Das Buch „warum schweigen die Lämmer“ von Rainer Mausfeld erschien 2018, also vor 2020.

ich hab es erst letztes Jahr, 2024 gelesen, es ordnete einige meiner Beobachtungen, über die ich hier schreiben möchte.

2020 war das Jahr in dem vieles deutlich sichtbarer geworden ist, was auch vorher da war. Von Menschen die sich wie ich als „links denkend“ bezeichnet hatten, und die sich nun entsetzt zeigten, wie schnell man bereit ist andersdenkende von der Gesellschaft auszuschließen, im Rahmen der „2G“ Maßnahmen, wurde das Jahr jedoch als Wendezeit wahrgenommen. Es sind nicht so viele, denn die Maßnahmen galten als „links“, die Kritik daran galt als „rechts“, und das ist so geblieben.

Ich beginne mit einer Erinnerung an das grazer Elevate Festival 2010. Mike Bonanno war in Graz, politischer Aktivist der Gruppe „yes men“. Ihre Methode nannten sie Medien Guerilla: Weil Leitmedien nicht schrieben was sie für wichtig fanden, versuchten sie es mit Tricks. Eine ihrer erfolgreichen Aktionen: Sie hatten die Webseite von Dow-Chemical kopiert, online gestellt und gewartet. Zum 20.Jahrestag der Katastrophe im indischen Bhopal, ein Unglück des Konzerns bei dem tausende Menschen starben, wollte BBC jemand von Dow-Chemical interviewen – und landete unbemerkt auf der kopierten Seite der „yes men“. Diese nahmen die Einladung an, und verkündeten live auf BBC dass der Konzern seine Verantwortung endlich übernehme und 12 Milliarden an Entschädigung zahlen wolle. Ich war bei attac, für uns war Mike ein Held.

2020 und in den Folgejahren entstanden Organisationen und Webseiten, die sich „Faktenchecks“ nannten, das Wort „fakenews“ trat erstmals auf. Und das war eindeutig negativ konnotiert, die Erinnerung, dass die „yes men“ genau damit, also mit „fakenews“ sehr positiven Erfolg hatten war dahin.

Das Elevate gibt es immer noch, die „yes men“ würde man heute nicht mehr einladen. Stattdessen waren 2025 bei einem Diskurs um Medien kleine Zeitung, ORF und Correctiv geladen. Also Leitmedien und eine Organisationen die sich Faktenchecks verschrieben hat, für META arbeitet und vor allem von Stiftungen Vermögender finanziert wird. Mir wurde Correctiv bekannt mit Berichten welche die AfD als bedrohlich darstellen. Das ist auch der Grund, warum es von Veranstaltern des Elevate geladen wurde.

Ist AfD, oder in Österreich die FPÖ nun eine Gefahr für die Demokratie? Jedes Leitmedium und jeder der sich „links“ bezeichnet würde dem zustimmen. Halt! Leitmedien und „links“? Waren nicht mal die „yes men“ Helden der Linken? Wie konnte es kommen, dass Linke heute Verteidiger der Leitmedien sind?

Bei Mausfeld findet man Antworten auf vielen Ebenen. Zunächst erhellt er den Blick darauf, dass Demokratie ursprünglich mal Einhegung einer Machtelite bedeutet hat, und dass wir diese zentrale Aufgabe verloren haben – wir hätten diese Demokratie also nicht mehr, sie sei zur Worthülse geworden. Ein Blick nach Österreich: wir haben den dritten ungewählten Kanzler in Folge, gestellt von einer Partei mit dem größten relativen Verlust an Stimmen. Noch ist eine große Mehrheit für Beibehaltung unserer Neutralität – und wir haben eine Außenministerin, die offensiv einen NATO Beitritt bewirbt. Hat also „das Volk“ bestimmt? Oder doch eine Elite?

Aber ist nicht die „Rechte“ für die Elite, also bedeutet ein Auftreten „gegen rechts“ damit nicht auch ein auftreten gegen die Machtelite? Zunächst mal beschreibt links und rechts zwei Seiten auf gleicher Höhe. Menschen die rechts wählen sind noch keine Elite. Mausfeld beschreibt soziologische Mechanismen auf verschiedenen Ebenen, die unbemerkt gesteuert würden. Eine davon ist die Methode der Verschränkung: Da man FPÖ oder AfD nun mal als Gefahr wahrnimmt, können alle Themen die sie vielleicht zu recht ansprechen ebenfalls als Gefahr dargestellt werden.

Neu war für mich das Wort „Empörungsmanagement“. Also auch die Empörung kann zugunsten einer Elite gelenkt werden und laut Mausfeld geschieht das auch. Ich würde sagen, Demos „gegen rechts“ fallen darunter. Sie richten sich nicht gegen eine Elite, sie richten sich gegen Menschen, die das eigene Narrativ nicht teilen. Die Elite bleibt unberührt, oder profitiert davon.

Und damit schließe ich mal, das Buch hat über 300 Seiten, viele Quellenverweise, mich hat das Lesen gefesselt. Das Titelbild dieses Essays kommt darin vor, ich hab es sehr zentral gefunden: das „heute“, die Mitte“, zeichnet ein Bild von 2018 – in meiner Wahrnehmung hat sich das stark weiter verengt. „links“ ist darin, wenngleich auch vieler seiner ursprünglichen Aspekte beraubt. Der Pazifismus etwa ist nicht mehr „links“ – dafür ist der Regenbogen geblieben und zentral geworden. Die Rüstung ist drin. US-Hegemonie mit Russland als gefährlichen Feind und Israel als Freund. Weil das alles nicht mehr widerspruchsfrei funktioniert, helfen Faktenchecks im Sinne der Elite, diese Mitte abzugrenzen.

4 Gedanke zu “ein anderer Blick auf Fakenews, mit Gedanken zu Rainer Mausfeld”
  1. Aus meiner Sicht: Sehr treffend beschrieben. Es ließe sich an Unterdrückungsmethoden noch die Cancel-Culture, Woke-Gesellschaft usw. anführen, wo von Randgruppen Restriktionen aufgebaut werden, welche den Denkraum für Proble und Lösungen immer mehr einschränken. Grundlage der Umsetzung ist das Bildungssystem – angefangen vom Kindergarten bis hin zur Universität. Die Schulen vermitteln nicht mehr Bildung und Wissen sondern behauptete Zusammenhänge von Ereignissen die Medial vorgegeben werden. Die Mechanismen sind von Orwell in seinen Romanen „1984“ und „Die Farm der Tiere“ sehr verständlich dargestellt. Diese sozialen Phänomene sind also nicht neu – aber die Totalität der Restriktion hat massiv zugenommen – wie das Diagram von Mausfeld klar zeigt.

  2. Ich bin froh über Faktenchecks – zum Beispiel: https://orf.at/stories/3394691/
    Es ist ein Unterschied ob eine Medienaktion gemacht wird um auf die zumindest fahrlässige Tötung von Menschen die sowieso ausgebeutet werden, aufmerksam zu machen. Das sind keine Fakenews. Bonano wollte ja, dass es dann aufgedeckt wird, dass DowChemicals keinen Schadenersatz zahlt und es eine öffentliche Diskussion dazu gibt.
    Wenn mächtige Menschen Fake News verbreiten um die öffentliche Meinung zu manipulieren, ist es wichtig, dass jemand nachforscht und auch Gegendarstellungen veröffentlicht.

  3. Eigentlich wäre es ja die Aufgabe von Medien, das zu tun, nachzuforschen und Gegendarstellungen zu veröffentlichen. Leider tun die das in den letzten Jahren viel zu selten. Andererseits finde ich die Arbeit von Correctiv auch ambivalent, manchmal gut und hilfreich und manchmal auch sehr im Sinne des Malnstreams, das war vor allem während der Pandemie so … Also, Faktencheck ist wichtig, sich anzuschauen, wer die Faktenchecker finanziert auch …

  4. danke für die Kommentare!
    Ich würde demnach ergänzen: Was öffentlich wird, ist eine Machtfrage. Daher muss man nicht nur bei Faktenchecks prüfen, wer finanziert, sondern auch bei Leitmedien. An meiner These, dass eine Machtelite Faktenchecks nutzt, würde ich festhalten:
    Es bleibt uns heute nicht erspart selbst zu recherchieren. Es gibt viele gute Alternativmedien in denen gute Journalisten tätig sind und Aussagen verschiedener Machteliten prüfen. In meinen ersten Blog hier auf Nordwind habe ich ein Kriterium dazu vorgeschlagen:
    Versuch über ein kategorisches Kriterium für Erzählungen
    Faktenchecks aus Machtzentren könnten dagegen zur Gefahr der Meinungsfreiheit werden, wie dieser Artikel aus einem Alternativmedium, das ich sehr schätze, beschreibt: https://www.nachdenkseiten.de/?p=133340
    Mike Bonano hat öffentlich auf BBC gelogen, er hat sich als ein Konzernvertreter ausgeben, der er nicht war. Sein Auftritt hat die Konzernaktien abstützten lassen – wenn auch nur kurzzeitig, weil BBC bald darauf richtigstellte, dass es sich um Fakenews gehandelt hat; Nur das Wort Fakenews gab es damals nicht. Mausfeld beschreibt das setzen von Begriffen, vor 2018 war das z.b. „Freihandel“, „Protestwähler“, „Rettungsschirm“. Danach kamen die Begriffe Faktencheck und Fakenews – sie verhindern, dass so gute, kreative Aktionen wie jene von Bonano heute erfolgreichen wären.

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