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No gods, no masters, no robots?

Vielleicht sollte ich ja eine Standard-Kommentar-Blog schreiben? Auf jeden Fall ist es meistens die Lektüre „meiner“ Zeitung, die mich in die Tasten greifen lässt und besonders dann, wenn ich einige Zeit informations-abstinent war.

In der heutigen New York Times-Beilage gibt es einen Artikel über Forschung  zu künstlicher Intelligenz.

„In a handful of laboratories around the world, computer scientists are developing highly programmed robots that can engage people and teach them simple skills.“

Ja, genau das ist es was wir brauchen! Hochtechnologie, damit wir unseren Kindern einfache Dinge beibringen können. Damit wir nicht so viel Zeit mit ihnen verbringen müssen und diese Zeit verwenden können, um hochtechnologische, arbeits-, energie- und rohstoffintensive Produkte zu entwickeln, die uns die Tätigkeiten abnehmen, zu denen wir nicht mehr kommen, weil wir ja Roboter entwickeln müssen, die sie für uns tun.  Der Satz klingt ziemlich verrückt, aber die reale Situation ist noch viel verrückter.

Alle Probleme, die auftauchen versuchen wir mit Hochtechnologie zu lösen. Das hat zwei Vorteile: es bringt Arbeitsplätze und profitträchtige Investionsmöglichkeiten für Kapital. Aber – viele dieser Probleme sind schon die Folge dieser Gesellschafts- und Wirtschaftsform. Jeder dieser Schritte bringt neue Probleme, die dann wieder mit der nächsten Technologie gelöst werden müssen, das ist ein endlose Spirale. Diese Technologien, dieses Wirtschaftswachstum bringt uns schon lange nicht mehr mehr Lebensqualität und verbraucht immer mehr Energie, immer mehr der begrenzten Ressourcen, von denen wir ohnehin schon wesentlich mehr verbraucht haben, als uns zustehen, schreibt unsere imperiale Lebensweise auf Kosten anderer fort.

Ich hab nichts dagegen, wenn Leute Roboter entwickeln, wenn ihnen das Spass macht. Aber wenn wir das Geld, das wir für diese Forschung ausgeben nutzen würden, um mehr LehrerInnen anzustellen, dann könnten wir dieses Problem vermutlich besser lösen und würden weniger Energie und Rohstoffe dafür verbrauchen. Es wär zumindest sinnvoller, Roboter für Tätigkeiten zu entwickeln, die schwer, unangenehm, gefährlich, usw. sind und nicht als Krücken für unsere abnehmende soziale Beziehungsfähigkeit.

Und ganz viele Dinge, die wir produzieren brauchen wir überhaupt nicht, wir produzieren sie nur, damit unsere Wirtschaft wächst und wir produzieren damit auch Zeitdruck, Stress, Krankheit und einen Zerfall des sozialen Zusammenhaltes. Aber anstatt die Ursachen zu bekämpfen, sprich, einfach weniger und unter weniger Leistungsdruck zu arbeiten, suchen wir auch dafür wieder nach profitträchtigen Reparaturmaßnahmen.

Ein weiterer Artikel in der gleichen Zeitung, diesmal unter der Rubrik Gesundheit: Wandern im Mittelgebirge baut Stress ab, verringert das Risiko für viele Krankheiten und steigert das Wohlbefinden. Eine Studie mit Personen mit hoher Stressbelastung hat ergeben, dass bereits eine Woche wandern positive Ergebnisse zeigt. Dafür hätten wir nicht unbedingt eine Studie gebraucht, Millionen Menschen haben das seit vielen Jahren gewusst und danach gehandelt, man braucht sich bloß die Zeit dafür nehmen. Muss man sich wirklich erst hohe Stressbelastung attestieren lassen, damit man sich zugestehen darf, die an Hand der Studienergebnisse entwickelten „Welltain-Programme“ in Anspruch zu nehmen? Gegen gutes Geld selbstverständlich, das man ja erst verdienen muss, daher der Stress. Und natürlich arbeiten die Forscher nun auch an einer Technologie, die Höhenluft zu simulieren, damit wir nicht soviel Zeit im Mittelgebirge verschwenden müssen und unseren Stress im Simulator abbauen können, damit wir wieder Zeit haben, Dinge zu entwickeln, die die Schäden reparieren, die der Höhenluftsimulator anrichtet. Ja, ich weiß, ich wiederhole mich, nur zur Erinnerung: Wandern im Mittelgebirge kann man immer noch gratis und ganz ohne Stress – nur das wäre zu einfach. Wir müssen zuerst unsere Wohlstandsleiden erzeugen, damit wir Geld mit deren Reparatur verdienen können.

Besonders geeignet sollen obige  Roboter im Übrigen dafür sein, autistische Kinder zu erreichen. Ja klar, welche Erleichterung, wir müssen uns nicht mehr mit schwierigen Kinder auseinandersetzen, was für ein Glück, dass Maschinen das besser können. Welchen Einfluss werden diese Maschinen auf das Verhältnis solcher Kinder zu ihrer menschlichen Umwelt haben? Wenn Kinder von Maschinen aufgezogen werden, heiraten sie dann auch Maschinen? Vielleicht gibt’s ja bald auch Maschinen zum Kinderkriegen? Ich nehme an, Sex-Maschinen gibt’s eh schon, hat sich bloß noch nicht bis zu mir durchgesprochen? Und diese Maschinen kann man sicher auch dazu einsetzen, die lästigen alten Menschen zu versorgen? Endlich können die Altenpflegeunternehmen ihre Profite maximieren, ohne mit dem Arbeitsrecht in Konflikt zu kommen. Blöd nur, wenn die Roboter, die angeblich auch lernfähig sind, draufkommen, dass sie auch Gewerkschaften gründen könnten.

Aber natürlich gibt es auch Kritiker, die befürchten,

„… that if kids grow up being taught by robots and viewing technology as the instructor, they will see it as the master.“

Wir haben die Götter abgeschafft und sind grad dabei auch die menschlichen Herrscher zu entthronen. Viele Jahre linker und feministischer Herrschaftskritik tragen – wenn auch manchmal fragwürdige – Früchte. Flache Hierarchien sind das Leitmotiv gesellschaftlicher Entwicklungen, individuelle Freiheit ist das höchste Gut. Und weil die Menschheit offensichtlich ohne Autorität nicht auskommt, weil sich aber Herrschaftsverhältnisse zwischen Menschen nicht mit einem liberalen Menschenbild vertragen, arbeiten wir an einem innovativen, hochtechnlogischen Herrschaftsmodell? Indem der Mensch sich zum Gott macht und intelligente Wesen hervorbringt, unterwirft er sich gleichzeitig diesen Wesen? Eine interessante Frage eigentlich auch bezüglich des Gottesbildes. Ein Gott, der die Menschen machte und dann von ihnen abgesetzt wurde? Blüht uns das gleiche Schicksal? Scheint, dass auch hier Himmel und Hölle ziemlich nahe beisammen liegen.

3 thoughts on “No gods, no masters, no robots?

  1. Der Artikel spricht mich direkt an, da ich einer jener „Roboter“ Entwickler bin. Zumindest entwickle ich Software welche für solche Zwecke verwendet werden können. In meinem Institut beteiligen wir uns auch an einem aufstrebenden Forschungsfeld AAL (Ambient Assistant Living). Das bedeutet nichts anderes als die Altenpflege zu automatisieren. Vor allem in Japan nachgefragt. Hab mal glesen, daß sich dort die Senioren sich nicht gerne von Fremden Menschen betreuen lassen. Da auch dort die traditionellen Famielienbetreuung zerfällt braucht man dringend Ersatz. Bei uns braucht man das auch um die Profite in der Altenbetreuung zu maximieren, obwohl diese ohnehin schon sehr hoch sind. Wer öfter mal in ein Seniorenheim kommt und vielleicht noch Pfleger und Gepflegte kennt, der weiß wie momentan Profit gemacht wird.
    Technische Lösungen für Probleme zu finden macht mir Spaß und ist mein Hauptantrieb diese Arbeit zu machen. Seit einiger Zeit wird mir immer mehr bewußt welche paradoxen Erzeugnisse wir fertigen und wie falsch hier alles läuft. Doch ich finde noch keinen Weg raus. Die Idee mit dem Lehrer hatte ich auch schon. Aber was mache ich dann. Ich bilde Kinder zu Technikern aus, welche dann wieder hauptsächlich technische Lösungen für die Wohlhabenden erzeugen. Ich bin kein prinzipieller Technikfeind nur im voherschenden Wirtschafts- und Wertesystem kann man meiner Meinung nach nichts machen, was nicht sofort zur Systemerhaltung und Vertiefung aller von Dir geschildeter Probleme führt.
    Das Roboter uns mal absetzen ist für mich eher noch SiFi. Wenn man sich mit Lernalgorythmen ein wenig Beschäftigt, dann sieht man den gigantischen Abstand zum Menschen und auch einigen Tieren.

  2. Hm, dass Roboter uns beherrschen, muss nicht unbedingt bedeuten, dass die uns absetzen und dann im Sessel des Bundespräsidenten Platz nehmen oder überhaupt irgendwie körperliche Gewalt ausüben. Das bleibt hoffentlich wirklich der SiFi vorbehalten. Beherrschen kann man jemanden aber auch viel subtiler, nämlich indem man ihm seine Denkweise einpflanzt. Und wir denken ja offensichtlich schon ziemlich schräg.

    Denn – wenn in Japan die alten Menschen nicht von „fremden“ Menschen gepflegt werden wollen, könnte man ja auch andere Schlüsse daraus ziehen. Fremd sind ja Menschen immer nur, bis wir sie kennen gelernt haben. Vielleicht heißt das einfach, dass sie die Menschen, die sie pflegen erst kennen lernen wollen, dass sie sich aussuchen wollen, von wem sie gepflegt werden, dass sie nicht jeden Tag von jemand anderem gepflegt werden wollen. Das würde natürlich heißen, die Art wie wir mit alten Menschen (und dem entsprechend auch mit Kindern, Behinderten, usw. ) umgehen, zu ändern.

    Wenn die Antwort auf diese Fragestellung aber lautet, Roboter zu bauen, dann kommt mir vor, dass unsere Hirne, oder zumindest die Hirne der Menschen die auf solche Ideen kommen, schon ziemlich der „Roboterlogik“ folgen. Und wenn wir für alle Probleme technologische Lösungen suchen, dann ist das genau das was ich meine, dass diese Technologien unser Leben bestimmen und unser Denken beherrschen, in einer Weise, dass sich viele Menschen gar nicht mehr vostellen können, dass es auch andere Lösungen geben kann, dass Menschen auch miteinder reden, miteinander arbeiten und dabei Problemlösungen entwickeln können.

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