Der Weltuntergang ist nicht eingetreten und die Krise haben wir auch mit Bravour überstanden, so könnte mensch zumindest glauben, wenn es nach der Bilanz der Banken und Börsen geht. Noch mal Glück gehabt, oder?
Der Kollaps ist jetzt!
Der Untergang der Menschheit, – denn die Welt wird nicht gleich untergehen, wenn die Menschheit sich vom Erdboden verabschiedet, eher vielleicht sogar im Gegenteil 😉 – so glaube ich, vollzieht sich jedoch nicht als biblische Katastrophe, der Kollaps geschieht nicht von einem Tag auf den anderen, mit einem klaren Davor und Danach. Der Kollaps ist möglicherweise gerade im Gange, trotz – oder gerade wegen – der dazwischen immer wieder aufflackernden Erfolgsmeldungen. Der Kollaps manifestiert sich gerade darin, dass all diese Erfolge widersprüchlich sind und an anderen Stellen im System zerstörerische Auswirkungen hervorrufen, dass sich das System mit seiner eigenen Logik nicht mehr aus dem Sumpf ziehen kann, Münchhausiaden funktionieren nicht mehr!
Zum Beispiel die Börsen: weil in der EU die Eurorettung das wichtigste Ziel war, was tatsächlich die Finanzmärkte wieder aufleben ließ – die Wetten auf dubiose Finanzprodukte sind beliebt wie eh und je – sind in Griechenland (wohlgemerkt, einem Euro-Land!) Menschen auf Hilfspakete angewiesen, Eltern geben ihre Kinder im Kinderdorf ab, weil sie kein Essen mehr für sie besorgen können, PensionistInnen müssen ihre Nahrung aus dem Müll suchen. Eine leider nicht zu vermeidende Nebenwirkung des Erfolges, da müssen wir durch, dann wird sich alles zum Besseren wenden, so der unverdrossene Optimismus der sogenannten Experten in Politik und Wirtschaft. Wird es sich natürlich nicht. denn die Zerstörung der Basis einer Wirtschaft, des Bereiches der sogenannten „Reproduktion“, zerstört unweigerlich auch diese selbst.
Den Euro zu retten und dabei Menschen hungern zu lassen, Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsausgaben zu kürzen und dafür die Sicherheits- und Militärausgaben zu erhöhen, um den zu erwartenden sozialen Unruhen begegnen zu können, das ist nicht die Rettung vor dem Kollaps, das ist der Zusammenbruch. Der Zusammenbruch eines Wirtschaftssystems, das von Anfang an auf tönernen Füßen stand, der Zusammenbruch aber auch einer Kultur, die sich als die fortschrittlichste auf dieser Erde wähnte und mit Diplomatie und mehr noch mit Gewalt, ihre Werte, ihre Logik, ihre Maßstäbe und Kriterien allen anderen Kulturen aufdrängen wollte.
Ursachen: Schubladendenken …
Den Euro zu retten und dabei Menschen hungern zu lassen, das ist als würde ein Baumeister bei einem einsturzgefährdeten Haus beginnen, das Dach mit goldenen Schindeln zu decken, anstatt die tragenden Fundamente zu stärken. Kein Baumeister, keine Architektin, käme auf die Idee, bei einem Haus alle Elemente – das Fundament, die tragenden Wände, die Fassade, das Dach, usw. – einzeln zu berechnen, so als stünden sie in keinerlei Beziehung zueinander. Genau das tun wir aber, wenn wir die Reproduktion unserer Gesellschaft organisieren. Wir trennen sie in einzelne Bereiche: Finanzwirtschaft – Realwirtschaft, Wirtschaft – Politik – Gesellschaft, Mensch – Natur. Für alle diese Bereiche gibt es Expertinnen und Experten, die ganz genau zu wissen glauben, wie die einzelnen Systeme funktionieren, aber sie reden nicht miteinander, und darum handelt die Politik, handeln wir alle so, als würden diese Bereiche nichts miteinander zu tun haben.
Schlimmer noch, wir tun so, als würden alle diese Dinge im Grunde nach der selben Logik funktionieren, der Logik des Systems, das den sichtbaren Teil des „wirtschaftlichen Eisberges“ darstellt, wie es feministische Ökonominnen formuliert haben (und genau genommen geht es heute nur mehr um die Spitze dieses sichtbaren Bereiches):
Nur der Teil des Eisbergs, der aus dem Wasser herausragt, nämlich Kapital und Lohnarbeit gilt bei uns üblicherweise als WIRTSCHAFT. Alle Nicht-Lohnarbeit – Hausarbeit, aber auch die Subsistenzarbeit von Bauern und anderen Selbstversorgern werden nicht zur Wirtschaft gezählt. Zu der „unsichtbaren Ökonomie“ zählen aber auch die Arbeit im sog.informellen Sektor, aber auch alle Kolonien und auch die Natur und ihre Produktion. Auf diese unsichtbare Ökonomie werden alle Kosten abgeschoben oder „externaliert“, die das Kapital nicht zahlen will.
Alle Systeme sollen sich nach der Logik des Marktes und des homo oeconomicus ausrichten, eindimensionale kausale Beziehungen, quantitativ messbar und berechenbar. Diese eine, sehr reduzierte Sichtweise wird der ganzen Gesellschaft und auch der Natur übergestülpt. Das ist so, als würden Architekten alle Bauteile des Hauses so berechnen, als wären sie ein Dach. Jede kann sich vorstellen, dass ein solches Haus nicht lange stehen würde. Für die Wirtschaft scheint es jedoch unumgänglich zu sein, dass alles funktionieren muss, wie ein Markt. Ein Sprichwort sagt, wen jemand als einziges Werkzeug einen Hammer hat, dann schaut jedes Problem wie ein Nagel aus. Wenn wir als einziges Werkzeug zur Veränderung der Welt Geld ansehen, dann bleibt uns als einziges Mittel der Problemlösung der Markt.
… und Reparaturlogik
Menschen werden zu KonsumentInnen, die mit ihrem Kaufverhalten die Wirtschaft retten sollen und zu Ich-AGs, die sich auf dem Arbeitsmarkt im ständigen Wettbewerb mit allen anderen Menschen befinden. Die Natur wird zum Ressourcenpool, der immer noch effizienter ausgebeutet werden muss. Und weil wir all unsere Institutionen und Organisationen nach dem Vorbild des Marktes planen und organisieren, erzeugen wir immer mehr Knappheit, darum müssen wir immer mehr produzieren, die Wirtschaft muss immer noch mehr wachsen. Die daraus resultierenden Probleme werden durch neue Technologien gelöst, was wieder zu Jobs und Wachstum führen soll. Wirtschaftswachstum entsteht nur mehr dadurch, dass wir die Schäden reparieren, die genau dieses wachstumsgetriebene System zuvor angerichtet hat. Daher können wir nicht daran gehen, die Ursache der Schäden zu beheben, das würde ja auf Kosten von Jobs und Wachstum gehen.
Ein weiteres Beispiel aus den heutigen Nachrichten: Die Asfinag hat ebenfalls eine erfreuliche Bilanz vorgelegt, sie hatte dieses Jahr mehr Einnahmen aus der Autobahnmaut als letztes Jahr. Schön für sie! Aber was heißt das? Entweder es sind mehr Autos gefahren – schlecht für die Umwelt, fürs Klima, für eine Reduktion des Ressourcenverbrauchs, für die Gesundheit, für die öffentlichen Kassen und für die SteuerzahlerInnen, die, wie wir wissen, Autofahren subventionieren. Oder die Maut ist teurer geworden – schlecht für die Menschen, die täglich zur Arbeit pendeln müssen und deren Kaufkraft in den letzten 14 Jahren kaum gestiegen (außer sie sind Beamte), gehören sie dem unteren Einkommenssegment an, sogar mehr oder weniger drastisch gesunken ist. Stimmt, hin und wieder wird die Pendlerpauschale erhöht – gut für die Pendler, schlecht für die öffentlichen Kassen und für die Umwelt und für die Gesundheit. Und natürlich werden die Mautpreise 2013 wieder erhöht. Gut für die Asfinag, schlecht für die Pendler – und die Zahl der Autos und der CO2-Ausstoß werden trotzdem nicht zurückgehen, fürchte ich, weil ja auch die Autoindustrie weiterhin gefördert werden muss, wegen der Jobs. Was vermutlich wieder mehr Pendler bedeutet. Die Katze beißt sich in den Schwanz, Problemlösung ist das keine.
Solange ein Unternehmen, das Energie verkauft, Autos oder Autobahnen baut, jährlich seine Rendite erhöhen muss, können der Energieverbrauch und der CO2-Ausstoß nicht zurückgehen, CO2-Abgaben in unterschiedlichster Form als Lösungen innerhalb der Marktlogik ändern nichts an den Auswirkungen, das Geld kann bestenfalls zur Behebung der Schäden eingesetzt werden, aber zuerst muss Zerstörung sein (Geld als einziges Werkzeug zur Problemlösung macht Umweltschäden zum Wachstumsmarkt!). Diese Analyse lässt sich auch auf Flugunternehmen, Computerhersteller, usw. ausdehnen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Gesundheitssystem – die Investitionen in die Pharma-Forschung von heute, sind die Steigerung der Gesundheitskosten von morgen. Wenn Gesundheit ein Wachstumsmarkt sein und bleiben soll, dann muss sie sich aufs Reparieren von Schäden spezialisieren, nicht aufs Vermeiden, denn das wäre mit der Geldlogik nicht messbar (wenn das einzige Werkzeug ein Hammer ist …).
Auswege: Anders denken, …
So weit, so schlecht. Wir brauchen also nicht nur ein anderes Wirtschaftssystem, sondern genau so dringend, oder damit ein solches überhaupt entstehen kann, eine andere Art zu denken und die Welt um uns und uns selbst wahr zu nehmen. Ein anderes Menschenbild (Menschen sind nicht „von Natur aus“ egoistisch oder sonst etwas. Sie haben auch die Fähigkeit zu Empathie, das Bedürfnis nach Beziehungen und Kooperation, sie wollen etwas Sinnvolles tun) ist ein Teil davon. Am wichtigsten aber wäre es, weg zu kommen von der Aufteilung der Welt in lauter isolierte Phänomene und damit einer Aufteilung der Wissenschaft in lauter SpezialistInnen mit Scheuklappen und einer Aufteilung der Politik in einzelne Bereiche, wo dann eine Hand nicht weiß, was die andere tut; und weg zu kommen von einem Wissenschaftsverständnis, das nur messbare Daten und monokausale Beziehungen zulässt, die man möglichst in mathematische Formeln gießen kann. Diese Denkweise, die jedes Ding in eine Schublade steckt und säuberlich von allen anderen trennt, die klare, unveränderbare Gesetze für das Funktionieren der Welt bereit hält, dient hauptsächlich dazu, den Status quo zu erhalten. Sie verbreitet Todesstarre, sie unterdrückt jegliches Leben, sie verhindert, dass Neues entstehen kann. Die Systemtheorie geht da zwar schon darüber hinaus und verwendet innerhalb einzelner Systeme andere Denkmodelle, trotzdem werden die einzelnen Systeme häufig noch als voneinander unabhängig wahrgenommen. Das macht es z.B. unmöglich, die Menschen als Teil der Natur zu sehen und nicht die Natur als etwas, das uns gegenübersteht und das wir objektiv analysieren und in das wir nach Belieben eingreifen können, ohne dass das auf uns selbst zurückwirken würde.
Was wir brauchen sind daher nicht-instrumentelle, nicht-trennende, nicht-quantifizierende, sondern auf Bezogenheit, Ganzheitlichkeit und Lebendigkeit gerichtete Formen des Erkennens und Denkens und in Folge dann auch des Handelns. Solche entstehen derzeit an ganz verschiedenen Orten – geografisch und inhaltlich – auf der ganzen Welt. Die Transformation ist – ebenso wie der Zusammenbruch – keine schlagartige Veränderung, sie ist ein Prozess, der bereits gleichzeitig mit dem und gegenläufig zum Zusammenbruch geschieht. Allerdings ist es nicht ausgemacht, welche Form der Transformation sich durchsetzen wird. Ebenso wie diese neue Art zu Denken und die daraus entstehenden Praktiken von Schenkökonomie, Commoning, Transition Towns und Ähnlichem erleben derzeit auch autoritäre und elitistische Ideen einen Aufschwung. Der Ruf nach starken Führern, nach mehr Kontrolle, nach einer Schließung von Grenzen und dem Ausschluss von Schwachen, Unliebsamen, Aufmüpfigen wird lauter. Ich denke, es kommt auf jede und jeden an, wir können uns entscheiden, auf welcher Seite wir stehen wollen, gerade in Zeiten des Umbruchs.
… genau hinschauen und hinhören …
Die Unterscheidung ist nicht immer ganz leicht, die Argumente klingen auf den ersten Blick oft sehr ähnlich. Andererseits neigen wir dazu, unsere alten Feindbilder zu reproduzieren, indem wir Ideen und Initiativen danach einteilen, von wem sie kommen. Wird ein Konzept von jungen Männer vertreten, dann ist das sicher nur etwas für Nerds, wenn eine Idee von Frauen gepusht wird, dann sind das natürlich wieder die lästigen Emanzen, kommt sie aus einem autonomen Jugendzentrum, dann sind das die linken Chaoten, von denen man sowieso nichts Sinnvolles erwarten kann und kommt sie gar aus den Chefetagen eines Unternehmens, dann wollen die uns doch nur noch besser ausbeuten. Das kann natürlich alles stimmen, aber sehr oft könnte es sich doch lohnen, genauer hinzuhören, was wirklich dahinter steckt und ob nicht alle diese Leute und noch viele mehr etwas ganz Wichtiges beizutragen haben für die Transformation zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft.
Den Unterschied machen weniger die Inhalte, sondern die Haltung, die dahinter steht, die Art, wie die Prozesse gestaltet werden. Werden Feindbilder aufgebaut, Sündenböcke benannt? Wird die Menschheit in zwei Teile geteilt, die Guten und die Bösen? Gibt jemand vor, er (viel seltener sie) wisse die einzig richtige Antwort, man müsse ihm (bzw. ihr) nur folgen? Werden also Führerfiguren, gar Gurus, aufgebaut? Sollen Hierarchien gestärkt, bestehende oder gar frühere Werte bewahrt werden? Sollen die Veränderungen die Wettbewerbsfähigkeit oder die Effizienz steigern? Oder wird Vielfalt und Offenheit nicht nur zugelassen sondern sogar gefördert, weil klar ist, dass es die einzig richtige Lösung nicht geben kann und dass wir das Wissen aller brauchen um unsere Welt zukunftsfähig zu gestalten? Werden Hierarchien abgebaut, weil allen Menschen zugetraut wird, ihr Leben selbst in die Hand nehmen zu können? Werden Prozesse so offen gestaltet, dass alle Meinungen einfließen können, damit wirklich Neues entstehen kann? Ist der Umgang miteinander und auch mit Andersdenkenden von Respekt und Empathie geprägt? Steht vor allem Aktivismus das Zuhören? Geht es darum, die Bedürfnisse aller zu befriedigen und niemanden auszuschließen? Mit solchen Fragen sollte eine Entscheidung möglich werden.
… und Neues wachsen lassen
Soweit meine Gedanken zum Jahresausklang ;-), ich will aber nicht enden, ohne auf die vielen positiven Beispiele hinzuweisen. Die Zahl der Webseiten und Projekte ist unzählbar und jeden Tag entstehen neue, daher stehen die Beispiele hier stellvertretend für viele andere Menschen und Initiativen. Sie sind ein Querschnitt dessen, was mir im letzten Jahr so über den Weg gelaufen ist.
Da ist die Permakultur, von der die Sichtweise kommt, die Qualität eines Systems hänge nicht von der Zahl der Elemente ab, sondern davon, wieviele sich gegenseitig unterstützenden Beziehungen sich zwischen diesen herstellen lassen, und die daraus hervorgegangen Transition-Bewegung. Da ist diese neue Kommunikationskultur, die allenthalben entsteht und für die die hier beschriebene Art of hosting, die Kunst, Räume für sinnvolle Gespräche zu gestalten, nur eine ist, die sich dann z.B. in den Vorarlberger BürgerInnenräten manifestiert hat. Da sind Natalie Knapp und Andreas Weber, die uns auf ganz neue, abenteuerliche Expeditionen des Denkes mitnehmen. Da sind die Menschen, die den Mut haben von den Visionen her zu denken, um Neues auf den Weg zu bringen, wie etwa Harald Welzer mit Futur zwei. Da sind die vielen Menschen die im Open Software und Open Hardware Projekten eine Produktionsweise für die Zukunft entwickeln. Da gibt es die regionalen Solidarprojekte, wie etwa in Weiz oder Aflenz oder auch das öberösterreichische Time Sozial. Da sind die vielen CSA’s und offenen Werktstätten, die aus dem Boden sprießen. Zahlreiche Beispiele dafür sind auf den diversen Blogs (auf diesem und z.B. auf commons.at, commonsblog.de, keimform.de) zu finden und weitere werden sicher im nächsten Jahr dazu kommen.
An Möglichkeiten mangelt es also nicht – alles Gute für 2013 – and see you in the commons! Oder zum Beispiel beim Kongress Solidarische Ökonomie vom 22. – 24. Februar in Wien :-)!