Ich hab ja schon öfter zu diesem Thema geschrieben, noch öfter gesprochen, ich hatte immer den Eindruck, es kommt nicht so ganz an. Von Biologismus bis Esoterik reichten die Kommentare. Nun hab ich aus gegebenem Anlass einen neuen Anlauf genommen, zu erklären, warum es mir wichtig ist, die beiden Dinge zusammenzudenken. Ausgangspunkt dabei ist, dass ich Mensch und Natur oder „Umwelt“, wie es in der Ökologie oft heißt, nicht als voneinander getrennt verstehe, sondern dass Menschen Teil der Natur sind. So ganz schaffe ich es anscheinend nicht, das in allen meinen Sätzen gut zum Ausdruck zu bringen. Wenn ich schreibe „wir geben etwas in die Natur zurück“, dann klingt das, meinen manche Kritiker, erst wieder, als stünde ich der Natur gegenüber. Ich verwende daher den Ausdruck „unsere nichtmenschliche Mitwelt“ – wobei das nichts dran ändert: wir sind Teil davon, nicht außerhalb. Wenn ich von Commons rede und sage, ich nehme etwas aus dem Commons und gebe etwas in das Commons zurück, heißt das ja auch nicht, dass ich außerhalb des Commons stünde, sondern ich mache das gerade deshalb, weil ich Teil des Commons bin. So, und jetzt geht’s los.
Die Biologie
Wir sind – als Menschen – immer Teil des biologisch-stofflichen Kreislaufes, also Teil der Natur und nicht von ihr getrennt. Genauso, wie wir nicht nicht miteinander kommunizieren können, können wir als Lebewesen auch nicht nicht mit der nichtmenschlichen Mitwelt im stofflichen Austausch stehen. Das ist kein Biologismus, das ist schlicht Biologie. So funktioniert Leben als ständig bedrohtes Gleichgewicht von widersprüchlichen Beziehungen (Andreas Weber – zumindest so ungefähr) und weiter: „An den Fäden eines einzelnen Lebens hängen immer die ganze Welt und ihre unzähligen Interessen“. Also, die Kohlenstoffatome des Getreides, das wir essen, lagern sich in unseren Körper ein, werden ein Teil von uns, und verlassen ihn auch wieder auf natürlichem Wege und werden dann zu Teilen des Regenwurmes, der den Kompost zersetzt, und wieder zum Teil des Radieschens, das aus dieser Erde wächst, und schließlich wieder unseres Körpers. Das gilt auch für alle anderen Stoffkreisläufe. Unsere Körperzellen erneuern sich in einem Zeitraum von etwa 3 Jahren, das heißt, nach dieser Zeit sind wir stofflich komplett „andere“ und die Atome, die vorher „wir“ waren, sind dann in einem Baum oder einem Kohlkopf oder einer Katze oder einem anderen Menschen, auch ohne dass dieser uns verspeisen müsste. Zudem besteht unser Körper nicht nur aus „uns“, sondern auch noch aus Milliarden von Mikroorganismen, die wir ständig miternähren, also ihnen geben, und ohne die wir gar nicht leben könnten, die uns also ständig etwas zurückgeben. Wir als Lebewesen sind in diesen Kreislauf eingebunden, nehmen auf und geben ab. Daher betrifft es uns ganz konkret biologisch-körperlich, wenn wir jene Kreisläufe unterbrechen, weil durch unsere Eingriffe etwa die Biodiveristät abnimmt, oder wenn wir die Prozesse durch Verschmutzung, usw. negativ beeinflussen. Und auch wenn es manche nicht gerne hören mögen, diese stofflich-biologisch-körperlichen Prozesse sind die Grundlage für alles andere, wozu Menschen in der Lage sind, auch die größten geistigen Höhenflüge. Darum geht uns das nicht nur aus Mitgefühl, sondern aus ureigenem Interesse was an und wir sollten uns überlegen, wie wir die sozialen Reproduktionskreisläufe so gestalten, dass sie dieses Leben nicht bedrohen. Damit sind wir beim Anderen:
Soziale (Re)Produktion
Auch bei der Produktion aller Dinge, die wir zum Leben – nicht nur zum biologischen, sondern auch zum sozialen und kulturellen – brauchen, greifen wir auf Ressourcen aus unserer nichtmenschlichen Mitwelt zurück und geben am Ende des Produktionsprozesses wieder etwas an sie ab, immer. Im Moment geben wir hauptsächlich Müll und Schrott ab, was die Stoffkreisläufe belastet und damit auch uns – siehe oben. Es ist aber nicht nur möglich, sondern auch notwendig, dass am Ende der Produktionskreisläufe wieder nützliche Dinge in den natürlichen Kreislauf zurückgegeben werden, nachdem sie unsere sozialen Kreisläufe durchlaufen haben. Das haben Menschen über Millionen von Jahren so gemacht, sonst würde es sie nicht mehr geben und das meint „Ko-evolution“. Menschliche Produktion kann nur nachhaltig sein, wenn sie diese natürlichen Stoffkreisläufe unterstützt und nicht zerstört, d.h. wenn sie deren Logik folgt, genau so wie im sozialen Bereich der Reproduktionslogik anstatt der Marktlogik, wenn sie in allen Aktivitäten dem Grundziel folgt, „dass das Leben weiter gehen kann“ (Veronika Bennholdt-Thomsen).
Und deshalb ist es auch nicht möglich, unsere ökologischen Probleme einfach dadurch zu lösen, dass wir weniger verbrauchen, Ressourcen effizienter nutzen (das widerspricht gerade der Logik, wie sie in der Biologie angelegt ist, die nach Fülle und Komplexität strebt), uns einschränken, wie auch immer die moralischen Appelle formuliert sein mögen, die uns doch um nichts dem wahren Problem näher bringen, nämlich unser Teilhaben an genau diesen Kreisläufen in Rechnung zu stellen und dass wir in beide Richtungen aktiv sind, nicht nur nehmen sondern auch geben.
Wir teilen nicht nur mit Menschen
Dass es möglich ist, Kreisläufe zu schaffen, in denen wir an unsere nichtmenschliche Mitwelt etwas zurückgeben, das besser oder mehr ist, als wir genommen haben, dass wir also auch mit ihr einander unterstützende Beziehungen aufbauen können, wie es uns zwischen Menschen selbstverständlich erscheint, zeigen verschiedene Formen der Kreislaufproduktion, unter anderem Permakultur. Und wenn wir da hinschauen, dass sehen wir, dass Permakultur ähnlichen Prinzipien folgt wie Commons. Das heißt weder, dass Commons funktionieren wie die Natur (das wäre ein Biologismus), noch dass Permakultur nur im Rahmen von Commons möglich ist. Die natürlichen Kreisläufe folgen Naturgesetzen, die wir kaum beeinflussen können (ob wir das versuchen sollten oder nicht, ist eine ethische Frage, die einer gesonderten Betrachtung bedarf), während Commons Regeln folgen, die die Menschen sich selbst geben, und die dann durch bestimmte Institutionen und Strukturen vorstrukturiert oder unterstützt werden. Da diese aber einer sehr ähnlichen Logik folgen, wie die Prinzipien der Permakultur, liegt es nahe, dass die – soziale – Commonslogik die Umsetzung von – an natürlichen Phänomenen angelehnten – Permakulturprinzipien fördern könnte. Das auch deswegen, weil ja die Ressource – und dazu gehören eben auch die Stoffe, die wir unserer nichtmenschlichen Mitwelt entnehmen – Teil der Commonsregelung ist. Die Regeln müssen an die Eigenschaften der Ressource angepasst sein (sagt niemand geringerer als Ostrom), darum gehört das Wissen um diese stofflichen Kreisläufe und deren Beachtung in die sozialen Regelungen hinein und kann nicht außerhalb stehen und nachträglich durch moralische Appelle hereingeholt werden. Ebenso wie das soziale Miteinander nicht eine Frage der Moral sondern der Strukturen ist, gilt das auch für das ökologische Miteinander. Das ist für mich eine der großen Stärken der Commons.
Vielleicht kann man es am ehesten so sagen: es gibt Ressourcen, die teilen wir nicht nur mit anderen Menschen, sondern auch mit der nichtmenschlichen, lebendigen Mitwelt und dann geht es eben auch um die Berücksichtigung von deren Bedürfnissen und Fähigkeiten (ja, auch dieser, vielleicht nennen wir sie „Potenziale“, um die Vermenschlichung nicht zu weit zu treiben) in den Commons-Regelungen, etwa im Sinne der Rechte von „Mutter Erde“ in der Verfassung, wie auch immer das in einem westlichen Verständnis aussehen kann. Und weil die nicht mitreden können, müssen wir an sie denken und deren nonverbale Äußerungen wahrnehmen lernen = Permakultur, als etwas, das auch in unser westliches Denken passt.
Konventioneller „Naturschutz“, der oft zur Vertreibung von Menschen aus der Natur führt (wenn etwa Menschen, die seit Jahrhunderten in, von und mit den Wäldern leben ohne diese zu zerstören, diese dann nicht mehr betreten dürfen, weil sie vor Menschen geschützt werden sollen), zielt genau an dieser Tatsache vorbei, weil er Menschen als Schädlinge fasst und nicht als nehmende und gebende Mitspielende in diesem ständigen Kreislauf des Lebendigen.