Es ist finster, Romi ruft an, Gottfried stehe am Färberplatz, ob ich mithelfen mag, seine Sachen zu verräumen. Die Dezentrale wurde geräumt. Ein trauriges Bild, und doch das erste, das mir in den Sinn kommt, das erzählt, wer Gottfried war. Das erste Parteilokal der Grazer Grünen, so zentral gelegen, dass sie es Dezentrale nannten, weil das besser zu dem neu gebildeten Haufen passte, der sich in die schmutzig Mur abseilte, um auf den Schmutz aufmerksam zu machen.
Die Grünen hatten ein neues Lokal bezogen – Gottfried hat das alte weiter betrieben, als politischen Marktplatz, offen, wild. Das hätte Geld einbringen sollen für die Miete, die teuer war, weil Gottfried einen neuen Vertrag gebraucht hat – die Grünen hatten seine Bitte ausgeschlagen, den sehr günstigen Alten zu halten, den er bezahlt hätte. Wir, die sich um ihn geschart hatten, die „Bewohner“ der Dezentrale, konnten es nicht besser, nach einigen Jahren war Gottfrieds Geld aus.
Als ich 2002 von Villach kam, wo mich der zu früh verstorbene Walther Schütz und das Erleben des Systems Haider politisiert hatte, traf ich bald auf Gottfried, und wurde auf seine Anfrage hin sofort Bezirksrat in Jakomini, der zweite Grüne neben ihm. Ich hatte nur die paar Termine wahrgenommen, Gottfried handelte, organisierte Innenhof Spaziergänge, machte Eingaben bei Bauprojekten, suchte Kontakt zu betroffenen Anwohnern, recherchierte zu Verkehrsprojekten, schrieb qualifizierte UVP Eingaben, gegen die Nordspange etwa, später gegen das Murkraftwerk. Schon vorher lud er zu Spaziergängen in Gössendorf, wo ein Fachmann vom Naturschutzbund die verbliebene Au gezeigt hat, und die Auswirkungen der Dammbauten.
Ich war naiv, ich konnte mir nicht vorstellen, dass bei so klaren Gegenargumenten das Kraftwerk in Graz später doch gebaut wurde. „wenn wir jetzt nicht, – dann -“ waren so oft Gottfrieds Worte, und so oft wurde das „dann“ wahr. Es hat seinen Mut nicht getrübt, auch seine Lebensfreude nicht. Gelegentlich zog er sich zurück, war auch telefonisch nicht erreichbar. Dann startete er die nächste Aktion.
Er suchte zwar Unterstützung von der Partei, aber wenn die nicht kam, machte er es eben allein, er war letztlich Einzelkämpfer. Die Partei war dankbar über seine Expertise, er konnte ein Büro im Rathaus nutzen, obwohl er dort kein offizielles Amt hatte. Sein Amt war der Bezirk, die zweite Reihe, dort fühlte er sich auch wohl. Zur Partei war er immer loyal, auch wenn er mit vielen nicht einverstanden war. Die Koalition mit Nagl etwa wollte er nicht, eine von vier Gegenstimmen war von ihm. Das Subversive lag ihm näher. Einmal hatte ich selbst mit paar Freunden eine Medien Guerilla Aktion gestartet, illegale Zeitungs- Beilagen in Wochenend- Ständern, die den Eindruck erwecken sollten, als kämen sie offiziell von der Stadt. Gottfried hat den Kopierer der Grünen genutzt, und uns 1500 Exemplare beigesteuert.
Ob er nicht manchmal einsam sei, hatte ich ihn gefragt, im Café Central, wo er oft bei einer Zeitung gesessen war. Er war nie in Beziehung, auch privat ein Einzelmann. Nein, nie, war die Antwort – er kannte viele Grazer, viele waren ihm dankbar und schätzen ihn. Einige der sich „professionalisierenden“ Grünen nicht, er passte denen nicht mehr ins Bild – und Gottfried wählte daher zuletzt selbst statt „Grüne“ die Kleinpartei „Verantwortung Erde“, wo sich einige Mur- Schützer versammelt hatten.
„Im Grunde gut“, das Menschenbild das mir heute wichtig ist, hat Gottfried gelebt, ich hab ihn immer sehr wohlwollend zu jedem Gegenüber wahrgenommen. Auch zu den blauen Kollegen im Bezirksrat – wenn ich einen – damals recht ideologischen – Einwand hatte, war sein Antwort, dass die Leute das aber mögen. Statt Gottfried war Grüner würde ich sagen, die Grünen waren mal Gottfried. Das war gut, das war politische Heimat. Eine verantwortungsvolle Person dieser Heimat ist verstorben.
Danke für diesen persönlichen Einblick! Wir sollten alle mehr “ Gottfried“ sein. lg, Petra
Danke! Günter Eisenhut