

Als mir Franz Nahrada vor etwas mehr als einem Jahr von dieser Idee der Klöster erzählte, meinte er, abgesehen von den religiösen Aspekten, finden sich bei Klöstern verschiedene Muster, die offenbar sehr überlebensfähig sind und auch für unsere aktuellen Visionen für eine andere Gesellschaft relevant sind, davon könnte mensch lernen. Das sind zum Beispiel:

  • Kollektivität: sich mit anderen zusammen zu tun, ermöglicht jedem und jeder Einzelnen ein besseres Leben, vor allem aber können wir gesellschaftliche Veränderungsprozesse besser gemeinsam auf den Weg bringen.
  • Leben und Arbeiten verbinden: heute sind die Bereiche Arbeit und Leben streng getrennt, die Arbeit „müssen“ wir tun, sie macht oft keinen Spaß, sie ist anstrengend und erst wenn wir die Arbeit erledigt haben, können wir zu leben beginnen. Das führt dann auch dazu, dass Menschen oft zur Arbeit gezwungen werden müssen, dass manche Arbeiten niemand machen mag – die bleiben dann für diejenigen übrig, die sich am wenigsten wehren können. Dabei ist es eigentlich doch umgekehrt: das, was wir tun, sollte dazu dienen, gut leben zu können. Diese Tätigkeiten sind das Leben, sie sind es normalerweise, die wir als befriedigend empfinden, wo wir das Gefühl haben, etwas Sinnvolles leisten und unsere Fähigkeiten einbringen zu können, Das kann auch Spass machen. Nur so, wie wir die Arbeit derzeit organisieren, will sie oft keiner machen. Die Idee alter und neuer Gemeinschaften ist, sich selbst Arbeitsbedingungen zu schaffen unter denen man die Dinge, die man für wichtig und richtig hält, gut machen kann.
  • Stille, Muße, Kommunikation, Reflexion: je nach Weltanschauung wird eine Gemeinschaft dafür unterschiedliche Begriffe finden, ohne Zeit und Raum um sich mit sich selbst und mit den anderen zu beschäftigen, wird jedoch auch keine nicht-spirituelle Gemeinschaft auskommen.
  • Subsistenz: auch wenn das kaum jemals vollkommen erfüllt wurde (auch nicht in den alten Klostergemeinschaften), so gehen die Bestrebungen doch in die Richtung möglichst alles was für die eigene Reproduktion notwendig ist, selbst herstellen zu können. Das führt zum nächsten Punkt, der
  • Autonomie: ein gewisses Maß an Unabhängigkeit von Autoritäten außerhalb der Gemeinschaft und von bestehenden Herrschaftssystemen, seien es König, Kirche, Staat oder Markt.
  • Geschützter Raum: Gemeinschaften bieten eine Sicherheit, die es Menschen ermöglicht, sich Zumutungen zu widersetzen, sich nicht allen Anforderungen unterwerfen zu müssen.
  • Nach Außen wirken: kaum eine Gemeinschaft will nur ihre eigen kleine Oase schaffen, sondern fast immer geht es darum, neue Produktionsweisen oder Sozialformen zu entwickeln, Orte des Experimentierens und der Innovation zu sein, die eine Pionierrolle übernehmen und auch nach Außen wirken wollen. Dazu gehört auch der letzte Punkt,
  • Ort des Wissens zu sein. Ein Ort wo Wissen gesammelt, bewahrt, verarbeitet, neu generiert und weitergegeben werden kann.

Das fand ich sehr einleuchtend und auch gut kompatibel mit der Idee der Commons. Franz fand das offenbar auch, denn er fragte mich, ob ich beim diesjährigen Symposium mit einem Vortrag über Commons die Klammer zwischen den unterschiedlichen Gemeinschaften, den alten und den neuen, den religiösen und den weltlichen, herstellen wollte. Ich wollte und ich erlebte dabei sehr inspirierende Begegnungen mit Menschen aus christlichen und weltlichen Gemeinschaften. So unterschiedlich sie waren, es waren starke Persönlichkeiten, die mitten im Leben standen und mit ihrem Engagement und ihrer Begeisterung ansteckend wirkten.

Ordensgemeinschaften – gar nicht so exotisch!

Ferdinand Kaineder, Mediensprecher der Ordensgemeinschaften Österreichs, war am Zustandekommen dieser Veranstaltung wesentlich beteiligt und hat am Beginn ein paar grundsätzliche Dinge über das Ordensleben erzählt. Ich habe in diesen Tagen viel über Ordensgemeinschaften gelernt. Zum Beispiel, dass sie autonom sind von der Hierarchie der Amtskirche. Sie wählen ihre Äbte und Äbtinnen, und ob das dem Bischof gefällt oder nicht, das ist ihnen ziemlich egal.

Und, natürlich gibt es unterschiedliche Gemeinschaften, aber viele spüren die gleichen Probleme durch die Ökonomisierung der Gesellschaft, wie andere Organisationen auch und sie entwickeln ähnliche Konzepte dagegen. Ferdinand Kaineder hat es sehr pointiert so formuliert: diejenigen Gemeinschaften, die im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich tätig sind, sind „gefangen im Excel-Formular“, sie müssten also als allererstes darauf achten, das die Zahlen stimmen. Ein Problem, das sie mit weltlichen Organisationen in diesem Bereich teilen. (Ist zwar nicht ganz politisch korrekt für Commoners, doch ich denke, eine Open Source Tabellenkalkulationsprogramm würde daran kaum etwas ändern ;), also lassen wir es vorerst beim Begriff den jeder kennt). Was er noch sagte: die Ordensgemeinschaten hätten es wohl etwas leichter, sich dem zu widersetzen. So wurde in Oberösterreich etwa in den Ordensspitälern gegen die Kürzungen im Gesundheitswesen gestreikt, während sich die Gewerkschaft in den öffentlichen Krankenhäusern nicht dazu durchringen konnte. Und Sr. Anna, die schon seit Jahren Häuser für Flüchtlinge führt, meinte, was soll mir denn schon passieren, wenn ich „illegale“ Flüchtlinge unterbringe. Meine Existenz ist abgesichert, ich gehöre zu einer Gemeinschaft, die es in 50 Ländern der Welt gibt, warum soll ich mich nicht einmal mit der deutschen Regierung anlegen, ich kann doch überall arbeiten. Beide Ordensschwestern betonten die Freiheit zum Handeln, die ihnen die Absicherung durch ihre Ordenszugehörigkeit gebe. Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt, den wir im Auge behalten sollten.

Ein weiterer interessanter Punkt: die meisten religiösen Orden entstanden in Zeiten mit gesellschaftlichen und sozialen Schieflagen, als Reaktion auf konkrete gesellschaftliche Probleme – und das ist ja durchaus auch eine Gemeinsamkeit mit den vielen heutigen Gemeinschafts-Initiativen.

Die Führungskultur

Und ich hab mir natürlich für meinen Vortrag überlegt, wo es denn Gemeinsamkeiten zwischen den Regeln des Benedikt (die dort in jedem Zimmer aufliegen – es ist ziemlich beeindruckend in diesen überdimensionierten Gängen und Räumen zu wohnen) und den Bauprinzipien der Commons von Elinor Ostrom gibt. Bevor ich dazu komme, möchte ich noch auf einen Aspekt der Führungskultur in den frühen christlichen Orden hinweisen, mit dem sich Michel Foucault beschäftigt hat. In „Die Geschichte der Gouvernementalität I“ hat er sich mit verschiedenen Begriffen von „Führung“ oder „Regierung“ beschäftigt und wie diese sich im Lauf der Zeit und in verschiedenen Kulturen verändert haben. Das Bild des „Guten Hirten“ als Führungsmodell in den christlichen Orden spielte aus seiner Sicht dabei eine wichtige Rolle.*

Die frühen Orden, die, so wie der Orden des Benedikt von Nursia, aus dem später die Benediktiner hervorgingen, um 500 entstanden, befanden sich in dem Spannungsfeld zwischen der noch nicht ganz beendeten Christenverfolgung und dem einsetzenden Trend zum Christentum als Staatsreligion. Die Gründung von Orden war eine Form des Widerstands gegen die Institutionalisierung der Kirche und ihre Machtansprüche. Ihr Anspruch war, ihre Beziehung zu Gott (dessen Existenz war in dem damaligen Weltbild unhinterfragbar, nicht jedoch die Legitimität seiner selbsternannten weltlichen Vertreter) selbst und unmittelbar gestalten zu wollen. Manchen Ordensgründern könnte man also durchaus anarchistische Beweggründe unterstellen. Zwar entwickelten sich in den Orden Führungsstrukturen, allerdings entsprach die Auffassung von Führung dem Bild des „Guten Hirten“, der nicht über seine Herde befehlen, sondern für sie sorgen und ihr Bestes verfolgen sollte. Die Aufgabe des guten Hirten ist es, aus jedem seiner Schafe das Beste herauszuholen, jedem ganz individuell seinen Weg zeigen. Der Hirte wird von Gott für die optimale Entwicklung seiner Schafe zur Verantwortung gezogen. Das würde bei uns z.B. heißen, dass die Lehrer die Noten bekommen würden, nicht die Schüler. Dieses Bild von Führung hat sich im Lauf der Zeit verändert – in den Regeln des Benedikt sind jedoch genau das die Aufgaben des – von allen Mönchen gewählten – Abtes. Das erinnert mich doch sehr an das, was wir mit Selbstentfaltung meinen oder was Frithjof Bergmann meint, wenn er sagt, jede/r solle herausfinden was er oder sie „wirklich, wirklich will“. Da gibt es also schon eine Parallele zur Commonsdiskussion, wenn man sie eben auf die jeweilige Zeit umlegt.

Orden und Commons

Überhaupt ist das eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Orden und Commons: Es gibt sie schon sehr lange und wir können sie nicht einfach von früheren Generationen kopieren. Wir haben vorwiegend zwei Arten mit Traditionen umzugehen. Entweder wir stellen sie auf ein Podest oder ins Museum und sagen, das ist die Tradition unserer Vorfahren, das müssen wir ehren und hochhalten, da dürfen wir nichts ändern daran. Oder aber – und oft vielleicht als Reaktion auf diesen Umgang – sagen wir dann, das ist alt und primitiv und das können wir heute nicht mehr brauchen, weg damit, damit Platz für Neues wird. Nur selten versuchen wir einen dritten Weg: die Muster oder Prinzipien herausfinden, versuchen, zu verstehen, was das für die Menschen damals bedeutet hat und diese Prinzipien mit den Inhalten füllen, die für die heutige Situation angemessen sind.

Andere Gemeinsamkeiten, die ich fand sind die Vorstellung, dass individuelle Entfaltung und das Wohl der Gemeinschaft keinen Widerspruch darstellen, sondern sich gegenseitig bedingen und verstärken und in dem Bestreben, Arbeit so zu gestalten, dass sie als lustvoll empfunden wird. Wenn etwa detailliert aufgezählt wird, welche Entschädigungen die Mönche bekommen, für Tätigkeiten, die anscheinend schon damals unbeliebt waren, wie Küchendienst (fragt mich bitte nicht warum gerade der so unbeliebt gewesen zu sein scheint, dass er eigener Regeln bedurfte, ich hätte da auch gerne eine Antwort drauf), dann klingt das ein bisschen wie die Diskussionen, die wir heute führen, wenn wir überlegen, wie wir Arbeit gut verteilen könnten, bzw. so organisieren könnten, dass sie mehr Spaß macht, so wie zum Beispiel hier beschrieben (im zweiten Teil des Beitrages).

Nun aber zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Regeln des Benedikt und den Bauprinzipien für Commons von Ostrom. Eines der Prinzipien sagt ja, dass die Regeln von allen gemeinsam gemacht werden müssen. Das ist bei Orden sicher nicht erfüllt. Zwar hat sich Benedikt diese Regeln nicht aus den Fingern gesogen. Auch zu seiner Zeit hab es eine Vielzahl von Versuchen alternativer Lebensformen, alleine oder in Gemeinschaft. Er hat versucht, diese Erfahrungen in seine Regeln einfließen zu lassen. Aber die Tatsache bleibt bestehen, dass er die Regeln geschrieben hat und wer dem Orden beitreten will, muss sie akzeptieren. Dabei ist aber zu bedenken, dass wir die Entstehung der Regeln auch bei sehr alten Commons nicht nachvollziehen können und dass auch die Commons der Feudalzeit oder in Entwicklungsländern nicht unbedingt hierarchiefrei waren und sind, während das für viele der heutigen Gemeinschaften ein wichter Anspruch ist. Für diese traditionellen Commons hat auch Ostrom eine Einschränkung getroffen. Sie sagt, der Mindestanspruch ist, dass alle die Regeln kennen und auch als angemessen und fair empfinden. Und das kann man auch von den Regeln des Benedikt sagen, schließlich wurde niemand gezwungen, in einen Orden einzutreten. Er konnte die Entscheidung in Kenntnis dessen, was ihn erwartet, fällen.

Was die Entscheidungsfindung im alltäglichen Leben betrifft, so ist das durchaus nicht so hierarchisch, wie wir uns das vielleicht vorstellen. Noch heute hat der Abt eher die Funktion eines Kümmerers als eines Führers. Iris Kunze hat eine Studie über Gemeinschaften gemacht und dabei auch Ordensgemeinschaften untersucht.** Auf die Frage, wer Entscheidugnen träfe, war die Zahl der Nennungen für „Entscheidungen werden im Plenum getroffen“ bei Ordensgemeinschaften und anderen etwa gleich hoch (auch wenn es die Ordensgemeinschaften vermutlich nicht Plenum nennen). Auch in den Regeln des Benedikt steht, dass der Abt auf den Rat seiner Mitbrüder hören soll, wenn er Entscheidungen trifft.

Die anderen Prinzipien von Ostrom sind durch die Ordensregeln gut abgedeckt. Für die Regelung interner Konflikte gibt es genaue Vorgaben, die Autonomie von der Amtskirche ist festgeschrieben – wenngleich sie natürlich, wie bei den Commons, in der wechselvollen Geschichte der Orden immer umkämpft war.

Strukturelle Gemeinschaftlichkeit und intentionale Gemeinschaften

Bevor ich aber auf diese Gemeinsamkeiten einging, habe ich einiges zu dem Begriff „Gemeinschaften“ grundsätzlich gesagt und dass wir diesen normalerweise in der Commons-Diskussion nicht so gerne verwenden. Wir wollen vermeiden, dass der Eindruck entsteht, für Commons brauche es kleine, geschlossene Gesinnungsgemeinschaften. Weil Mitgliedschaft dann nur durch Bekehrung möglich ist, hätte das eine ausschließende Wirkung. Das ist natürlich nicht wünschenswert, wenn es um die Befriedigung der Grundbedürfnisse geht, wie Wasser, Nahrung oder Energie. Daher sprechen wir eher von NutzerInnen oder von Commoners. Und anstatt von „Gemeinschaft“ sprechen wir von „struktureller Gemeinschaftlichkeit“. Das war mir wichtig, damit kein einseitiges Bild der Commons-Diskussion entsteht.

Aber da gibt es natürlich Abstufungen, je nachdem, was man als Commons organisieren will. Geht es um Wasser oder Energie, ist es nicht nur nicht notwendig, dass die Menschen, die sie herstellen und nutzen eine Weltanschauung teilen, es wäre sogar schädlich. Beim Gemeinschaftsgarten ist es schon anders, da ist es schon so, dass die Beteiligten bestimmte Ansichten des Umgangs miteinander und der Arbeitsteilung und Nutzungsweise teilen sollten. Darum entstehen dann ja auch viele Gärten, je nach den Interessen und Bedürfnissen der GärtnerInnen, trotzdem sollte das auch noch nicht bis in persönliche Einstellungen hinein reichen. Will ich aber mit jemandem zusammen wohnen, da ist es schon legitim, dass ich mir die Menschen so aussuche, dass sie auch meine Vision einer besseren Gesellschaft so einigermaßen teilen und das wir auch im Privatleben gut miteinander auskommen. In diesem Fall ist es dann legitim von „intentionalen Gemeinschaften“ zu reden, wie es die Soziologie tut, wenn sie sich mit diesen neuen Phänomenen beschäftigt. Und natürlich können auch Gemeinschaften Commons machen und dann kann man schauen, inwiefern die Commons-Prinzipien für Gemeinschaften von Interesse sind.

Aus der Praxis des Commoning

Auch nicht-religiöse Gruppen stellten sich vor und berichteten aus ihren Erfahrungen. Die „Flucht aus dem Excel-Formular“, die Suche nach Alternativen zur Markt- und Konsumlogik, ist auch für sie die Hauptantriebskraft für ihr Tun. Anders mit Geld umzugehen, das steht etwa auch auf dem Programm des Zentrums der Einheit Schweibenalp. Ein sehr interessantes Projekt in der Schweiz, ein Tagungs- und Seminarhaus, wo in 1300m Höhe Selbstversorgung – nicht nur für die dort Wohnenden, sondern auch für das Tagungshaus – durch Permakultur angestrebt wird und schon weitgehend verwirklicht ist. Dort wurde letztes Jahr die Führungsstruktur abgeschafft, die einzelnen Arbeitsbereiche, „Waben“ genannt (es gibt auch Bienenzucht dort ;)), organisieren sich autonom und stimmen sich miteinander ab. Ein Musterbeispiel für „polycentric governance“ im Kleinen, Koordination von unten anstatt Führung von oben. Das Bild der Waben die ineinander greifen, gefällt mir gut dafür. Aus meiner Sicht ist das ein wesentlicher Unterschied zu der auch immer wieder von Gemeinschaften angewendeten Methode der Soziokratie, die an diesem Wochenende auch häufig erwähnt wurden. Diese ist immer noch eine Organisation von oben, auch wenn es sich, laut Eigendefinition, um eine „funktionale Hierarchie“ handelt.

Auch beim Umgang mit Geld wird experimentiert. Die einzelnen Waben bekommen einen bestimmten Geldbetrag, von dem sie einerseits ihre Materialien kaufen müssen, die Koch-Wabe etwa die Lebensmittel, die zugekauft werden müssen, und den Rest beliebig zur Bezahlung der Mitarbeitenden verwenden können. Sie können frei entscheiden, wie vielen Menschen sie welche Betrag zahlen wollen, ob sie nach Stunden bezahlen, ob alle gleich viel bekommen oder ob auf die Bedürfnisse geachtet wird.

Manche Gemeinschaften haben eine gemeinsame Ökonomie, d.h. sie legen ihr Geld zusamen und jeder nimmt was er braucht. Eine Ordensschwester, so haben wir erfahren, hat kein eigenes Geld. Wenn ich etwas brauche, bekomme ich es, so erzählen sie. Nicht alle bekommen gleich viel, niemand sagt, was du brauchen darfst – wenn ich etwas brauche, bekomme ich es. Da funktioniert es, unser Ideal für eine andere Gesellschaft! Die größte gemeinsame Ökonomie haben aber wohl die Franziskanerinnen, sie haben weltweit einen gemeinsamen Geldtopf, der von einer Stelle in Rom, deren Namen ich vergessen habe, koordiniert wird. Wem etwas übrig bleibt, der legt es in den Topf, wer zuwenig hat, meldet dort Bedarf an. Nicht nur immaterielle Commons lassen sich also weltweit koordinieren!

Thomas Wallnig arbeitet an der Uni zur Wissensproduktion in den Klöstern. Peer Produktion war dort Standard, Wissen wurde geteilt, frei gegeben, kommentiert und verändert, so erzählte er uns. Zur monastischen Kultur gehörte ein kritischer Umgang mit Wissen, nicht ein so dogmatischer wie ihn die Amtskirche vertritt.

Brückenbau

Für beide Seiten taten sich neue Welten und Einsichten auf, die Überraschung, wie viele Gemeinsamkeiten es gibt, wie ähnlich die Herausforderungen und Praktiken und die Beweggründe sind, war auf beiden Seiten spürbar. Das Interesse wurde geweckt – Pater Martin aus dem Stift Melk hat mich um meine Präsentation gefragt und meiner Analyse der Regeln seines Ordens durch die Commons-Brille zugestimmt. Mal schauen, was da noch rauskommt ;).

Alles in Allem, denke ich, sind auch Ordensgemeinschaften Commoners und Klöster Commons, die im Laufe ihrer Geschichte immer wieder von Fürsten, Kaisern, Bischöfen und Päpsten für deren Machtspiele instrumentalisiert, eingehegt und auch aufgelöst wurden. Die sich aber auf Grund ihrer Anpassungsfähigkeit – auch das ein wichtiges Prinzip bei Ostrom: die Regeln müssen bei sich ändernden Rahmenbedingungen veränderbar sein – doch über Jahrhunderte erhalten konnten. Heute sind sie nicht nur ebenso von der Dominanz des Marktes und Konsumdenkens bedroht wie nicht-religiöse Commons, sondern auch noch von den tiefgreifenden Veränderungen der Spiritualität. Und sie stehen wieder vor der Herausforderung auf solche sich ändernden Umweltbedingungen zu reagieren. Für manche von ihnen, so gewann ich den Eindruck, könnte ein Übergehen in eine neue Form spiritueller oder auch nur intentionaler Gemeinschaftlichkeit, ein Zusammenwachsen mit neuen Gemeinschaften, ein Weg zum Überleben sein. Und das ist auch eine der Motivationen für diese Zusammenführen der verschiedenen Welten: die vielen Klöster, die nur noch von wenigen Menschen bewohnt werden, böten viel Potenzial für neu entstehenden Gemeinschaften. Wenn die Orden verstehen und respektieren, dass hier auch von weltlichen Gemeinschaften die Prinzipien ihrer Tradition auf zeitgemäße Weise weiter gelebt werden könnten, könnte dieses Potenzial genutzt werden.

Das war jetzt wieder mal sehr lang, kürzer konnte ich es nicht. Und es gibt noch mehr darüber, auf der Webseite der Ordensgemeinschaften und im Blog von Ferdinand Kaineder.

*Foucault schreibt dazu in „Sicherheit, Territorium, Bevölkerung. Geschichte der Gouvernementalität I“ auf Seite 189: „“Während die pastorale Macht, wie ich denke, gänzlich durch ihre Wohltätigkeit definiert ist, liegt ihre Daseinsberechtigung lediglich darin, das Gute zu tun … Das Heil der Herde ist in der Tat für die pastorale Macht das wesentliche Zielobjekt.“

**Nachzulesen im Buch:
Iris Kunze (2009): Soziale Innovationen für eine zukunftsfähige Lebensweise. Gemeinschaften und Ökodörfer als experimentierende Lernfelder für sozial-ökologische Nachhaltigkeit. ecotransfer-Verlag, Münster