Mehr als einen Monat ist es schon wieder her, seit ich bei der Armutskonferenz mit Antje Schrupp über das „Gute Leben“ diskutiert habe. Dabei ging es natürlich einerseits um unser Buch, um Solidarische Ökonomie und die Commons, andererseits auch um ein Büchlein, das Antje Schrupp gemeinsam mit mehreren Mitautorinnen verfasst hat: „Das ABC des Guten Lebens„. Und weil auf das gute Leben natürlich niemand ein Copyright haben kann, gibt es das Ganze auch online. Immer wieder gibt es in den Beiträgen auch Anklänge an die Commons, auch wenn sie nicht explizit erwähnt werden. Ein paar Kostproben daraus soll es nun hier mit einiger Verzögerung geben. Zum Beispiel gleich das erste Stichwort:
„Abhängigkeit“, so heißt es da, „ist eine Grundbedingung des Menschseins. Wir können sie ebenso wenig ablehnen, wie wir die Auswirkungen der Schwerkraft ablehnen können.“ Dieses Bewusstsein der gegenseitigen Abhängigkeit ist auch für die Commons wichtig, denn darum ist es notwendig, sich mit anderen abzusprechen, auch die Bedürfnisse der Anderen ernst zu nehmen. Während Abhängigkeit meist einen negativen Beigeschmack hat und als Widerspruch zur Freiheit gesehen wird, meinen die Autorinnen es gäbe Abhängigkeit und Freiheit nur in Beziehung zueinander, absolute Unabhängigkeit sei eine Illusion, die nur durch Verdrängung zustande komme. Aber es gibt jede Menge Beispiele für positive Abhängigkeiten, z.B. in gelungenen Beziehungen – oder eben in gelungenen Commons. Denn wenn die Regeln richtig sind, ist es ja ein wesentliches Merkmal von Commons, dass alle ihre Bedürfnisse besser befriedigen können, als sie es alleine könnten.
Von der Abhängigkeit wird ein Bogen zum bedingungslosen Grundeinkommen geschlagen. „Ein leistungsunabhängiges Grundeinkommen zum Beispiel könnte auf politischer Ebene ein Schritt sein, diese Abhängigkeit aller von allen nicht mehr zu verbergen, sondern vielmehr zu akzeptieren und sichtbar zu machen.“ Das fand ich interessant. Denn nur kurz davor gab es eine gemeinsame Buchpräsentation mit Karl Reitter, der ebenfalls in der gleichen Mandelbaumreihe ein Buch zum Grundeinkommen geschrieben hat. Und er hat in der Diskussion gemeint, ein Grundeinkommen sei das einzige Alternativ-Modell, das die volle Autonomie des Einzelnen ermögliche. Ich glaube, es ist kein Rückgriff auf Stereotype, wenn ich diese unterschiedlichen Wahrnehmungen der Geschlechterperspektive zuschreibe ;-).
Überhaupt spielen die Begriffe Abhängigkeit und Bedürftigkeit in vielen Beiträgen des Buches eine wichtige Rolle, ebenso die Tatsache, dass unser Leben immer nur in Bezogenheit auf andere gelingen kann. Sehr interessant fand ich dieses Stichwort:
Denn das ist ja erst einmal gar keine eigene beschreibbare Kategorie, könnte mensch denken. Aber das „Dazwischen“, der Raum zwischen Personen, stellt einerseits eine gewisse Distanz dar, in der die Individualität, die Einzigartigkeit jeder Person zum Ausdruck kommen kann und nicht durch zu starke Identifikation mit dem Gegenüber verschwindet. Gleichzeitig ist es aber genau dieser Zwischenraum, der Menschen verbindet, in dem Inter-esse entstehen kann, ein „Raum oder eine Zeitspanne voll Aufregung und Erregung, voll schöpferischer Kraft und Offenbarung. Das gilt für Liebesbeziehungen, aber auch für den politisch öffentlichen Bereich.“ Und weiter: „In beiden Bereichen wird “Dazwischen” zu jenem Raum, den Menschen nutzen können, um über ihre Meinungen und über Angelegenheiten von allgemeinem Interesse zu sprechen. Zu einem Raum, den sie nutzen können, um sich über ihr Interesse auszutauschen, über das, was zwischen ihnen (wirksam) ist, als geteiltes oder umkämpftes gemeinsames Gut und als beziehungshaftes Netzwerk.“ Hm, ja, klingt schon wieder sehr nach Commons und solche Räume braucht es wohl auch, damit solche entstehen und überleben können. Dass hingegen
wichtig ist für ein Gutes Leben bedarf keiner weiteren Erklärungen. Nicht umsonst entstanden und entstehen ja viele Commons rund um das Thema Ernährung. Ebenfalls eine Überschneidung mit der Commons-Diskussion: die Perspektive der
„Ein wichtiger Schritt zu einem guten Leben ist der, den Blick auf die in Wirklichkeit vorhandene Fülle zu richten: die Fülle, die die Erde schenkt, die Fülle an Möglichkeiten für jedes Leben, die Fülle an Beziehungsmöglichkeiten, die Fülle, die aus der Differenz hervorgeht, die Fülle an Erfahrungen und Dingen, die die Menschen, die früher lebten, weitergegeben haben, die Fülle an Gaben, die die meisten Menschen täglich erhalten.
Ein Bewusstsein für die Fülle im eigenen Leben, für das volle Leben, kann auch dort vorhanden sein, wo in mancher, durchaus vielleicht wesentlicher Beziehung Mangel herrscht, zum Beispiel Mangel an Geld oder Arbeitsmöglichkeiten.
Wir bevorzugen den Begriff „Fülle“ vor dem Begriff „Reichtum“, da „Reichtum“ im allgemeinen Sprachgebrauch eng mit der Kultur des „Immer Mehr“ verbunden ist sowie mit dem Gegensatzpaar „Arm und Reich“. Dagegen lässt sich die Fülle, so wie wir sie verstehen, gut mit einer Kultur des Genug vereinbaren.“ Dem ist nichts hinzuzufügen! Das Stichwort
verweist auf eine (Re)Produktionsweise jenseits der Lohnarbeit, auf das Recht auf sinnvolle Tätigkeit. Und auch hier wird wieder auf ein Grundeinkommen verwiesen. Die Aufhebung entfremdeter Arbeit und die Möglichkeit, seine Fähigkeiten in sinnvollem Tätig-Sein zu entfalten ist aber auch ein wichtiger Aspekt in den Commons.
Die „Gabe“, das „Genug“, der „Genuss“ und das „Innehalten“, der „Konflikt“ und die „Liebe“ und nicht zu vergessen die „Scheiße“ und die „Schönheit“ und schließlich noch die schöne Wortschöpfung „Wirtinschaft“ – viele Begriffe gibt es noch in diesem Büchlein, über die es sich zu lesen lohnt, ich hör jetzt einmal auf und wünsche viel Spass beim weiteren Schmökern :-)!