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Das Dilemma der Sozialdemokratie und die Commons

Landtagswahlen sind im Anzug – und die Spitzenkandidaten müssen den Medien Frage und Antwort stehen und versuchen dabei, die besten Auswege aus der Krise zu präsentieren.

Zum Beispiel Landeshauptmann Voves heute im Standardinterview: er betont seine Herkunft aus einer kommunistischen Arbeiterfamilie, dass ihm soziale Gerechtigkeit ein Anliegen ist glaubt man ihm, schließlich ist er für seine emotionalen Auftritte diesbezüglich bekannt. Aber in der Politik muss er pragmatisch sein, er will einen „Weg der Mitte“ gehen und sagt:

„Du musst wissen: ohne Wirtschaftswachstum gibt es keine Beschäftigung und du kannst nichts umverteilen. Da kannst du dich höchstens ins Franziskanerviertel setzen und bei ein paar Bier über Ideologie diskutieren. Nur welche Folgen hat es für die Bevölkerung, wenn es kein Wirtschaftswachstum gibt? Die Wirtschaft muss daher konkurrenzfähig bleiben. Also ist für mich wichtig: Ich brauche eine starke wirtschaftliche Steiermark, Infrastruktur, Forschung und Bildung. Nur wenn ich diese Voraussetzungen schaffe, kann ich dann als Sozialdemokrat soziale Gerechtigkeit und Verteilungsgerechtigkeit einfordern.“

Besser kann man es nicht formulieren das Dilemma in dem Sozialdemokraten und Gewerkschaften in ganz Europa gefangen sind. Erst muss die Wirtschaft wachsen, erst müssen wir wettbewerbsfähig sein, dann erst kann es Umverteilung und Gerechtigkeit geben. Das ist kein Weg der Mitte, damit sind sie in der Geiselhaft der Profit-, Wachstums- und Wettbewerbslogik, sie müssen ständig den Forderungen „der Märkte“ nachgeben, und da gibt es keinen Weg heraus, der nur annähernd soziale Gerechtigkeit verheißt.

Aber auch den Grünen geht es ähnlich, sie wollen die Umwelt schützen, den Klimawandel bekämpfen und dabei noch Arbeitsplätze schaffen und in Bildung und Forschung investieren. Wie das gehen soll? Erraten – durch Wirtschaftwachstum und Wettbewerbsfähigkeit.

Dabei gibt es ein Problem: Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit erhöhen soziale Ungerechtigkeit, erhöhen den Ressourcenverbrauch und den CO2-Ausstoß (auch wenn die „grünen“ Technologien umweltfreundlicher sind, das Wachstum gleicht es wieder aus), sie zerstören Arbeitsplätze, sie verringern Lebensqualität, machen krank und zerstören die soziale Qualität einer Gesellschaft. Christian Felber hat es schon vor vielen Jahren gesagt: Wir opfern Wohlstand und Lebensqualität für Wettbewerbsfähigkeit, damit uns diese – hoffentlich – wieder Wohlstand und Lebensqualität bringen soll. Daran hat sich seit damals nichts geändert, die Widersprüche haben sich nur noch verschärft.

Das Wachstum stößt an seine Grenzen, an die der natürlichen Umwelt aber auch an politische. Der Erfolg der europäischen Wirtschaft war seit jeher nur möglich, weil sie Ressourcen aus den Ländern des globalen Südens abzog. Erst Sklaven, dann Lebensmittel, Mineralien, Erdöl, nun das Genom der Pflanzen, die seit Jahrhunderten von indigenen Völkern genutzt werden, Stickstoff (durch den Export von jeder Menge Futtermittel) und die gut ausgebildeten Arbeitskräfte. Diese imperiale Lebensweise ist nicht mehr länger aufrecht zu erhalten, zu groß sind die weltweiten Widerstände und das kann auch nicht unser Ziel sein. Die Wachstumsideologie gehört endgültig auf der Mülldeponie der Geschichte entsorgt.

Wir können uns alles was wir zum Guten Leben brauchen nur über den Umweg über Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit vorstellen, diese stehen aber im Widerspruch zu sozialer Sicherheit, zu Gerechtigkeit, zu ökologischer Nachhaltigkeit, zu allem was zu einem guten Leben gehört. Und außerdem kann man sie dann noch gegeneinander ausspielen: Umweltschutz gegen Arbeitsplätze, Bildungsinvestitionen gegen Investitionen in Pflege, Forschung gegen Mindestsicherung.

Im Wahlprogramm der KPÖ findet sich keine Wachstumseuphorie, sie wollen die Kinderbetreuung, die Pflege, die Krankenhäuser, die gerechte Bezahlung erst einmal durch höhere Vermögenssteuern finanzieren. Das ist schon besser, aber auch nicht wirklich eine Zukunftsperspektive. Und wenn einer kommunistischen Partei zum Thema Demokratie nichts Besseres einfällt als eine Stärkung der öffentlichen Dienstleistungen ist das nicht unbedingt überzeugend. Eh gut, dass sie für öffentliche Dienstleistungen eintreten – als einzige noch – aber Demokratie sollte doch noch ein wenig mehr sein.

Natürlich, die rechten Parteien tun sich da leichter, sie haben gar nicht den Anspruch, dass es ein gutes Leben für alle geben soll, auch streben sie nicht nach mehr Demokratie, sondern nach mehr Recht und Ordnung. Geld soll es entweder nur für „unsere Leute“ – wer immer das auch ist – geben, oder eben für die Fleißigen und Tüchtigen.

Wünschenswerte Auswege aus den vielen Dilemmata sind das auch nicht. Wir müssen heraus aus der Logik, die sich rund um Lohnarbeit, Privateigentum, Äquivalenztausch, Wachstum und Wettbewerb entfaltet. Wir brauchen ein anderes Denkmodell für die soziale Reprodukion unserer Gesellschaft. Ich denke nach wie vor, dass die Idee der Commons etwas dazu beitragen kann. Ich glaube nicht, dass Commons alle Probleme lösen, sie heben auch nicht Konflikte und Interessensgegensätze auf. Aber, im Gegensatz zum Marktmodell, sind einer Commons-Perspektive diese vielen Widersprüche zwischen sozialen und ökologischen Zielen, zwischen Existenzsicherung, Mitbestimmung und Menschenrechten nicht immanent. Wenn man gute Regelungen findet, dann kann man diese Ziele gleichzeitig erreichen. Um diese Regelungen muss man streiten, trotz dieser Regelungen können Konflikte auftreten, aber diese grundsätzlichen Zielwidersprüche existieren in Commons nicht.

Darum ist es auch sehr erfreulich, dass die Gemeingüter im Aufwind sind – wie es in einem Artikel heißt, den Silke Helfrich und ich kürzlich geschrieben haben (nachzulesen hier). Er ist erschienen in der letzten Ausgabe des Inkotabriefes „Renaissance der Gemeingüter“ und dieser wieder dient der Vorbereitung der diesjährigen INKOTA Tagung vom 1. – 3. Oktober in Berlin mit dem Titel „Wem gehört die Welt?“. Ich darf dort den Einführungsvortrag halten – das empfinde ich als eine Ehre und eine große Herausforderung zugleich, die mich gerade sehr beschäftigt. Ich hoffe, ich kann den Erwartungen gerecht werden, ihr dürft mir gern die Daumen halten.

Dann gibt es am 15. Oktober, dem Welttag der Commons, zum ersten Mal ein Commons-Veranstaltung in Wien. Die hat mich davor beschäftigt. Im Frühling schon haben Silke und ich den Plan ausgeheckt, dass wir dieses Thema auch in Österreich auf die Tagesordnung bringen wollen. Auch das war eine Herausforderung, ich wusste nicht, ob es funktionieren würde, von Graz aus und ohne Organisation im Hintergrund so etwas zu organisieren. Es hat funktioniert. Es haben sich viele Menschen und Organisationen gefunden, die diese Veranstaltung finanziert und mich bei der Vorbereitung tatkräftig unterstützt haben und es noch tun – weil auch ihnen das Thema wichtig ist und wir wollen, dass es auch in Österreich diskutiert wird. Mal abwarten, was herauskommt. Sollte jemand aus dem LeserInnenkreis sich zufällig zu dem Zeitpunkt in Wien aufhalten, ihr seid natürlich herzlichst eingeladen.

Anfang November dann bin ich wieder in Berlin. Die Heinrich Böll Stiftung organisiert eine große internationale Commons-Konferenz mit 150 internationalen ExpertInnen. Da geht es genau darum, welche politischen Rahmenbedingungen Commons brauchen, um zu entstehen und zu bestehen.

“The simple yet powerful and complex question to be explored throughout the conference is: What does a commons-based policy framework look like? What already exists and what do we still need to develop to nurture and protect diverse sorts of commons?”

So steht es in der Einladung. Ich kann im Supportteam dabei sein und sicher viele spannende Menschen und Ideen kennenlernen.

Und dazwischen gibt es noch das Elevate-Festival, da geht es zwar nich um Commons aber um andere interessante Dinge und ich bin auch heuer wieder bei der Organisation dabei, einen Block zum Transition-Movement – das passt durchaus zum Thema, die sind auch auf der Berliner Konferenz vertreten. Und im November gibt es dann noch eine Einladung an die Philips-Universität in Marburg an der Lahn, da geht es natürlich auch um Gemeingüter. – Ja, ich frag mich auch schon langsam, wozu ich eigentlich eine Wohnung in Graz bezahle ;-).

Heute zumindest war ich zu Hause und ich war laufen, wie immer die Mur entlang. Der Herbstwind wehte die bunten Blätter stromaufwärts. Sobald sie ins Wasser fielen wurden sie doppelt so schnell mit der Strömung wieder in die Gegenrichtung mitgerissen. Für mich ein Bild mit Symbolkraft – die vielen bunten Blätter für die vielen Versuche, Alternativen zu leben. Wird es auch uns so gehen, dass wir irgendwann wieder im „Mainstream“ eintauchen und dann doppelt so schnell in die andre Richtung mitgerissen werden? Oder schaffen wir es, so viele zu werden, dass wir den Strom aufhalten können oder zumindest die Strömungsgeschwindigkeit verlangsamen?

4 thoughts on “Das Dilemma der Sozialdemokratie und die Commons

  1. Nicht nur die Wachstumsideologie ist relevant, sondern nach wie vor ist auch die Eigentumsfrage zentral. Und da muss man in Bezug auf die Parteien halt schon sagen, dass sowohl SPÖ als auch die Grünen bei der Privatisierung öffentlichen Eigentums mitwirken und mitgewirkt haben.
    In Deutschland auch die Linkspartei.
    Bei der Commonsthematik habe ich den Eindruck, dass der Zugang zur Eigentumsfrage ein anderer ist bzw. diese in der Form gar nicht wirklich gestellt wird, weil es anscheinend nur darum geht, einen dritten Bereich neben „staatlich“ und „privat“ aufzubauen (wenn ich das richtig mitbekommen habe). Das „große Ganze“ (der Staat als Sicherungsorgan des höchsten bürgerlichen Gutes, des Privateigentums, ausgerüstet mit Polizei und Militär) wird dabei leider nicht mehr diskutiert… – welche Perspektive bieten Commons in der Hinsicht?

  2. Hi Tobias, das möchte ich mal schnell kommentieren. Die Eigentumsfrage wird sehr wohl gestellt, aber anders beantwortet als man das aus der gängigen Polarisierung öffentlich vs. privat so kennt. Etwa so:
    Es gibt mehr als öffentliches (staatliches) und Privateigentum – es gibt jede Menge andere kollektive Eigentumsformen, die muss man wieder in den Blick nehmen.
    Aber die Frage, WER etwas sein Eigentum nennt, sagt noch nicht sehr viel aus über die nachhaltige Nutzung von Ressourcen.
    Entscheidender als die Frage, WER Eigentümer ist, ist daher, wie Zugangs- und Nutzungsrechte konkret ausgestaltet sind. Und wenn man das aus Commonsperspektive diskutiert, dann heißt das schonmal, dass individuelle, absolute Verfügung über eine Sache (Ressource) nicht der Königsweg sein kann.
    Wir sagen immer. „Exklusives Eigentum an Gemeingütern kann es nicht geben.“

  3. Und ich muss noch etwas ergänzen, das ich auch schon das eine oder andere Mal geschrieben hab und auch Silke hier:
    http://commonsblog.wordpress.com/2010/04/10/revolution-ist-nicht-fur-gemeinguter-kampfen-sondern-durch-sie/
    Das bedeutet, dass Commons, eben der Raum, wo Menschen unabhängig vom Staat organisieren können, eine Voraussetzung sind, um an Machtverhältnissen etwas ändern zu können und nicht so sehr das Ziel. Damit Menschen wieder politisch aktionsfähig werden brauchen wir Commons.

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