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Die Tragik der Allmende – ein Dauerbrenner?

1968 hat Garrett Hardin den am meisten zitierten Artikel der wissenschaftlichen Literatur veröffentlicht, dessen Grundaussage es ist, die gemeinschaftliche Nutzung von Ressourcen könne nicht funktionieren, weil die Menschen sich eigennützig verhalten und dadurch die Ressourcen zerstört würden. Die einzigen Lösungsmöglichkeiten für dieses Dilemma seien daher entweder die Privatisierung oder eine strikte staatliche Kontrolle. Inzwischen ist viele Male nachgewiesen worden, dass dieser Artikel von Fehlern nur so strotzt. Der Hauptirrtum: Hardin hatte in seinem Modell keine Allmende beschrieben, sondern ein Open access – Gut,  zu dem jeder beliebigen Zugang hat und für das es keine Regeln gibt.

Der Zufall will es, dass ich gerade aus aktuellem Anlass wieder das Buch von Elinor Ostrom zur Hand genommen  habe – „Die Verfassung der Allmende. Jenseites von Markt uns Staat“. Und nun stoße ich auf ein neu erschienes Buch von Rolf Dobelli. „Die Kunst des klaren Denkens. 25 Denkfehler, die sie besser anderen überlassen.“ Klingt recht interessant, und als ich es in google-books durchgescrollt habe, sehe ich, es gibt auch einen Artikel über die Tragik der Allmende. Gut, denke ich mir, dass hier mit diesem Vorurteil aufgeräumt wird. Aber was muss ich lesen? Dieses Vorurteil wird bestätigt! Es kann nicht funktionieren und wir müssten uns endlich von dieser romantischen Vorstellung verabschieden.

Und dabei lese ich gerade von den vielen Commons, die es schon seit hunderten von Jahren gibt und die noch immer neu entstehen. Und ich lese, dass das gar nichts mit Romantik zu tun hat, sondern oft harte Auseinandersetzungen und viel Mühe bedeutet. Dass diese Menschen nicht von gestern sind und halt noch nichts besseres gefunden haben, sondern ganz bewusst die Entscheidung für solche Lösungen treffen, weil es unter bestimmten Bedingungen die einzig erfolgversprechenden sind.

Der Blick des Herrn, der sich hier bemüßigt fühlt, Denkfehler aufzudecken scheint so klar doch nicht zu sein.

Privatisierung sei das Beste meint er, aber auch Management wäre eine Lösung, das könnte der Staat übernehmen. Das heißt, er stellt Privatisierung und Management der Allmende als Alternativen gegenüber. Dabei ist es gerade das Management, seine Organisation und Umsetzung, was das Besondere einer Allmende ausmacht. Nur, es handelt sich um Selbstmanagement, das dürfte sich bis zu Herrn Dobelli noch nicht herumgesprochen haben. Schade! Er wiederholt Hardins Fehler, Allmende mit Open access zu verwechseln.

Aber es geht in dem Ton weiter. Die Begründung, warum das nicht funktioniert? Weil uns die Evolution nicht dafür ausgestattet hat. Denn die meiste Zeit der Menschheitsgeschichte hätte sich ja auf Grund der Anzahl der auf der Erde lebenden Menschen das Problem knapper Ressourcen gar nicht gestellt, daher hat uns die Natur nicht mit den dafür notwendigen Vorraussetzungen ausgestattet. Das wird illustriert mit dem Bild von Affen mit Mobiltelefonen in der Hand. Es ist schon fast eine Kunst, in einem so kurzen Artikel (noch kürzer, als der von Hardin und mit keinerlei neuen Aspekten, also von vor 40 Jahren abgeschrieben) so viel haarsträubenden Unsinn zu verbreiten.

Also nochmal, für die, die es immer noch nicht begriffen haben:

Erstens: schon immer waren Menschen mit knappen Ressourcen konfrontiert, die Wasservorräte, das fruchtbare Ackerland, waren in vielen Gegenden in so begrenztem Ausmaß vorhanden, dass es notwendig war, dass Menschen sich arrangierten und gemeinsame Strategien entwickelten. Allmenden entstanden und funktionieren nicht deswegen, weil es so viel von der jeweiligen Ressource gäbe, dass keine Regelung notwendig wäre, sondern sie sind genau dort entstanden, wo Menschen Lösungen finden mussten, um mit den vorhandenen begrenzten Ressourcen auszukommen. Je weniger von notwendigen Dingen da ist, desto größer die Notwendigkeit, Regelungen zu entwickeln, das war schon so, als es weder einen Staat noch einen Markt im heutigen Sinne gab – nachzulesen bei Ostrom.

Zweitens: Laut Dobelli ist der einzige Grund dafür, warum Menschen sich nicht egoistisch oder opportunistisch verhalten, die Angst vor Rufschädigung, die Scham, und das funktioniere in einer anonymen Gesellschaft wie der heutigen nicht mehr. Abgesehen davon, dass das doch ein etwas reduziertes Modell für menschliches Verhalten ist – das ist noch schwächer als der homo oeconomicus – ist es ja genau so, dass Menschen durch die gemeinsame Nutzung Vorteile erzielen, siehe oben.

Drittens: auch schon in vergangenen Jahrhunderten sind Menschen daran gescheitert und haben ihre Ressourcen übernutzt, das bekannteste Beispiel dafür ist der Wald auf der Osterinsel. Es ist also keine Frage der Gene, sondern eine der Umgebungsbedingungen und der Fähigkeit der Menschen adäquate Regelungen zu finden, heute wie damals. Denn wir müssen uns zum Glück nicht damit begnügen, was die Natur uns in der Evolution mitgegeben hat, wir sind keine Affen mit Handys, sondern Menschen sind in der Lage, sich an geänderte Bedingungen anzupassen (obwohl das vermutlich sogar eine Beleidigung für die Affen ist, ihnen jede Lernfähigkeit abzusprechen). Ostrom bescheinigt den Menschen, die es schaffen, gute Commons-Regelungen zu finden, ein hohes Maß an Bereitschaft und Fähigkeit zu experimentellem Lernen – nicht gerade eine vormoderne Eigenschaft. Dass wir mit der Geschwindigkeit mit der sich die Verhältnisse ändern, heute Probleme haben, bleibt unbenommen, das beschränkt sich aber nicht auf Fragen der Allmende. Es ist mir bisher noch nicht aufgefallen, dass der Markt oder die Regierungen sich besonders hervorgetan hätten, bei der Lösung dieser Probleme.

Viertens: Durch die Notwendigkeit globaler Ressourcenregelungen bei einer Weltbevölkerung von mehreren Milliarden Menschen seien Allmende-Lösungen absolut illusorisch, meint Dobelli. Klar, die können sich nicht gemeinsam ausmachen, wie sie mit der Atmosphäre umgehen oder den Ausstieg aus dem Erdöl organisieren wollen. Aber: auch der nachhaltige Umgang mit globalen Commons ist nur auf lokaler Ebene umsetzbar. Die Lösungen dafür schauen in Graz, auf den Philippinen oder in Ecuador eben ganz anders aus und solche Lösungen können am besten von den Menschen selbst entwickelt werden. Commonsregelungen sind kein Ersatz für globale Abkommen, aber – meiner Meinung nach –  die beste, wenn nicht einzige, Möglichkeit zu ihrer Umsetzung. Gerade hier haben doch die Marktmechanismen bisher am meisten versagt, z.B. das REDD-Programm der UNO ( Reducing Emissions from Deforestation and Degradation = die Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern), das teilweise katastrophale Auswirkungen zeigt. Hier nur eine der kritischen Stimmen. Und, auf lokaler Ebene können Menschen zumindest beginnen, mit ihren Ressourcen gut umzugehen, auch ohne dass Regierungen entsprechende Abkommen zuwege bringen.

Bleibt nur zu hoffen, dass der Autor für seine anderen Beitäge besser recherchiert hat – sonst müsste man ja nahezu vor der Lektüre dieses Buches warnen!

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