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Wenn Gesundheit als Wachstumsmarkt gesehen wird

Immer wieder wird, wenn es um Wirtschaftswachstum geht, argumentiert, dass es ja Bereiche gäbe, die durchaus wachsen könnten, etwa Bildung, Pflege, Gesundheit.

Ich weise in meinen Vorträgen immer darauf hin, dass ich das für ziemlich fragwürdig halte. Was die Bildung betrifft, bin ich mir nicht sicher, was allerdings Gesundheit und Pflege betrifft, ist es eindeutig: wenn dort Wirtschaftswachstum und Beschäftigung herkommen sollen, dann müssen immer mehr Menschen krank und pflegebedürftig werden. Und nicht, wie man eigentlich annehmen sollte, dass es das Ziel eines Gesundheitssystems und einer Gesellschaft allgemein sein sollte, dass Menschen möglichst lange möglichst gesund bleiben.

Die Pharmaindustrie ist dafür auf jeden Fall kein geeigneter Akteur, denn wenn Milliarden in die medizinische Forschung, zB für genetische Medizin gepumpt werden, dann erwarten die Investoren natürlich entsprechende Gewinne und die bekommen sie nur, wenn es ausreichend Patienten gibt.

Dieses Argument wird zwar ernstgenommen, aber doch auch relativiert, das sei doch ein wenig übertrieben. Nun hat es eine Bank aber ganz deutlich gesagt, berichtet der Stern: Goldman Sachs warnt Pharmafirmen davor, dass durch zu wirksame Medikamente ihr Umsatz einbrechen könnte – Das Heilen von Menschen sei kein nachhaltiges Geschäftsmodell!

Genau das ist der Grund, warum viele schon seit Jahren warnen, dass Gesundheitsversorgung, aber auch die Herstellung von Medikamenten nicht dem Markt überlassen werden dürfen. Das Gleiche gilt natürlich für die Pflege. Wenn ich mit Pflege Geld verdienen will, habe ich kein Interesse daran, dass Menschen möglichst lange sich selbst versorgen können.

Das muss nicht einmal ein kapitalistischer Markt sein, die Logik funktioniert etwa auch im Talentetauschkreis. Wenn jede Stunde Arbeit gleich viel wert sein soll, müssen die Menschen schon ziemlich krank sein, damit ein Arzt dort seine Stunden sammeln kann. Oder, umgekehrt gedacht, eigentlich ist doch jeder froh, wenn er keinen Arzt braucht, medizinische Fähigkeiten sind also im Talentetauschkreis nicht von Vorteil.

Man könnte das ganze natürlich noch einmal auf den Kopf stellen. In früheren Zeiten war die Aufgabe des Medizinmannes oder der Medizinfrau nicht in erster Linie, Krankheiten oder Verletzungen zu heilen, sondern dafür zu sorgen, dass die Götter, Geister oder Ahnen, je nachdem wer als dafür zuständig galt, zufrieden gestellt wurden, damit Krankheiten oder Unfälle gar nicht erst auftraten. Also im Grunde darauf zu achten, dass die Menschen im Einklang mit anderen Menschen und der natürlichen Umwelt lebten.

Auf die heutige Zeit übersetzt müsste es dann das Ziel des Gesundheitssystems und der Medizin überhaupt sein, die krankmachenden Elemente in unseren Gesellschaften ausfindig zu machen und dafür zu sorgen, dass sie reduziert werden. Sie da zB wären: Stress durch zuviel oder zuwenig Erwerbsarbeit, Armut, Umweltverschmutzung, …

Aber das wäre ja natürlich auch kein nachhaltiges Geschäftsmodell und würde vor allem das ganze System in Frage stellen – da basteln wir doch lieber profitträchtig an Heilmitteln, die Symptome bekämpfen.

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