Nun ist einige Zeit vergangen. Ich habe eine kurze Rundreise durch Bosnien gemacht – darüber später ein ausführlicher Bericht. Nun bin ich wieder in Velika Kladuša und seit Montag sind Restaurant und Shop hier wieder in Betrieb, das heißt, für Volunteers hier ist der „Normalzustand“ wieder hergestellt, wenn auch weiterhin ohne Klarheit über die rechtliche Situation. Das Restaurant wird ja von Menschen aus VK betrieben. Männer, die selbst im Krieg gekämpft haben, die Hunger erlebt haben, und die sagen, wir wissen, wie das ist und wir wollen anderen Menschen in der gleichen Situation helfen. Wie hoch der Bedarf ist, kann man daran sehen, dass bereits ab 10 Uhr eine Menschenansammlung vor dem Restaurant beginnt und täglich zwischen 300 und 400 Mahlzeiten ausgegeben werden, wobei manche sich auch 2mal holen.
Sobald die Menschentrauben zu dicht werden, kommt die Polizei und versucht die Straße freizuhalten, mit mäßigem und kurzfristigem Erfolg, ansonsten beschränkt sie sich bisher darauf, zu beobachten, was hier geschieht. Der Betrieb im Shop beginnt, wenn das Restaurant geschlossen wird. D, als einziger „Einheimischer“ macht den Empfang an der Tür, wir Ausländer*innen arbeiten im Hinter- bzw Untergrund, weil der Shop im Kellergeschoß ist. Auch hier ist der Andrang groß und es ist schwierig, Dinge einigermaßen gerecht zu verteilen, noch dazu, wo wir einfach vieles, was die Menschen für das „Spiel“ brauchen, gar nicht (mehr) haben: Rucksäcke, Schlafsäcke, wandertaugliche Schuhe. Manche kommen dann rein, schauen unter alle Regale und in alle Ecken, weil sie es nicht glauben können. Auch Hosen, T-Shirts, Jacken und Pullover sind nicht immer in ausreichender Menge und Qualität da. Die Menschen die zu uns kommen sind wie überall, manche supernett, manche eher lästig, manche sehr modebewusst, manchen geht es einfach drum, dass das Ding warm ist …
Ich habe nun einige Tage die Arbeit im Shop erlebt und muss sagen, alle Hochachtung vor denen, die das über Wochen und Monate tun! Es gibt das Gefühl, hier etwas wirklich Notwendiges und Sinnvolles zu tun, gleichzeitig bleiben die Widersprüche und es kommt mehrmals am Tag zu angespannten Situationen, weil wir eben nicht alle Bedürfnisse befriedigen können, manche lange warten müssen – mehr Volunteers wären hilfreich, manchmal sind wir nur zu dritt, das ist einfach zu wenig für die vielen Menschen – weil sich andere ungerecht behandelt fühlen; weil jeder eigentlich das Recht hätte, zu bekommen, was er zum Leben braucht und die Menschen das auch so sehen und manche halt dann uns dafür verantwortlich machen, dass sie nicht bekommen, was ihnen zusteht; weil einige traumatisiert sind, manche ständig unter Druck stehen – wo bekomm ich was zu essen her, wo kann ich schlafen, wie kann ich mich schützen, und immer am Sprung zum nächsten „Game“ …
Heute ist mein letzter „Arbeitstag“ hier, Sonntag komme ich wieder nach Hause und möchte dann von dort aus weiter an dem Thema dran bleiben. Das umfasst für mich drei Aspekte: Einwerben von Sach- und Geldspenden, mehr Aufmerksamkeit in Öffentlichkeit und Medien, Aktivitäten auf der politischen Ebene – weil eigentlich nur dort eine Bearbeitung der Probleme möglich ist.
Dazu ist es hilfreich, dass diese Woche mehrere Menschen aus Österreich und der Schweiz hier in VK waren, um sich die Situation anzuschauen und in ihrem Umfeld etwa die gleichen Dinge zu tun. Wir versuchen, ein größeres Netzwerk aufzubauen, das die Situation an den Grenzen der EU im Blickfeld der Öffentlichkeit hält, damit diese Situation nicht als „Normalzustand“ für die Betroffenen und für die EU akzeptiert und vergessen wird.