Vom 22. bis zum 24. Jänner fand in Graz ein Seminar on Energy, Work, Crisis and Resistance statt. Thema der Veranstaltung waren die Konfliktlinien, die innerhalb des Bereiches der Zivilgesellschaft durch die Notwendigkeit einer Energiewende entstehen. Es gibt Meinungsverschiedeneheiten und Interessensunterschiede zwischen UmweltaktivistInnen, indigenen Gruppen und Gewerkschaften, aber auch innerhalb der engeren Arbeiterbewegung zwischen den Arbeitern in der Kohle-, Erdöl- und Transportindustrie, die um ihre Jobs bangen und denen in der Produktion der „sauberen“, neuen Energien, die für einen Ausstieg sind, weil das ihre Jobchancen verbessert, usw.
Diese Konfliktlinien stärken die Position des Kapitals in dieser Übergangsphase, die grundsätzlich die Möglichkeit von Machtverschiebungen zu ungunsten des Kapitals eröffnen würde. Das Seminar diente der Vorbereitung einer internationalen Gewerkschaftskonferenz in Brasilien 2011, auf der diese Konflikte bearbeitet werden sollen, weil es nur dann möglich sein wird, die Zeit der Energiewende auch für eine Systemänderung nutzbar zu machen. Um den rein gewerkschaftlichen Blickwinkel etwas zu erweitern, waren auch Massimo de Angelis und George Caffentzis eingeladen, die beide in letzter Zeit viel zur Frage des „energy commons“ geschrieben haben, z.B. hier
Es geht also darum, deutlich zu machen, dass diese Konfliktlinien künstlich geschaffene sind, denn jeder Arbeiter und jede Arbeiterin ist zugleich auch KonsumentIn von Energie – die leistbar bleiben muss, was gleichzeitig aber auch ein Umdenken erfordert, was den Lebensstil betrifft – ist angewiesen auf Verkehrsmittel, erzeugt also auch CO2 und ist schließlich auch Opfer von Umweltverschmutzung und Klimawandel, wenn auch in unterschiedlichen Regionen in unterschiedlichem Ausmaß. Diese Konfliktlinien existieren also innerhalb jedes einzelnen Menschen und nicht zwischen einzelnen Gruppen, daher können die Konflikte nur gelöst werden, wenn man die Probleme der Arbeitsplätze und -bedingungen gleichzeitig mit denen der Umwelt und der Energie behandelt, wenn man ökologische und soziale Probleme als Folgen des gleichen Systems der Produktion und damit Energienutzung sieht und Lösungen für beide auf einmal sucht.
Ich hab ja im letzten Beitrag schon die Konflikte zwischen der Rolle der Konsumentin und der Produzentin angesprochen, im Energiesektor werden diese Konflikte derzeit eben besonders deutlich. Mehr als zwei Seelen wohnen in unserer Brust, was für die eine von Vorteil, ist für die andere eine Katastrophe. Kann ein Arbeiter auf einer Bohrinsel gleichzeitig Greenpeace-Mitglied sein? Aber auch wenn man es nicht in diese Extremformulierung bringt, Konflikte zwischen einzelnen Gruppen sind vorprogrammiert.
Eine Wirtschaft ohne fossile Brennstoffe, meint George, stellt grundsätzlich eine Bedrohung für das Kapital dar, da sie Machtverhältnisse verändert. Sie bedroht die Kontrolle über Arbeit, Land und Wissen und könnte zu einer Dezentralisierung, zu einem Ende der Massenmärkte, die „economics of scale“ ermöglichen, führen. Aber dafür müssten alle an einem Strang ziehen.
Die Skepsis der Arbeiterbewegung gegenüber ökologischen Themen ist hinlänglich bekannt, man denke nur an die Position der Gewerkschaften zur Atomenergie oder an den legendären Gewerkschaftspräsidenten Benya, der die Forstarbeitergewerkschaft mit Motorsägen gegen die UmweltaktivistInnen in der Stopfenreuther Au aufmarschieren ließ. Gewerkschaften sahen in Umweltfragen immer eher eine Gefährdung von Arbeitsplätzen, als eine Verbesserung der Lebensqualität. Das Desinteresse der Arbeiterbewegung wird auch daran sichtbar, dass, obwohl die Veranstaltung in ihren Räumlichkeiten stattfand, sich kein einziger Politiker oder Betriebsrat der KPÖ dorthin verirrte.
Im Gegensatz zur Zögerlichkeit der Arbeiterbewegung sich dem Thema Energiewende anzunähern, sind die großen Konzerne und die Regierungen der Industrieländer längst dabei, aus der Notwendigkeit der CO2 Reduktion massiv Profit zu schlagen. Schon jetzt wird ein Großteil der Emissionzertifikate von Finanzunternehmen gekauft, die ja nachweislich nicht zu den Hauptemittenten gehören, vermutlich also eher auf Spekulationsgewinne hoffen. Große Flächen Ackerland in den Entwicklungsländern werden für die Produktion von Biosprit enteignet oder sie werden privatisiert um als CO2-Senken den Schadstoff-Ausstoß in den Industrieländern zu kompensieren. Es grenzt ans Absurde, wenn der Anbau von Zuckerrohrplantagen als CO2-Senke verrrechnet werden kann, was aus einer Plantage doppelten Gewinn ermöglicht. Auf jeden Fall wird klar, wer die Nutznießer dieser Regelungen sind, das Klima vermutlich am wenigsten.
Was die Gewerkschaften und meist auch die Grünen Parteien betrifft, so reduzieren sich die Forderungen im Allgemeinen auf die Schaffung von „millions of green jobs“, um die Auswirkungen des strukturellen Wandels auf die Arbeiterklasse abzumildern.
Viele von uns – und eben auch Massimo und George – sehen diese Forderung nach den vielen grünen Jobs, die da entstehen sollen, mit sehr gemischten Gefühlen. Die Schaffung von „Jobs“, d.h. Erwerbsarbeit, in neuen Bereichen bedeutet immer auch neue Einhegungen. Jobs im Bereich erneuerbarer Energie bedeuten eine Kommodifizierung von Wind, Sonnenenergie, Erdwärme, usw., Bereiche, die bisher commons waren. Dadurch erhalten wieder die Energiekonzerne die Macht über die Energieversorgung. Angesichts der bedeutenden Rolle, die die Kontrolle über die Energieversorgung für die Machtverhältnisse in der Produktion spielt, schlägt Massimo vor, die erneuerbaren Energieträger als commons zu behandeln und damit die Kontrolle über die Erzeugung und Nutzung von Energie bei den communities zu lassen, die damit zu einem gewissen Grad unabhängiger vom Markt würden, weshalb die vielen neuen Jobs dann möglicherweise gar nicht mehr notwendig wären. Notwendige Einkommen könnten in die Regelung der commons integriert und demokratisch außerhalb des Marktes festgelegt werden, ebenso wie die Nutzungsrechte für Energie.
Das wäre nicht das Ende der Machtkämpfe, die müssen trotzdem geführt werden, denn natürlich geben die Konzerne die Kontrolle auch nicht freiwillig her. Aber es wäre ein neues Paradigma unter dem wir sie führen könnten, weil es genau die oben genannten Konfliktlinien aufheben würde, weil die sozialen und ökologischen Probleme gleichzeitig angesprochen würden, was ja gerade ein zentraler Aspekt der commons ist.
Ich gratuliere Dir zu den letzten Kommentaren (Commons 1-3). Ich schätze es auch so ein, dass eine Umstellung auf erneuerbare Energien nicht irgendein „gruenes Jobwunder“ hervorrufen wird. Dass Wind und Sonne bis jetzt Commons sind ist trivial. Sobald sie genutzt werden, erlangen die Besitzer der Energieumwandlungsmaschinen die Verfügungsgewalt. Letztlich kontrolliert den Markt, wer über die Verteilernetze verfügt. In den meisten Ländern Mitteleuropas sind die Stromnetze ( noch) weitgehend in öffentlicher Hand, also in Staatsbesitz. Also eine gute Voraussetzung. Aber es wird nicht reichen, bloß Widerstand gegen deren Privatisierung zu leisten.
Wer die Kontrolle über Energieerzeugung und Verteilung „bei den Communities lassen“ will müsste halt auch aufzeigen können, wie wir von der gegenwärtigen Form des Staatseigentums zu einer echten Kontrolle der Allgemeinheit kommen. Und wir müssten es so erklären können, dass die Menschen auch Lust bekommen (um mal nicht immer vom „Interesse“ zu sprechen), die Energiewirtschaft wirklich in die hand zu nehmen.
lg Richard Hubmann