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Commons 2: Der Mythos von der KonsumentInnenmacht

Viele Menschen, die zu einer besseren Welt beitragen wollen, sehen eine wichtige Möglichkeit dafür in verantwortungsvollem Konsum. Das ist verständlich und auch durchaus sinnvoll. Schließlich esse ich auch lieber Schokolade, wenn ich weiß, dass dafür keine Kinder ausgebeutet wurden und ich kaufe lieber ein T-Shirt, von dem ich weiß, dass die Frauen, die es genäht haben auch genug zum Leben verdienen. Auf der anderen Seite aber ist dieses Verhalten nicht nur absolut systemkonform, sondern es trägt auch noch zur Ausweitung des Systems bei. Ein Widerspruch, der in den Grundwidersprüchen unseres Produktionssystem – Produktion per Lohnarbeit für den Markt, Erwerb von allem was wir fürs Leben brauchen per Geld über den Markt – wurzelt.

Wer seine Arbeitskraft verkaufen muss, will natürlich einerseits soviel Lohn wie möglich dafür bekommen, wer Dinge auf dem Markt kaufen muss, will sie natürlich so billig wie möglich kaufen. Das verträgt sich nicht, weil ja hohe Lohnkosten auch die Produkte verteuern. Die Konfliktlinien innerhalb des kapitalistischen Systems verlaufen also nicht nur zwischen Arbeit und Kapital, sondern immer durch jede und jeden einzelnen von uns hindurch.

Und damit ist die Sache noch nicht erledigt. Auch dem Kapitalbesitzer geht es so: er will natürlich so viel wie möglich verdienen, d.h. den Arbeitskräften so wenig wie möglich bezahlen. Damit er aber die Produkte verkaufen kann, braucht er kaufkräftige Kunden. Weil das die gleichen Menschen sind, die auch für ihn arbeiten (nicht individuell, aber über die gesamte Wirtschaft gesehen natürlich), müsste er ihnen eigentlich so viel wie möglich bezahlen, damit er seine Produkte so teuer wie möglich verkaufen kann.

Also: um den Profit, der durch den Mehrwert, den Arbeitskräfte produzieren entsteht, in Form von Geld realisieren zu können, müssen die Waren verkauft werden – damit die Waren verkauft werden können, brauchen die ArbeiterInnen Geld, müssen also mehr arbeiten, erzeugen also noch mehr Waren – damit die wieder verkauft werden können, muss die Werbeindustrie uns einreden, dass wir die alle brauchen und noch mehr arbeiten müssen, damit wir sie uns leisten können, was wieder mehr Produktion bedeutet. Diese Spirale ist einer der wichtigsten Gründe, warum Wirtschaft immer wachsen „muss“, nicht wie viele behaupten, die Zinsen.

Das kann man aber jetzt nicht an einzelnen Personen festmachen, denn wir alle, sobald wir ein Sparbuch haben oder eine Arbeitnehmervorsorge, die heute jedeR hat, die oder der ein bezahltes Arbeitsverhältnis hat, sind auch KapitalistInnen. D.h. damit wir eine hohe Pension bekommen, müssten wir gegen unsere eigene Lohnerhöhung sein. Damit unser Sparbuch gute Zinsen trägt, müssen wir viel Geld ausgeben, denn nur dann können die Kreditnehmer genug verdienen, um auch hohe Zinsen zu zaheln. Jeder „Kapitalist“ ist aber gleichzeitig auch Konsument, viele sind auch Arbeitskräfte und alle sind wir Menschen, die von Umweltschäden und Klimawandel betroffen sind. Über die Konflikte, die daraus entstehen gibt es bald einen anderen Beitrag. Das heißt, der Kapitalismus bringt nicht nur alle Menschen untereinander, sondern auch mit sich selbst in Konflikt. Und in dieser verrückten Situation können wir immer nur einen Teil unserer – auch noch so guten – Absichten verwirklichen, weil sie immer auch unerwünschte Auswirkungen haben. Und das gilt natürlich auch für verantwortungsvollen Konsum.

Soviel zur Einführung – nun aber zum Thema:

Es sollte klar geworden sein, dass niemand von uns nur KonsumentIn ist, sondern immer auch VerkäuferIn ihrer / seiner Arbeitskraft. Und auch diese beiden Aspekte decken nur einen Teil aller menschlichen Möglichkeiten ab, sie schließen wichtige Aspekte des Menschseins, nämlich die des Mitbestimmens und -gestaltens aus.

Lange Zeit war es so, dass es am Wichtigsten war, die Menschen zur Arbeit zu zwingen, um die Wirtschaft am Wachsen zu halten. Menschen wurden also auf ihre Funktion als Produktionsfaktoren, als Humankapital, reduziert. In den Industrieländern ist das in letzter Zeit umgeschlagen. Längst kostet es oft mehr, Menschen Arbeit zu verschaffen, als der Mehrwert ausmacht, den sie für die Wirtschaft noch produzieren können. Heute ist Konsumieren angesagt, der Konsument, die Konsumentin erhält das System am Leben, darum wird sie umworben und es wird ihr auch Verantwortung zugewiesen.

Das Vertrauen und die Kauflust der KonsumentInnen haben einen hohen Stellenwert für die Vorhersage von wirtschaftlicher Entwicklung. In den USA hat man die Auswirkungen erlebt, wenn man die Menschen um jeden Preis „konsumfähig“ erhalten will. Noch wenige Wochen vor dem Zusammenbruch der Hypothekenbanken hat Alan Greenspan die Banken aufgefordert, den KonsumentInnen günstige Kredite zu geben. Nicht mehr auf den Erhalt der „Arbeitsfähigkeit“, sondern auf „Konsumfähigkeit“ zielen heute im Grunde alle Sozialleistungen. Nicht zu arbeiten, das wird heute lange toleriert, wenn man geschickt ist, kann man recht lange vom AMS finanziert überleben, man muss nur die Rituale der Erhöhung seines Humankapitals, der Steigerung des Marktwertes einhalten. Und dann auf die Frühpension warten. Nicht konsumieren zu wollen, wird jedoch zunehmend unter Strafe gestellt. Wer etwa weggeworfene Lebensmittel aus dem Mülleimer holt, was ja im Sinne der Nachhaltigkeit lobenswert wäre, wird wegen Diebstahl bestraft. Nachbarschaftshilfe wird zur Schwarzarbeit, wer Pilze im Wald sammeln will, muss auch dafür bezahlen. Leben ohne zu kaufen wird zunehmend unmöglich gemacht.

Die andere Seite ist die Verantwortung, die den KonsumentInnen zugewiesen wird. Nachfrage ist die Begründung für jedes noch so schwachsinnige und umweltschädliche Produkt. Die KonsumentInnen wollen es so, also wird produziert, dabei werden längst Unsummen für Werbung ausgegeben, damit wir auch ja wollen, was wir wollen sollen. Umgekehrt, so wird uns vermittelt, könnten wir für eine gerechtere Welt sorgen, wenn wir „verantwortungsbewusst“ konsumieren, wenn wir biologisch und fair gehandelte Produkte kaufen, Strom und Wasser sparen, usw.

In beiden Diskursen – dem der Befriedigung des Konsumentenwillens und dem der Konsumentenverantwortung werden Individuen auf ihre Konsumfunktion reduziert. Und wenn wir diesen Diskurs übernehmen, wenn wir sozusagen uns diese Konsumentenverantwortung zuteilen lassen, dann reduzieren wir uns selbst auf diese Funktion und leisten weiteren „enclosures,“ der Vereinnahmung weiterer Bereiche durch den Markt Vorschub.

Denn der anspruchsvolle Konsument ist der Antriebsmotor der Wirtschaft. Ihr wollt Bioprodukte und ihr seid dafür auch noch bereit, mehr zu zahlen? Natürlich gerne, damit liegt ihr genau auf unserer Schiene, der Markt kann auch nachhaltige Landwirtschaft sichern – zumindest für die wenigen Menschen, die es sich leisten könnnen – und Menschen, die freiwillig mehr Geld ausgeben wollen, haben wir uns immer schon gewünscht.

Ihr wollt, dass die Menschen in Asien gute Arbeitsbedingungen haben, auch das ist euch einen höheren Preis wert? Aber bitte doch, natürlich, euer Wunsch ist uns Befehl und einen „code of conducts“, der euer Gewissen beruhigt, haben wir schnell verfasst und verbessert auch unser Image und macht uns wettbewerbsfähiger.

Zweifellos kann durch den Kauf biologischer und fairer Produkte für eine begrenzte Anzahl von Menschen die Lebensqualität erhöht werden, die Vorstellung dieses Modell könne einmal auf die gesamte Wirtschaft ausgedehnt werden, ist aber illusorisch. Sie funktioniert nur, weil sie auf eine kleine Schicht kaufkräftiger KonsumentInnen beschränkt ist. Und vor allem: mit allem was wir als Ware kaufen wollen, tragen wir dazu bei, dass weitere Bereiche kommodifiziert, weitere commons eingehegt werden, dass Dinge, die bisher in der Verantwortung aller lagen, am Markt hergestellt und gekauft werden können – solange sich KäuferInnen finden und nur für die, die sie bezahlen können. In diesem Fall sind das der Schutz der Umwelt, Gentechnikfreiheit, Biodiversität und Arbeitsrechte – all das wird dann über den Markt geregelt, ist es wirklich das, was wir wollen?

Ihr wollt euer Geld ethisch anlegen und nur wenig Zinsen dafür haben? Was für ein Glück, genau das interessiert uns nämlich gar nicht. Wir unterstützen euch gerne dabei, wir haben jahrhundertelange Erfahrung, wie man Menschen von commonern zu verlässlichen Arbeitskräften macht, die ihre Kredite zurückzahlen. Wenn wir dabei erfolgreich sind und die Menschen zahlungskräftig geworden sind und größere Investitionen anstehen, die mehr Gewinn bringen, lösen wir euch gerne ab. Dem Expansionsdrang des Systems wird dadurch Vorschub geleistet, indem ihm die Mühen des Anfangs abgenommen werden. Auch hier wieder, Menschen werden von commonern zu Arbeitskräften gemacht, die für den Rest ihres Lebens vom Markt abhängig sind. Anstatt ihnen Geld zu geben, damit sie kaufen können, was sie zum Leben brauchen, sollten wir sie dabei unterstützen, die commons, die ihnen geraubt wurden zurückzubekommen – nicht für Geld zurückkaufen zu müssen!

Anstatt von den Regierungen Regelungen und Kontrolle zu verlangen, die angemessene Arbeitsbedingungen und den Schutz der Umwelt sicher stellen sollen, verlangen verantwortungsbewusste KonsumentInnen ausreichend Transparenz und Information über die Bedingungen, unter denen Produkte hergestellt werden, damit sie beim Kauf entsprechend entscheiden können. Das beinhaltet den Glauben, dass sie als KonsumentInnen mehr Macht haben, als die Politik, sei es national und international und ist gleichzeitig wieder eine Reduktion politischer Aufgaben auf Kaufentscheidungen. Und es ist außerdem paradox: wenn illegale Arbeitsbedingungen transparent und allgemein bekannt wären, wäre es Pflicht der Justiz einzuschreiten, d.h. die geforderte Transparenz würde individuelle ethische Entscheidungen überflüssig machen. Das ist im Grunde so, als würden Menschen von der Regierung verlangen „sagt uns wer der Dieb ist, wir lynchen ihn dann“. Ich weiß, das ist jetzt überzeichnet und es gibt auch unerwünschte Produktionseffekte, die nicht illegal und daher kein Fall für die Justiz sind, die Unsinnigkeit des Vorhabens ändert sich dadurch nicht.

Der Glaube, man könne mit Kaufverhalten etwas am System ändern, baut zusätzlich zur Reduktion menschlicher Handlungsmöglichkeiten auf einem Irrtum auf. Konsum wird mit „Einkaufen“, mit dem Erwerb von Produkten oder Dienstleistungen über den Markt gleichgesetzt. Konsum in seiner ursprünglichen Bedeutung heißt jedoch, Verbrauch von natürlichen Ressourcen für die Herstellung der Güter, die wir brauchen um unsere Lebensbedingungen zu reproduzieren. Konsum passiert also immer gleichzeitig mit der Produktion und es muss keineswegs zwingend Geld dabei im Spiel sein. Wenn ich einkaufen gehe, „konsumiere“ ich nicht, da ist schon alles vorbei (außer ev. den Treibstoff für die Anfahrt oder den Strom für Beleuchtung, Musikberieselung und Kassa im Supermarkt). Natürlich müssen wir unser Konsumverhalten verändern, das passiert aber nicht im Supermarkt, sondern bei der Produktion. Wenn wir Strom, Wasser oder Treibstoff und Heizmaterial verbrauchen, konsumieren wir natürlich wirklich, hier ist es also durchaus sinnvoll, seinen Lebensstil zu ändern und auch umweltfreundliche Technologien anzuwenden und das kostet uns dann ja meist auch weniger, zumindest auf lange Sicht. Hier ist also der Zusammenhang auch schlüssig.

Das Konzept des „verantwortungsvollen Konsumenten“ reduziert also Menschen nicht nur auf ihre Konsumfunktion (das wäre eigentlich noch gar nicht so schlimm, weil wir kaum konsumieren können, ohne zu arbeiten, d.h. auch zu produzieren), sondern auf die Funktion der KundInnen, die das Geld wieder in den Mark zurückschaufeln, damit Profite auch realisiert werden können.

Das Problem ist, wenn wir unsere ganze Energie darauf verschwenden, ausreichende Informationen zu bekommen, damit wir „verantwortungsbewusst“ einkaufen können, dann reduzieren wir uns selbst zu KundInnen. Wenn wir noch dazu mehr Geld verdienen müssen, damit wir uns die teureren, aber politisch korrekten Sachen leisten können, müssen wir mehr von unserer Arbeitskraft verkaufen und länger dort tätig sein, wo der „verantwortungslose“ Konsum wirklich passiert, vorausgesetzt natürlich, wir arbeiten in der Produktion. Aber auch alles was sonst so an bezahlter Arbeit passiert, dient normalerweise der Aufrechterhaltung des Systems. Wieder so ein Thema, wo wir mit uns selber in Konflikt geraten. Und mehr Geld auszugeben heißt immer auch den Profit zu vermehren, denn natürlich geht nicht alles an die ProduzentInnen im Süden, und oben beschriebene Spirale wieder ein Stück weiter zu drehen.

Und wir verlieren den Blick und die Zeit für jene Funktionen, mit denen wir wirklich etwas verändern könnten: für die verantwortungsvolle Produktion und damit gleichzeitig den verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Rohstoffen, für die demokratische Mitgestaltung unserer Gesellschaft. Und vielleicht ist das die eigentliche Absicht, die hinter diesem Spiel steckt.

Wie gesagt: alles was wir über den Markt verändern wollen, machen wir zu Waren. Es geht also gar nicht um die Frage, ob wir den Kapitalismus überwinden wollen, das wäre wünschenswert, ich hab aber keine Ahnung ob es geht. Es geht zuerst einmal darum, ob wir ihn noch in seinem Wachstumsdrang unterstützen wollen, indem wir durch unser Kaufverhalten die Einhegung von commons vorantreiben, indem wir uns daran beteiligen, immer mehr gesellschaftliche Werte über den Markt herstellen zu lassen, oder ob wir uns eher Bereiche zurückholen, die wir selbst gestalten können.

Commons bedeutet im Gegensatz zur Aufspaltung des Menschen in seine Einzelfunktionen, wie sie im Kapitalismus passiert, die Zusammenführung der Prozesse von Planung, Produktion und Konsum zu einem ganzheitlichen Konzept von Wirtschaft als Reproduktion der Lebensbedingungen. Das würde, wenn auch noch lange nicht alle gesellschaftlichen Konflikte, doch zumindest die Konfliktlinien die durch uns druchgehen, auflösen. Wir werden dann nicht auf die Rolle der Arbeitskraft oder der KonsumentInnen reduziert, sondern könnten uns in unserer Ganzheit als GestalterInnen unserer Lebenswelt, als Summe des homo faber, des zoon politicon, des homo consumens und des homo oeconomicus verwirklichen. In Formen Solidarischer Ökonomie können wir diesem Ideal auf jeden Fall näher kommen, als durch politische korrektes Einkaufen. Nicht verantwortungsbewusstes Kaufen, sondern mehr Dinge gar nicht zu kaufen, sondern jenseits des Marktes zugänglich zu machen, sollte das Ziel sein.

6 thoughts on “Commons 2: Der Mythos von der KonsumentInnenmacht

  1. Wieder mal ein exzellenter Artikel! Allerdings ziemlich anspruchsvoll, was aber gut so ist.

    Dazu noch eine Anmerkung und eine Frage:
    – Greenspan heißt Alan mit Vornamen, nicht Norman 😉
    – Was versteht man unter einem „commoner“?

  2. Sorry, sehe gerade, meine Frage wurde schon im „Commons 1“-Artikel beantwortet. Das ganze Commons-Konzept ist für mich z.Z. noch extrem abstrakt und ich hoffe, dass ich da mal mehr Einblick bekomme, wenn ich mich mal einlese.

  3. Danke Tobi, dass du immer meine falschen Namen ausbesserst, ich werde dich zum Ko-Redakteur ernennen :-))

  4. Meiner Ansicht nach kritisierst Du hier in aller erster Line den Konsumtyp der LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability).
    Nachhaltiges konsumieren bedeutet aber (www.cleaneuro.at):
    1. Nicht kaufen
    2. Weniger kaufen
    3. Borgen und Leihen
    4. Second Hand nutzen
    5. Dienstleistungen bevorzugen
    6. Einkaufswege überdenken
    7. Nachfragen

    Natürlich gebe ich Dir recht: Mit bewußten Konsum alleine kann man die Welt nicht retten. Aber ich denke, daß keine Einzelmaßnahme das zu wege bringt.

    Trotzdem denke ich, daß bewußter Konsum eine gute „Einstiegsdroge“ zum selbstreflektierten Leben sein kann. Und da viele im Alltag sich hauptsächlich als KonsumentInnen wahrnehmen ist es ein guter Ansatz die Leute hier anzusprechen.
    Ich denke wenn man mit dieser Selbstreflexion beginnt („brauche ich das eigentlich wirklich“) dann ist man nicht mehr so anfällig für Werbung und streut so mit Sand ins Getriebe des Systems.
    Und danach ist es nur mehr ein weiterer Schritt darüber nachzudenken, ob das was man produziert sinnvoll oder schädlich ist. Zugegeben braucht es zum Jobwechsel mehr Entschlußkraft als einmal auf eine Fernreise zu verzichten.

    Zu den Arbeitsbedingungen, Fair Trade, bio, ethisches Investment usw:
    Das kann als Methode benutzt werden um LOHAS zu verführen. Und wie gesagt, ich denke auch, das dadurch unmittelbar nichts grundlegend verändert wird. Es verändert sich aber in einem weiteren Schritt, da die Leute von ihren rein egoistischen Kaufentscheidungen mal abkommen. Einige dieser LOHAS beginnen zu denken und kaufen dann immer weniger.
    Ich sehe die LOHAS Mode als Chance, die wir nicht bekämpfen sollten sondern nutzen. Genau jene Leute sind leichter für die Idee des solidarischen Wirtschaftens zu begeistern als die gewöhnlichen Egoisten.

    Es leiden viele Menschen unter dem vorherrschenden System immens. Diesen Leuten muß kurz und mittelfristig geholfen werden auch wenn das für das langfristige Ziel (Weg von Kapitalismus- und Wachstumszwang). Ich denke auch das eine solidarische Gesellschaft und solidarisches Wirtschaften ein alternatives besseres System sein kann. Ob es sich in der Praxis im Großen bewährt und umgesetzt werden kann weiß niemand. Deshalb bin ich weiterhin für Mikrokredite. Sie hindern vielleicht den Systemwandel ein wenig, aber sie retten teilweise Leben und ermöglichen vielen Menschen (vor allem Frauen) erst ein menschenwürdiges Leben. Diese Leute will ich nicht opfern um den Kapitalismus zu hemmen und vielleicht in 300 Jahren mal eine solidarische Gesellschaft zu bilden.

    Deine Darstellung wie es zum Wachstumszwang kommt finde ich sehr gut und kann ich vollkommen nachvollziehen.

  5. Fragen an Brigitte

    Ist ein Konsum, der alles verweigert, was aufkosten der natürlichen Umwelt, aufkosten von ArbeiterInnen, sei es hierzulande oder im Osten Europas oder in Asien oder Afrike hergestellt wird, ist solcher Konsum wirklich „absolut systemkonform“?Vielleicht insofern, als die Verwegerung des Kaufs des einen Prodiukts lediglich einem anderen Produkt eines anderen Pproduzenten derselben Art den Vorzug gibt und so in den Kreislauf des Konsumerism gerät.
    Es ist richtig, dass der Markt begonnen hat, alles, menschliche Arbeit, menschliche Körper, menschliche Talent zur Ware zu machen und dadurch zu pervertieren – eine Form der E ntfremdung des Menschen von sich selbst, hätte Marx gesagt.
    Der Kern menschlicher Fähigkeiten war für Marx seine Arbeitsfähigkeit. Arbeit war auch die zentrale Produktivkraft des industriekapitalismus. Arbeit war zu dieser Zeit ein leicht aneigenbares und damit wertloses Gut, später, mit wachsenden Rediten, ein begehrtes, in manchen Sektoren sogar ein umkämpftes Gut. Mit dem Ende des Industriekaptialismus und der Verschiebung der Produktion hin zu immer massenhafter technisch herstellbaren Konsumgütern, wurde menschliche Arbeit in Zeiten den Postfordismus wieder tendenziell wertlos, weil überflüssig. Eben diese Situation ist es, wo für die Erzeugung von Mehrwert für das kapitalistische System der Mensch als Konsument in den Vordergrund trat. Als Produzent hatte zumindest der mit der Hand arbeitende Mensch seine Funktion verloren. Er sollte nun, finanziert durch den noch immer existierenden Sozialstaat, als Konsument zur Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems dienen. Die Werbung erzeugt für ihn – und für sie – den Schein von Freiwilligkeit, mit der er/ sie sichin die n eue Rolle fügen. Sie scheinen dazu verdammt, die Güter der Massenproduktion zu konsumieren.
    Der Markt hat die Rolle übernommen, die im Überschuss produzierten Markenartiken in Umlauf zu brigen. Aber kann man sagen, dass dies nun seine einzige Funktion ist? Nein, und er ist auch nicht der Alleinschuldige an der Spirale von steigender Produktion und steigendem Profit. Es ist nicht so, dasss sich der Spätkapitalismus allein in der Sphäre der Konsumtion erhält und reproduziert,
    Die Idee der Commons ist der Versuch, die Prozesse der Herstellung von Gütern, ihres Tausches und ihrer Verwertung wieder an konkreten menschlichen Notwendigkeiten und Bedürfnissen -und Visionen – zu orientieren. Ich denke, eine alternative, eine solidarische Ökonomie wird sich in erster Linie um eine alternative Produktionsweise Gedanken machen und sie umzusetzen haben, Eine alternative Produktionsweise ist in erster Linie eine andere Weise des Umgangs mit den Ressourcen der uns umgebenden Natur. In einer Zeit des Überflusses mit fatalen ökologischen Folgen erhalten Werte von Natürlichkeit und Nachhaltigkeit den Wert, den sie heute haben, nicht zuletzt aufgrund des Wertes der so erzeugten Güter. Eine solche Produktion zieht fast automatisch eine Beschränkung des Konsums auf das Lebenswichtige, Lebenerhaltende und Lebensbereichernede nach sich – und das wäre das Ende der Konsumgesellschaft. Ich denke aber auch, dass sich eine solidarische und alternative Ökonomie auf bestimmte Formen des Tausches – und damit des Mrktes – nicht verzichten kann. Denn der Markt könnte der freie Raum sein, der nicht mehr durch wertlose Massenprodkte überschwemmt wird, sondern ein Ort des Angebots autonom erzeugter Produkte sein, der Ort des Austausches von materiellen und ideellen Gütern, die von Menschen gebraucht und gewollt werden.
    Vielleicht würden immer mehr Leute endlich bemerken, dass 80% von dem, was ihnen die Werbung einredet, überflüssig oder schädlicbh ist, keinen Wert für ihre Existenz haben. Diese Einsicht könnte die Maschinerie sinnloser Massenprodktion lahmlegen.
    Derlei Ideen lassen sich aber nicht von einem Tag auf den anderen realisieren, sondern nur in kleinen Schritten. Ich denke, dass die gegen die eingefleischten Konsumegwohnheiten gerichteten Aktionen wie CLEAN CLOTHES und FAIR TRADE solche kleinen Schritte sind, auch wenn sie sich im Medium des Marktes durchsetzen. Sie sind für mich die ersten Anzeichen für eine andere Welt, die sich nur mit Geduld, Ausdauer und viel Ideenreichtum der Realität annähern kann.

    Elisabeth List

  6. Ich gebe meinen beiden VorschreiberInnen absolut recht: bewusster Konsum ist erstens nicht systemkonform und zweitens nciht umsonst. Was du schreibst ist teilweise schon richtig, aber wenn alle Menschen nur mehr Bio- und Fairtrade-Produkte kaufen wuerden, wenn also das ganze System nachhaltig funktionieren wuerde, waere es dann noch schlecht? Klar will ich nicht auf mein Konsumverhalten reduziert werden, aber das ist nun einmal Teil des Lebens (Konsum von Nahrungsmitteln, muss nicht per Geld sein aber notwendig ist es).

    Und zweitens koennen wir natuerlich nicht allen Menschen helfen, indem wir eine Schoki im Weltladen kaufen, aber wir koennen sicher (indirekt) jemanden schaden, wenn wir die Schoki im Billa kaufen. Und wenn sich die Leute mal bewusst werden wuerden, dass sie anderen Menschen schaden, indem sie unuebrlegt einfach das billigste kaufen, dann braeuchte man das system meiner Meinung nach nicht mehr aendern.

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