Immer wieder fragen ja Leute, wie denn das geht, dass „was mir nützt, auch den Anderen und der Natur nützt“, ich hab ja auch schon was geschrieben dazu, jetzt hab ich grad wieder ein schönes Beispiel dafür entdeckt:
Als ich einmal nach einer Wanderung in der Obersteiermark autostoppte, erzählte mir der Mann, der mich mitnahm, dass an dieser Ecke, wo ich gewartet hatte, früher, als noch wenige Menschen ein Auto hatten, sich die Menschen hinstellten, die in die Stadt wollten. Die Autofahrer, die vorbeikamen, wussten dann, dass sie auf eine Mitfahrgelegenheit warteten. Weil heute fast alle ein Auto haben, ist dieser Brauch in Vergessenheit geraten (der alte Mann hat ihn noch gekannt und mich mitgenommen ;-)).
Anderswo lebt er wieder auf – als Antwort auf überfüllte und verstopfte Straßen, und zwar dort wo man es vielleicht am wenigsten erwarten würde – in US-Amerikanischen Großstädten wie Washington D.C., San Francisco oder Houston. Und es nennt sich dort „Slugging“, was soviel bedeutet, wie ein selbstorganisiertes „Ridesharing“-System, also AutofahrerInnen nehmen andere mit, die auch in die gleiche Richtung müssen. Die Menschen warten einfach an bestimmten Stellen, Autos kommen hin, bleiben stehen, die FahrerInnen sagen, wo sie hinfahren und wenn andere in die gleiche Richtung wollen, nehmen sie sie mit. Warum sie das machen? Weil beide Vorteile davon haben.
Der Hintergrund ist folgender: Es gibt auf den Strecken, die Hauptpendlerrouten sind, eigene Fahrspuren, die für Busse reserviert sind, damit die auch zu Stauzeiten vorankommen. Vor einigen Jahren wurden nun diese Busspuren auch für vollbesetzte Personenautos geöffnet. Das heißt, wer nicht allein in seinem Auto sitzt, kommt schneller nach Hause (nachzulesen hier). Eigentlich sehr schlau ausgedacht. Reduziert die Menge der Autos die unterwegs sind, dadurch natürlich den Benzinverbrauch und Schadstoffausstoß und motiviert Leute, zu kommunizieren und zu kooperieren. Nicht weil sie sich mögen, sondern einfach, weil der Vorteil der einen auch der Vorteil der anderen ist, so wie es für Commons typisch ist. Das ist in diesem Artikel gut beschrieben (den Artikel gibt’s leider nicht mehr).
“People are cooperating … to commute?” says Marc Oliphant, underscoring the novelty of what is going on here. “It’s like the opposite of road rage!”
Und weiter:
Every morning, these commuters meet in park-and-ride lots along the interstate in northern Virginia. They then ride, often in silence, without exchanging so much as first names, obeying rules of etiquette but having no formal organization. No money changes hands, although the motive is hardly altruistic. Each person benefits in pursuit of a selfish goal: For the passenger, it’s a free ride; for the driver, a pass to the HOV lane, and both get a faster trip than they would otherwise. Even society reaps rewards, as thousands of cars come off the highway.
Mit Egoismus hat das, meine ich, trotzdem nichts zu tun, sondern damit, wie man die Bedürfnisse der Menschen zueinander in Beziehung setzt. Wie im Marktsystem, so dass sie zueinander in Konkurrenz stehen, oder wie beim Commoning, wo die Befriedigung der Bedürfnisse der einen die anderen bei deren Bedürfnisbefriedigung unterstützt – und auch noch der Natur nützt. Den Menschen die mitmachen dürften solche Überlegungen möglicherweise ziemlich egal sein, funktionieren tut es trotzdem oder vermutlich genau deswegen. Auf jeden Fall wird von der Möglichkeit reger Gebrauch gemacht und in der Früh und am Abend stehen viele Menschen (angeblich bis zu 10.000 allein in Washington) an den vereinbarten Treffpunkten und warten auf AutofahrerInnen, die nicht alleine im Stau stehen wollen und sie haben inzwischen eine eigene Webseite um sich zu organisieren und es gibt einen eigenen Knigge für Slugger ;-).
Danke für das Beispiel. ich gebe zu, dass hier er Staat mal eine positive Rolle spielt 😉
Mich würde interessieren, ob denn Busunternehmen interveniert haben, da sie ja hier partiell aus-kooperiert werden, sprich zahlende Kunden verlieren.
Ich finde es interessant, dass gerade in den USA, wo doch Schadenersatzforderungen in den absurdesten Fällen gestellt werden, das so informell ablaufen kann. Man könnte da relativ leicht bürokratische Hürden einbauen, z.B. wenn Busunternehmen lobbyieren – keine Ahnung, ob die das tun -, stattdessen scheinen es die Regierungen durchaus zu unterstützen.