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Wessen Sicherheit?

„EU-Chefs wollen Vertrauen der Bürger zurückgewinnen, eine Sicherheitsunion schaffen und Grenzen sichern“ – so berichtete der Standard vom EU-Gipfel in Bratislava. Darum wolle man nun eine „Sicherheitsunion“ schaffen. Man fragt sich: haben sie es wirklich nicht verstanden oder wollen sie es nicht verstehen?

Wer Verträge abschließt, in deren Zentrum die Sicherheit der Investoren steht – die bekanntlich einen verschwindend kleinen Prozentsatz der EU-Bevölkerung ausmachen – der kann doch nicht wirklich glauben, dass man mit Mauern an der Grenze das Sicherheitsgefühl der Menschen stärken und ihr Vertrauen gewinnen kann!

Ja, natürlich, Ausgangspunkt sind die Erfolge rechter Parteien, denen man entgegenwirken will. Aber weil die gegen „Ausländer“ hetzen und Angst vor Terrorismus schüren, heißt das ja noch lange nicht, dass „Flüchtlingsströme“ und Terror der Grund für das geschwundene Vertrauen in die EU sind.

Vor einigen Jahrzehnten gab es eine andere Form der Sicherheit: die Sicherheit einen Job zu bekommen und später eine Pension, die Sicherheit eine leistbare Wohnung zu bekommen und soziale Absicherung für Notfälle. Wer über Jahrzehnte soziale Sicherheit zerstört, um dadurch Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen, die angeblich zum Wohlstand führen soll, den man aber vorher zerstören muss, wer jungen Menschen tagtäglich zu verstehen gibt, dass es für sie nichts mehr auf dieser Welt „sicher“ gibt, weder Arbeit, noch soziale Absicherung, der darf sich nicht wundern, wenn das Vertrauen in diese Art von Politik schwindet.

Rechte Parteien finden eine einfache Antwort auf die aktuellen Probleme: die Ausländer sind schuld und die bösen Terroristen. Viele Menschen, auch das wissen wir, wählen sie aber nicht deswegen, sondern einfach aus Protest. Aber auch wenn 30% der WählerInnen rechte Parteien wählen, dann sind es immer noch 70%, die das nicht tun, deren Vertrauen in die EU aber auch erschüttert ist durch 20 Jahre neoliberale Politik, in der kein einziges Versprechen eingelöst wurde und durch den Umstand, dass die europäischen PolitikerInnen offenbar nicht in der Lage sind, Antworten auf die dringenden Probleme unserer Gesellschaften zu finden.

Diese Menschen kann die EU aber nicht gewinnen, in dem sie eine „Sicherheitsunion“ schafft, die polizeiliche Sicherheit bieten will, was sowieso ein aussichtloses Unterfangen ist. Diese Menschen wissen, dass Abschottung der Grenzen nach Außen immer auch mehr Repression und weniger bürgerliche Freiheiten im Inneren zur Folge hat. Das gilt noch mehr in Zeiten allgegenwärtiger digitaler Überwachung.

Eine wirkliche „Sicherheitsunion“, mit der das Vertrauen der Menschen wieder gewonnen werden könnte, würde bedeuten: soziale Sicherheit, gerechte Verteilung von Arbeit, Einkommen und Vermögen, leistbare Wohnungen, funktionierende Gesundheitssysteme, Infrastrukturen in öffentlicher Hand, die allen zugänglich sind, kurz Schutz der Menschenrechte statt Schutz der Investorenrechte. Das wären auch Maßnahmen gegen den Terror, denn wer eine abgesicherte Zukunft hat, sprengt sich nicht so einfach in die Luft. Und reiche Länder mit einer solchen Infrastruktur könnten auch noch 1 – 2% Zuwanderer problemlos verkraften und müssten ihre Grenzen nicht schließen.

Während die EU-Chefs aber offenbar bereitwillig die Forderungen der Rechten aufnehmen und deren angeblichen Ängste ernst nehmen, wird jede Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit – wie sie Bundeskanzler Kern kürzlich in der FAZ zu äußern wagte – sofort ins kommunistische Eck verbannt. Dass eine Abkehr vom neoliberalen Paradigma ein No-Go ist, auch wenn sie ökonomisch und politisch sinnvoll wäre, hat ja schon das Beispiel Griechenland gezeigt. Ohne eine Abkehr von diesem Paradigma wird aber das Vertrauen der BürgerInnen nicht zu gewinnen sein, auch mit noch so hohen Mauern an der Grenze. Bleibt nur zu hoffen, dass diese heftige Gegenwehr schon das Zeichen eines drohenden Niedergangs dieses Paradigmas ist und dass im Rückzugsgefecht nicht zuviele Brücken in eine Zukunft für alle zerstört werden!