Das Foto von Mustafa Bader – CC BY-SA 4.0,
zeigt eine selbstorganisierte Bäckerei in Zaatari

Hier eine ewas ältere Geschichte, die ich gerade erst entdeckt habe – leider vermutlich heute aktueller denn je und sie handelt von Einhegungen von Commons, wie sie heute gang und gebe sind.

Zaatari ist ein Flüchtlingscamp in Jordanien. 2012 von der UNHCR errichtet, lebten hier zeitweise über 100.000 geflüchtete Menschen. Es ist damit eines der größten Lager der Welt.

2017 schrieb Silke Helfrich in einem Artikel für die Contraste:

Im jordanischen Flüchtlingslager Zaatari leben 85.000 heimatlose Syrer in einer ungewöhnlichen Situation. So lässt es aufhorchen, wenn die Zustände im Lager von der New York Times, am 4. Juli 2014, als »der Normalität nahe« beschrieben werden. Diese Normalität, das sind dann Reisebüros, ein Flughafen-Shuttle oder ein Pizza – Lieferdienst, der sich eines selbstgestrickten Adresssystems bedient. Ökonomie im herkömmlichen Sinne. Es gibt aber auch Räume und Prozesse, die gemeinsam angeeignet werden, anspruchslose Infrastruktur wird durch viel Eigeninitiative und Nachbarschaftlichkeit ergänzt. So werden Problemlösungen entwickelt, die auf gegenseitiger Unterstützung und gemeinsamer Verantwortung beruhen. Das bewahrt die Würde der Menschen. Um Würde und ownership geht es auch beim Commoning. Von einigen Lagern im Westjordanland wird Ähnliches berichtet, fast als gäbe es hie und da »Inseln des Commoning«.

Leider war dieser Zustand der Selbstermächtigung offenbar zum gleichen Zeitpunkt schon Geschichte. Denn ebenfalls 2017 schrieb Le Monde Diplomatique:

Seit 2015 verteilt das Welternährungsprogramm (WFP) in Zaatari keine Lebensmittelpakete mehr; stattdessen eröffnete es zum ersten Mal in einem Flüchtlingslager zwei Supermärkte: Safeway, der nur dem Namen nach mit dem US-Konzern verwandt ist, und eine Filiale von Tazweed – die kuwaitische Lebensmittelkette beliefert vor allem Flüchtlingslager. „Die Wahl zwischen zwei Supermärkten, in denen man für einen Dollar pro Tag selbst entscheiden kann, was man einkauft, hat die Menschen zu glücklichen Konsumenten gemacht“, behauptet der ehemalige Leiter des UNHCR-Lagers Kilian Kleinschmidt. Davon abgesehen sei das Supermarktmodell wesentlich kostengünstiger als die Verteilung von Lebensmittelpaketen.

Der informelle und quasi selbstverwaltete Handel mit Lebensmitteln – nach und nach war im Laufe der Jahre in Zaatari ein richtiger Basar (Suk) entstanden – bekam durch die beiden Supermärkte harte Konkurrenz. Die virtuelle Geldkarte, die vom UNHCR und WFP jeden Monat mit 50 Dollar aufgeladen wird, funktioniert nämlich nur in den beiden Supermärkten. Neuerdings zahlt man bargeldlos per Augenscan.

Dabei sind die Supermärkte das kleinere Problem als die Geldkarten, mit denen Armutsbekämpfung mit digitaler Kontrolle verbunden wird – begonnen wird bei denen, die sich am wenigsten wehren können. Humanitäre Hilfe, Armutsbekämpfung und Unterstützung von Menschen auf der Flucht werden so zu neuen Geschäftsmodellen – der Markt soll wieder einmal die weitgehend durch ihn verursachten Probleme lösen und wird dabei, so kann man getrost prophezeihen, wieder neue schaffen, von deren Reparatur wieder große Konzerne profitieren werden. Kein Wunder, dass Problemlösungen, die an den Ursachen ansetzen, abgewehrt werden.

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